Hände hoch – der Kampf ums Bargeld

Es ist nicht lange her, es war im Mai 2013, da stiess ich mit meinem Artikel „Wozu_noch_Banknoten?“ auf viel Unverständnis. Doch heute, nur zweieinhalb Jahre später, findet man es diskutabel, nicht nur auf Banknoten zu verzichten, sondern gleich – wenn schon – auf das gesamte Bargeld. Niemand regt sich auf, denn viele denken: reine Theorie, wird nie kommen. Doch sie könnten sich gewaltig täuschen!

Beim Kampf ums Bargeld stehen in erster Linie geldpolitische Motive im Vordergrund. Und wer mischelt mit: vorwiegend Makroökonomen, Finanz- und Wirtschaftspolitiker von links bis rechts. Sie nicht?

Im Endeffekt wird es uns alle treffen. Denn es hat etwas zu tun mit logischer Konsequenz aus laufenden Massnahmen, mit Argumenten, die ceteris paribus schwer zu widerlegen sind. Am Anfang waren die Nullzinsen, dann die Gebühren auf Bargeld, dann die Negativzinsen.

Die Abwehrschlacht über die Minuszinsen

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gibt bekannt, dass sie Negativzinsen auf Girokonten bei der SNB einführt (Medienmitteilung vom 18. Dezember 2014). Negativzinsen werden auf jenem Teil der Girokonten erhoben, welcher einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Das Zielband für den dreimonatigen Libor liegt seither bei -1.25% bis -0.25%, angestrebt werden -0.75%.

Wird das Zielband noch tiefer in den negativen Bereich gedrückt, nimmt die Gefahr zu, dass die Geschäftsbanken die Negativzinsen auch an Privatkunden überwälzen. Sollte dies erfolgen, holen die Bürger ihr Geld von den Banken und legen es als Bargeld in die Tresore.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Im Jahr 2014 war im Durchschnitt folgende Stückelung von Banknoten im Umlauf: Von insgesamt 389,9 Mio Banknoten waren 38,3 Mio 1000er Banknoten (oder 9.8%)! Noch aussagekräftiger ist folgende Relation: die Banknoten im Umlauf belaufen sich wertmässig auf 62,7 Mia CHF, davon sind 38,3 Mia CHF 1000er Banknoten (oder erstaunliche 61,1%). Eine Stückelung, die für den alltäglichen Zahlungsverkehr kaum benötigt wird. Ein grosser Teil liegt infolgedessen in den Tresoren! Vgl. dazu meine Ausführungen in „Die_Notenpresse_der_Nationalbank„.

Rein theoretisch könnte ein Banken-Run erfolgen – und um dies zu verhindern, das Halten von Bargeld gesetzlich verboten werden. Und wieder rein theoretisch könnten dann die Zentralbanken das Negativzinsen-Regime hemmungslos ausweiten. Die Sparer würden zwangsenteignet, ebenso institutionelle Einrichtungen wie Pensionskassen. Allfällige Vermögenssteuern auf dem verbleibenden Sparkapital gingen in die gleiche Richtung.

Es ist nicht völlig falsch, dass der Realzins bei einer „Deflationsrate grösser als Negativzins“ immer noch positiv sein könnte. Doch für alle sichtbar liegt Ende Jahr weniger Geld auf dem Konto. Wer will noch sparen in dieser irren Welt (Manna vom Himmel Teil 1), in welcher der Verzicht auf sofortigen Konsum bestraft wird. Überdies ist die Wirkung der Negativzinsen auf steigenden Konsum auch bestritten: Nach der internationalen Bank für Zahlungsausgleich (BIZ) erhöhen niedrige Zinsen die Sparbereitschaft der Konsumenten, weil bei ihnen die Unsicherheit über das zu erwartende Renteneinkommen zunähme! Und die Unternehmen würden die niedrigen Zinsen nicht für Investitionen nutzen, sondern ihre Schulden reduzieren. Die Reinheit der Theorie und die Schweinerei in der Praxis – einmal mehr!

Alternativen zu den Negativzinsen

Zur Diskussion stehen Alternativen wie die Einführung eines Wechselkurses zwischen Bargeld und Buchgeld (auf den Bankkonten) (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wird Bargeld einbezahlt, wird auf dem Konto weniger gutgeschrieben, wird Bargeld abgehoben, ein höheren Betrag ausbezahlt. Die Differenz zwischen Bargeld und Buchgeld könnte je nach Bedarf gesteuert werden („Ökonomen wollen Bargeld abschaffen“, Finanz und Wirtschaft vom 7. Oktober 2015).

oder eine periodische Steuerbelastung von Bargeld in der Höhe der Negativzinsen.

Im Moment sind es diese geldpolitischen Aspekte, die häufig diskutiert und in den Medien kritisch akzentuiert werden. Doch nicht minder bedeutsam sind daneben auch technologische und sozialpolitische Argumente.

Wir nehmen kein Bargeld – die bargeldlose Gesellschaft 

Das Königreich Schweden war das erste europäische Land, das Banknoten eingeführt hat (1661 – Dukaten und Taler). Nun wird es vielleicht eines der ersten Länder, welches das Bargeld abschafft. Das elektronische Portemonnaie im Handy spielt hier die entscheidende Rolle. „Swish“ ist eine von den sechs grössten schwedischen Banken eingeführte App, die es ermöglicht, einander Geld per Handy zu überweisen. Über ein Fünftel der Bevölkerung soll diese App schon installiert haben.

Überhaupt geht der Norden von Europa im Einschränken von Bargeld voraus. Die dänische Regierung hat vorgeschlagen, Geschäfte wie Restaurants, Tankstellen und kleine Läden nicht mehr zu verpflichten, Münzen und Banknoten als Zahlungsmittel anzunehmen. Und die Zentralbank hat angekündigt, die Herstellung von Banknoten und Münzen einzustellen! Auch hier steht das elektronische Portemonnaie im Vordergrund: die Danske Bank führte vor zwei Jahren eine Mobile-Pay-App ein. Inzwischen sollen über 1.6 Mio Dänen diese App nutzen, das wäre fast jeder dritte Einwohner.

Die Euro-Zone zieht nach: In verschiedenen Ländern dürfen Zahlungen über 500 Euro bzw. 1000 Euro (Frankreich) nicht mehr bar erfolgen. Eine solche Restriktion besteht seit einigen Jahren auch in Italien. Und die Schweiz?

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Auch hier ist man unterwegs, Barzahlungen einzuschränken (zur Diskussion stehen Barzahlungen ab CHF 100’000). Und auch hier soll es bald möglich werden, einer zweiten Person via Handy Geld zu überweisen, idealerweise unter Umgehung der Bank (von Privatperson zu Privatperson, Peer-to-Peer, P2P). In der Schweiz konkurrieren Entwicklungen wie Klimpr, Mobino, Muume, Paymit und Twint um die Gunst der Anwender.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das System Paymit ist ein Kooperationsprojekt des Schweizer Bankenplatzes (UBS, SIX, ZKB), bis auf weiteres kostenlos für alle, auch ohne UBS-Konto. Swisscom schliesst sich an und zieht bei Tapit die Notbremse. Auch CS und Raiffeisen sollen interessiert sein. Da die SIX-Technologie bei vielen Detailhändlern installiert ist, sieht man hier Akzeptanzvorteile. Twint, eine Tochtergesellschaft der Postfinance, entwickelt eine alternative Technologie – Datenübertragung per Bluetooth, wobei die Postfinance folgende Prioritäten setzen will: Detailhandel (Coop ist in einem Pilotprojekt), E-Commerce, P2P. Ziel: tiefere Transaktionsgebühren für über eine Mio Anwender.

Weltweit mischen die global Player mit, Apple (mit Apple-Watch), Google und Facebook. Wann es soweit ist und wer letztendlich die Standards setzt ist offen, es kann sich noch viel ändern. Google beispielsweise kündigt ein System an, das mündlich funktionieren soll.

Auch das elektronische Geld in Form einer digitalen Währung ist im Vormarsch. (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Bitcoin funktioniert ohne physisch existierende Wertträger wie Banknoten und Münzen. Bezahlt wird über Rechner oder Handy. Bitcoin beruht auf der Blockchain-Technologie. Sie besteht, wie der Name sagt, aus einer Kette miteinander verbundener Blöcke. Die verschlüsselten Informationen (für eine Zahlung beispielsweise) werden dezentral und für alle Beteiligten einsehbar auf verschiedene Rechner gespeichert und in einem Block an eine bestehende Kette aufgezogen, wie eine Perle auf eine Perlenkette. Die Blockchain ist eine Art Kontobuch, das alle Bitcoin-Nutzer prüfen können. Wer an einem bestehenden Block Veränderungen vornehmen möchte, müsste alle damit verbundenen Blöcke manipulieren um nicht entdeckt zu werden. Dazu reicht die Rechenleistung nicht aus. Die Blockchain-Technik gilt daher als sicher, ein digitales Zahlungssystem ohne Banken und ohne Staaten. Die kleinste Einheit, ein Hundertmillionstel eines Bitcoins,  ist ein Satoshi, genannt nach dem bis heute unentdeckt gebliebenen Erfinder mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto.

Konjunkturpolitik per Knopfdruck

Sollte in absehbarer Zukunft das digitale Geld das Bargeld verdrängen und die Zentralbank in der Lage sein, Negativzinsen per Knopfdruck einzuführen, wäre folgendes Szenarium denkbar:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die massgebenden „Wirtschafts-Ingenieure“ befürchten eine bevorstehende Deflation. Sie bedrängen die Zentralbank, die Negativzinsen markant zu erhöhen. Die Zentralbank im Schlepptau der Politik kündigt an: „Ab 1. März 20XY werden sämtliche Spar- und Kontokorrent-Konten mit einem Negativzins von 10% p.a. belastet“. Die Konsequenz wäre das Ziel: die überwiegende Mehrheit der Konsumenten und Investoren würde für später vorgesehene Ausgaben vorziehen und damit die Wirtschaft umgehend ankurbeln. Bleibt offen, wer die Zinsbelastung von 10% vereinnahmen dürfte. Sicher nicht die Banken, sicher der Staat. Es wäre eine Art Konsum- und Investitionssteuer, deren Lenkung Konjunktur- und Steuerpolitiker gemeinsam mit viel Phantasie und Begeisterung umsetzen würden.

Erschreckend, dass Währungsexperten und Politiker über solche Massnahmen nicht nur träumen, sondern darüber auch diskutieren und publizieren. Natürlich müsste man auch den Besitz von Gold und Fremdwährungen verbieten (Euro-Raum und USA). Doch: Wäre der Besitz von Bargeld, Gold und Fremdwährungen irgendeinmal verboten, nur der Besitz von Schweizer Franken nicht (die schweizerische Bevölkerung stemmt sich mit allen Kräften gegen diese Entwicklung), gewönne der Schweizer Franken zusätzlich an Attraktivität, weltweit, und der Kampf der SNB gegen die Überbewertung des Frankens wäre aussichtslos.

Hehre Motive hinter sozialpolitischen Zielen

Um das politische Umfeld für die Abschaffung von Bargeld nachhaltig zu beeinflussen wird darauf hingewiesen, dass die Einschränkung des Bargelds kriminelle Aktivitäten wie illegale Geschäfte, Geldwäsche, Schwarzarbeit (Schattenwirtschaft) und Steuerhinterziehung erschweren. Auch der Kampf gegen den Terror oder gegen Raub- und Banküberfälle werden als Motive vorgeschoben. Und überhaupt: Bargeld ist unsicher, schmutzig, teuer in der Herstellung und ineffizient als Zahlungsmittel.

Die Summe der technokratischen Aspekte der Geldpolitik, der technologischen Entwicklung im Zahlungsverkehr und der sozialpolitischen Umverteilungsperspektiven führen insgesamt zu einem Gebräu unterschiedlicher Ursachen und Interessen, die das Halten von Bargeld immer mehr einschränken.

Still und leise, nach und nach, auf bürokratischem Weg – und das Bargeld war einmal. Der Kampf ums Bargeld ist eigentlich schon verloren, bevor er richtig begonnen hat. Und die nächste Stufe der finanziellen Repression steht bevor: die totale finanzielle Überwachung durch den Staat.

AIA – der gläserne Konsument im Spiegel derLogo_ImVisier3 Geld- und Sozialpolitik. Demnächst

 

14.01.2016/Renzo Zbinden