Unsere Freiheit – wieviel darf es noch sein?

Bundesverfassung Art.10: Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit

2 Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.

Die persönliche Freiheit ist eine Errungenschaft, für die viele lange gekämpft haben. Sie ist schnell verspielt, wenn wir jene darüber bestimmen lassen, die sie weder verstehen noch verdienen.

Sie sind mitten unter uns.

Die Wegbereiter des Glücks

Sie glauben zu wissen, was richtig ist und was glücklich macht. Ihre politische Heimat ist die extreme linke und die extreme rechte Schmuddelecke. Hinzu kommen religiöse Heilsbringer, die frei von politischen Zielen bestimmen wollen. Über Jahrhunderte haben sie uns Unglück gebracht. Je überzeugter ihr Auftreten war desto fataler waren die Folgen. Auch Gutmenschen und grüne Vordenker nehmen sich das Recht, autoritär und dogmatisch zu fordern, was sie für richtig halten. Sie sprechen Denkverbote aus und verlangen Political Correctness. Selbstzweifel sind ihnen fremd.

Die Wegbereiter des Glücks schränken mit ihrem Tun unsere persönliche Freiheit ein, immer mehr. Von der Wiege bis zur Bahre soll der Staatsbürger geführt und behütet werden, und zwar nach ihren Vorstellungen von Glück, Zufriedenheit und Gerechtigkeit. Andersdenkende werden als Ewiggestrige abqualifiziert. So einfach ist das, für die Oberlehrer der Nation.

Die verlorenen Freiheitsrechte

Heute wird geregelt und verordnet bis alle Ermessensspielräume verschwinden. Wer als Beispiel eine Liegenschaft baut, versteht die Welt nicht mehr:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die volle Wucht des Staates erfährt, wer in städtischen Gebieten ein Mehrfamilienhaus errichten will, als Ersatz für ein altes. Es beginnt damit, dass die Altmieter Rechte für sich in Anspruch nehmen, die man so nicht erwarten konnte. Ausziehen schon, aber erst nach 3 bis 4 Jahren. «Eine so günstige Wohnung ist eine Seltenheit, alles so nah, so ruhig und dazu noch der schöne Garten und die sympathischen Nachbarn». Der seinerzeit unterzeichnete Mietvertrag mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten ist nur noch Makulatur, «pour la galerie». Dazu kommen die fundamentalen Einsprachen der Nachbarn, die endlosen Bauvorschriften und die folgenschwere Macht der Baubehörde.

Eine von ihrer Mission beseelte Baubehörde schnürt ein immer engeres Regulierungskorsett. Das Baurecht bekommt schlussendlich eine neue Bedeutung, es wird zum behördlichen Gnadenakt. Professionelle Bauherren wie Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen können damit besser umgehen als unerfahrene private. Diesen fehlen die Hausjuristen und das Netzwerk, um Gegendruck aufzusetzen.

Es gibt immer auch gute Gründe, die Freiheit einzuschränken: die Gesundheit, was wir mit der Pandemie erleben, die Umwelt, die Sicherheit, der Wettbewerb, der soziale Ausgleich, die Ethik. Eigentlich sollte die Reglementierung das Leben einfacher machen, die Zentralisierung effizienter, die Harmonisierung gerechter, doch alle drei führen in die Planwirtschaft. Worin besteht sie noch, die übrig gebliebene Freiheit? Steht uns ein alles dominierender Sozialstaat bevor, wenn wir uns ohne Widerstand treiben lassen? Es sieht so aus.

Grenzen der persönlichen Freiheit

Unbestritten ist oder sollte sein: Die persönliche Freiheit muss erstens auf das Allgemeinwohl Rücksicht nehmen. Wer Freiheitsrechte für sich in Anspruch nimmt, muss diese zweitens auch anderen gewähren.

Toleranz ist ein zentrales Element, doch schwer zu deuten. Tolerant ist, wer für sich selbst von seiner Wahrheit überzeugt ist, aber mit Rücksicht auf die Freiheit des anderen diesem seine persönliche Wahrheit nicht aufzwingt.

Die Toleranz entspringt nicht der Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit, sondern der Achtung der Freiheit des Andersdenkenden.

Soll man der Intoleranz mit Toleranz begegnen? Darf man als Beispiel den radikal politischen Islamismus tolerieren – eine gewaltsam umgesetzte Wunschvorstellung einer Rückkehr in die Vergangenheit? Und wie begegnet man einer radikal konservativen Haltung?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Konservative verstehen die Gesellschaft als eine Art Erbe, das ihnen anvertraut ist und wofür sie Verantwortung tragen. Brauch und Tradition wollen sie auf dem Weg der Verhandlungen der Moderne anpassen. Sprunghaften Veränderungsanforderungen begegnen sie mit grosser Skepsis.

Wer tolerant ist sucht seine Freiheit vorerst bei den Liberalen.

Die Liberalen

Sie haben die Bundesverfassung entscheidend geprägt. Und nicht aus Zufall halten wir bis heute den freiheitsliebenden Wilhelm Tell und die wehrhafte Helvetia täglich in unseren Händen.

Bargeld ist geprägte Freiheit

Die Liberalen akzeptieren die Gleichwertigkeit aller Meinungen. Sie wollen nicht ihre Wahrheit mit den Zwangsmitteln des Staates ihren Mitbürgern aufzwingen. Denn für die Liberalen ist es wesentlich, dass der Staat offenlässt, wie man glücklich wird. Für sie hat das Individuum Vorrang vor dem Kollektiv.

Der liberale Staat soll das Zusammenleben der Menschen mit unterschiedlicher Wahrheitsüberzeugung in rechtlich anerkannter Freiheit möglich machen, unter der beständigen Wachsamkeit der öffentlichen Meinung. Und wo stehen wir heute?

Die übermässige Umverteilung als Fernziel

Ein Staat, der seinen Bürgern im Durchschnitt bald einmal 50% an Einkommen entzieht (mit direkten und indirekten Steuern, Gebühren, Abgaben, Vorsorgebeiträgen und Krankenkassenprämien) sollte sich hüten, die Staatsquote (Fiskalquote) weiter zu erhöhen. Die vollkommene Umverteilung kann kein Fernziel sein. Es braucht auch den Willen zu sozialstaatlichen Beschränkungen.

Die Umverteilung von reich zu arm ist für viele eine Selbstverständlichkeit, schon fast ein Glaubensbekenntnis. Für eine Gesellschaft wird sie dann zum Problem, wenn sie auf einer politischen Melkstrategie beruht. Erfolgt die Umverteilung vom Leistungsträger zum Leistungsrelativisten, bzw. vom über den Tisch gezogenen Steuerzahler zum unkritischen Steuerkonsumenten in ungebremster Form, kommt es zu einer Leistungsverweigerung. Der Steuerzahler reduziert seine Arbeitszeit auf 80% oder weniger, verzichtet auf eine Karriere oder tritt früher in den Ruhestand. Wir sind auf diesem Weg. https://imvisier.ch/die-leistungstraeger-in-der-steuerfalle/

Die als ungerecht empfundene Umverteilung des Einkommens und des Vermögens ist eine subtile Form der Enteignung durch den Staat, von dem eigentlich erwartet wird, dass er das Privateigentum schützt.

Bestimmen mächtige Minderheiten oder grosse Interessengruppen über fremdes Geld oder suchen Mehrheiten von Stimmbürgern die kollektive Selbstbescherung wird unser Wohlfahrtsstaat geplündert.

Wenn der Mittelstand aufgerieben wird, wenn seine Ersparnisse keine Zinsen mehr abwerfen, dann glaubt der Mittelstand nicht mehr an einen liberalen Staat.

Freiheit für alle?

Freiheit setzt Bildung, Sozialstaat, Wohlstand und Rechtsstaat voraus. Schulen von der Grundschule bis hinauf zu den Hochschulen und Universitäten sollen allen offen stehen. Soziale Notstände sollen abgefedert werden (mit der Arbeitslosenversicherung, der Unfallverssicherung, der Krankenpflege und den Altersrenten)

Zusätzlich fordern die Wegbereiter des Glücks soziale Gerechtigkeit.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Über Gerechtigkeit ist schon viel geschrieben worden, obwohl es sie gar nicht gibt. Die Ungerechtigkeit beginnt schon bei der Geburt und begleitet uns durch das ganze Leben. Es gewinnt in der Regel der Stärkere, ein Naturgesetz.

Die Freiheit ist nicht kostenlos und nicht ohne Bürde. Ein Leben in Freiheit ist ein Leben in Eigenverantwortung, verbunden mit einer existentiellen Ungewissheit. Freiheit ist anstrengend und nicht ohne Risiko.

Freiheit wird auch missverstanden. Eine Gesellschaft ohne Leistungsanreize macht nicht frei. Zu viele sind heute bereit, ihre persönliche Freiheit einzutauschen gegen eine vermeintliche ökonomische Sicherheit. Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann sich im Verlaufe der Digitalisierung als notwendig erweisen, aber frei macht es nicht, es schafft neue Abhängigkeiten (vom Staat).

Im Grunde der Dinge müsste eine breite Öffentlichkeit erkennen und die Politik bestimmen, wieviel soziale Gerechtigkeit zulasten der persönlichen Freiheit eingeräumt werden soll. Dabei geht es immer um das Suchen und Finden der «richtigen» Balance zwischen Individuum und Staat.

Gelenkte Unfreiheiten

Wer eine Gemeinschaft durch immer mehr Gebote und Verbote lenken will, wird scheitern. Denn er geht von einem idealisierten Menschenbild aus. Es fällt ihm schwer zu akzeptieren, dass die Mehrheit der Menschen in erster Linie ihre persönlichen Vorteile sucht (für sich, die Familie, die Freunde, das Dorf, den Staat). Da es ums Überleben geht, kann man es den Menschen schwerlich anlasten. Und wer nur für andere da sein will, macht sich selbst glücklich, findet dabei seine persönliche Zufriedenheit, sonnt sich in seiner moralischen Überlegenheit. Auch diese Haltung ist selbstbezogen.

Ist der liberale Staat nur noch ein Feigenblatt, nur noch da, Strukturen zu erhalten? Dabei wären grosse Probleme zu lösen: die Steuerreform, die Rentenreform, die Energiewende, die Agrarpolitik, die Europapolitik als Beispiele.

Ist es wirklich so, dass wir noch korrigierend eingreifen könnten, wenn wir nur wollten? Mit Initiativen, Referenden und Vorstössen? Kommen überhaupt noch die wichtigsten Abstimmungsthemen vors Volk? Oder geht es nur noch um unbedeutende Themen wie Tempolimiten im Agglomerationsverkehr?

Die westlichen Demokratien befinden sich auf dem Rückzug, bedrängt von verunsicherten Stimmbürgern, autokratischen Staatswesen, selbstgerechten Eliten, Einparteien-Regimes, Notstandsverordnungen. Immer weniger Freiheit als Antwort auf diese Probleme. Und wer wehrt sich heute noch für die persönliche Freiheit, für eine kreative Vielfalt, für alternative Lebensentwürfe und einen Pluralismus der Meinungen?

Gedenkmünze 5 Franken 1941

In einer Demokratie sind der Staat und die Politiker für den Bürger da, nicht umgekehrt. Nimmt man dem Bürger die persönliche Freiheit, verliert er an Würde und Respekt. Und er hat schon viel verloren, zu viel.

10.05.2020/Renzo Zbinden