Es ist Mittwoch, der 21. Juli 20XX, 08.15 Uhr. Sie öffnen die Post und halten einen Scheck in Ihren Händen – 5‘000 Franken – mit freundlichen Grüssen, die Schweizerische Nationalbank.
Ein schöner Traum? Nicht unbedingt. Es ist eine der letzten verzweifelten Massnahmen, die drohende Deflation zu stoppen, sog. Helikoptergeld. Doch der Reihe nach.
Als Deflation bezeichnet man ein sinkendes allgemeines Preisniveau über einen Zeitraum von mehreren Quartalen. Das Gegenteil – uns gut bekannt – die Inflation ist sinngemäss ein steigendes allgemeines Preisniveau. Ökonomen sind der Ansicht, dass
erstens eine Inflationsrate von weniger als 2 Prozent erstrebenswert ist
zweitens eine darüber hinausgehende Inflation jederzeit unter Kontrolle gehalten werden kann
drittens eine Deflation ungenannter Grösse unter allen Umständen zu verhindern sei
Weshalb ist die Deflation gefährlich?(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Ein Beispiel aus der Konsumgütertechnologie: Fernsehapparate werden immer billiger, trotz zunehmender Leistungsfähigkeit. Preissenkungen dieser Art heben das Realeinkommen der Bevölkerung. Das ist auch der Fall, wenn Importgüter aus Gründen des starken Schweizer Frankens billiger werden. Deflation, die es zu verhindern gilt, hat andere Ursachen: sie ist gefährlich, wenn die Nachfrage nach Gütern dauernd unter der aktuellen Produktionskapazität liegt. Dann erfolgen Preissenkungen, um überhöhte Lager abzubauen. Und in dieser Erwartung verschieben die Konsumenten ihren Kaufentscheid immer wieder, was zu weiteren Preissenkungen und damit verbunden zu Umsatzeinbussen, Gewinneinbussen und Entlassungen führt. Liegt gleichzeitig eine hohe Verschuldung der Haushalte und Unternehmen vor, steigt überdies der reale bezüglich Kaufkraft effektive Wert der Verschuldung. Haushalte und Unternehmer sehen sich gezwungen, Vermögenswerte zu verkaufen, was die Preise noch einmal ins Rutschen bringt. Zahlungsausfälle häufen sich. Die Banken halten Sicherheiten, die zur Deckung der gewährten Kredite nicht mehr ausreichen, Wertberichtigungen drängen sich auf, die Bankenkrise ist da und das Karussel dreht sich weiter bis tief in die Rezession.
Wenn eine Zentralbank die Wirtschaft stimulieren will, senkt sie normalerweise den Leitzins. Die Geschäftsbanken können sich dann bei ihr billiges Geld besorgen, um dieses günstiger an Haushalte und Unternehmen weiterzugeben. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Sinkt der Zinssatz gegen Null, fehlt der anderen Seite der Medaille, dem Geldgeber (ausserhalb der SNB) bzw. dem Anleger der Anreiz, in die Realwirtschaft zu investieren. Das überschüssige, nicht „konsumierte“ Geld wird heimatlos, es bleibt der produktiven Wirtschaft fern.
Dem Kapitalmarkt ist der Kompass abhanden gekommen
Anleger, die höhere Erträge erzielen wollen (oder müssen), sehen sich gezwungen, auch höhere Risiken einzugehen. Und sie finden Alternativen:
Alternativen sind erstens Direktinvestitionen in den Immobiliensektor. Wer heute in Immobilien investieren will, muss tief in die Tasche greifen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Namentlich Institutionelle Investoren sehen sich in einem Anlagenotstand. Die sog. Buy-to-let-Strategy (Kauf von Immobilien zur Weitervermietung) wird mit steigenden Immobilienpreisen immer riskanter. Nicht viel besser ergeht es dem Privatanleger der Wohneigentum erwerben will. Attraktive Wohnobjekte werden immer teurer. Das zeigt sich u.a. am Immobilienindex ImmoScout24/IAZI: Seit Januar 2011 sind Einfamilienhäuser um über 10% gestiegen, Eigentumswohnungen um gegen 20% (Stand 18.6.2015).
Mehr oder weniger bewusst geht der Privatanleger Risiken ein, die er – aufgrund der aktuell tiefen Hypothekarzinsen – unterschätzt. Er rechnet: die Miete für eine Neubauwohnung in Stadtnähe für eine 4-köpfige Familie beträgt CHF 2’250 monatlich oder CHF 27’000 jährlich (ohne Nebenkosten). Kann er die minimale Eigenfinanzierung aufbringen, stemmt er bei einem Hypothekarzins von 1.5% einen Kaufpreis von CHF 1.8 Mio. plus Eigenkapital. Damit ist er voll im Markt. Und sollte der Hypothekarzins nach Ablauf der Festhypothek gestiegen sein, hat er insofern kein Problem, als er inzwischen Karriere gemacht bzw. Reallohnerhöhungen erhalten hat.
Doch die Risiken sind beträchtlich. Steigt der Hypothekarzins auf 5%, steigt die jährliche Zinsbelastung von CHF 27’000 auf CHF CHF 90’000. Nach Ablauf der Festhypothek verlangt die Bank eine jährliche Amortisation und zusätzlich fallen namhafte Unterhaltskosten an. Geht er später der Pensionierung entgegen, macht sie eine sog. Tragbarkeitsrechnung. Sie rechnet (unabhängig von der möglicherweise immer noch tiefen Zinssituation) eine jährliche Zinsbelastung von 5% und stellt diese in Relation zum Ersatzeinkommen (Renteneinkommen) und Vermögensertrag.
Immer häufiger stellt die Bank eine ungenügende Relation zwischen hochgerechneter Zinsbelastung und Ersatzeinkommen fest. Sie drängt den Haus- oder Wohneigentümer, das Objekt zu verkaufen. Vermutlich sind die heute in den Medien aufgeführten Beispiele noch exemplarische Einzelfälle, doch die Absicht ist klar erkennbar: bei Kreditnehmer vor oder nach Pensionierung Kreditrisiken reduzieren.
Alternativen sind zweitens Investitionen in den Aktienmarkt.(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Die Rally der Schweizer Aktien dauert bereits über sechs Jahre. Das deutsche Börsenbarometer DAX ist in den vergangenen drei Jahren um rund 75% gestiegen. Nach Ankündigung des Anleihekaufprogramms der EZB im laufenden Jahr ging es gleich weiter. Per Mitte Juni liegt der DAX rund 15% im Plus. Das Bewertungsnivau ist hoch und ebenso die Volatilität. Paradoxal ist der Gesamtanstieg auch deshalb, weil die Gesamtrisiken im Aktienmarkt stetig zugenommen haben.
Heute sind die Unternehmen selbst aktive Investoren in den Aktienmarkt. Da ihre überschüssigen Mittel im Tiefzinsumfeld kaum Rendite abwerfen, investieren sie ihre Cashflows in eigene Aktien, und nicht in die Realisierung ehrgeiziger Ziele. Damit treiben sie ihre eigenen Aktienkurse zusätzlich in die Höhe.
Alternativen sind drittens Investitionen in Edelmetalle, Rohwaren, Kunst und exotische Sachwerte (wie Bauernhöfe, Imkereien, Weingüter, Oldtimer und Banknoten).
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Aus einer Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg geht hervor, dass bei Auktionen in New York im Mai 2015 Kunstgegenstände im Wert von $ 2,7 Mrd. verkauft worden sind, ein Plus von 23% gegenüber dem Vorjahr. In Europa noch weniger bekannt sind Investitionen in historische Wertpapiere, Anlage-Münzen und -banknoten. Dazu Investieren_in_Banknoten
Das tiefe Zinsumfeld ist auch für die Zentralbanken auf längere Sicht unerwünscht. Sollten sie die Zinsen wieder erhöhen – der Zins als Steuerungselement der Mittelallokation eine Renaissance erfährt – drohen reale massive Vermögensverluste. Denn letztendlich war das billige Geld unproduktiv investiert. Hoch verschuldete Haus- und Wohneigentümer, Haushalte und Unternehmen geraten dann reihenweise ins Straucheln. Dazu kommen Banken und Versicherungen, deren Hypothekarkredite im fallenden Immobilienmarkt ungenügend gedeckt sind. Bei erodierender Ertragslage der Banken entfällt auch ihre Fähigkeit, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.
Der Immobilienboom, die Börsenhausse, die Schuldenwirtschaft fordern ihre Opfer. Dabei ist der weltweit aggregierte Schuldenberg grösser als je zuvor.
Die Krise entstand durch niedrige Zinsen und billiges Geld. Die Lösung liegt in noch mehr Geld und in negativen Zinsen.
Es kommt die Zeit von Helikopter Ben – Manna vom Himmel – Teil 2.