Der Kunde König – das Geschäftsrisiko Nummer eins

„Guten Morgen Herr König. Wie geht es Ihrer Frau Gemahlin? Ich habe sie letzten Samstag beim Einkaufen getroffen. Ihre Tochter will offenbar noch diesen Frühling heiraten. Richten Sie ihr meine besten Wünsche aus.

Was darf es heute sein? Sie kommen es am Abend abholen, wie immer? Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“

(Der Kunde König – frei nach Jeremias Gotthelf)

Mit Kunde König war man freundschaftlich verbunden. Man kannte seine Bedürfnisse, sein Einkaufsverhalten, seine Familie, aber

König war er nie

immer nur Kunde, König nur dem Namen nach. Mit zunehmender Konkurrenz erkannte man seine ultimative Bedeutung für die Weiterführung der Geschäfte. Man wollte ihn behalten und neue dazu. Doch wie? In den frühen siebziger Jahren war die Antwort auf diese Frage: Marketing.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Marketing hiess, alles aus der Sicht des Kunden zu verstehen. Dazu standen in Theorie und Praxis verschiedene Instrumente zur Verfügung, von der Marktforschung über die Produktgestaltung bis zur Preisdifferenzierung.

Aus Amerika hinzu kam die Direktive „Client Orientation“ (Kundenorientierung). Es war die Zeit, wo alle Kunden haben wollten. Die SBB beförderten keine Passagiere mehr, sondern Kunden. Krankenkassen erbrachten ihre Dienstleistungen nicht mehr an Versicherte, sondern an Kunden. Der Sinneswandel  ging so weit, dass sogar die Steuerverwaltung von Kunden sprach und die Polizei Kundenbefragungen vornahm.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

In der öffentlichen Verwaltung ist der Begriff Kunde unzutreffend. Solange es dem Bürger verwehrt bleibt, Preise und Umfang der staatlichen Leistungen zu verhandeln, ist der Begriff fehl am Platz. Steuerpflichtiger oder Gebühren- und Abgabepflichtiger sind weiterhin angesagter.

„Client Orientation“ heisst heute: Datensammeln über Kunden, die nicht nur kritischer und verwöhnter, sondern auch unverschämter und unberechenbarer geworden sind. Das trifft insbesondere auf Konsumenten zu. Ihr Konsumverhalten hat sich radikal verändert.

Zappelphilipp

Einkaufen rund um die Uhr, aus einer riesigen Auswahl, Lieferung frei Haus. Händler wie Zalando überleben eine Retouren Quote von 50 Prozent.

Totales Einkaufen über das Netz ist nur noch eine Generationenfrage (Digitalisierung Teil 1, Treiber). Zwar beschränkt sich heute der erfolgreiche Online-Handel noch auf gewisse Güter (wie Bücher, elektronische Artikel und Kleider), bei den „Digital Natives“ wird es aber kein Halten mehr geben. Ladenstrassen und Einkaufszentren werden verschwinden, erwartet wird eine „Retail Apocalypse“.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Natürlich kann man beim Online-Einkauf die Schönheit der Dinge nicht sehen, die Produkte nicht fühlen, die dreidimensionale Wirkung nicht spüren. Trotzdem: Viele glauben, dass die Kunden in Zukunft mit einer VR-Brille durch die Shoppingmalls flanieren, eine Vorstellung, die heute kaum Begeisterung auslösen dürfte.

Zum Phänomen Zappelphilipp hinzu kommt ausserdem das brachiale Auftauchen bisher nicht mitmischender Konkurrenten. Es sind keine Händler mehr im bisherigen Sinne, es sind reine Datenkonzerne mit angeschlossenem Warenlager (diese allenfalls noch gehalten durch Dritte).

Die Handelsfunktion als Kernkompetenz für die Marktberechtigung der Händler reicht nicht mehr aus!

Neue Marktteilnehmer mit neuen Kompetenzen werden die alten Giganten aus dem Markt werfen (Airbnb, Amazon, Apple, Uber und Booking.com sind nur aktuelle Beispiele für diese neuen Geschäftsmodelle. „Out of the blue“ sind sie da. Solche Anbieter sind kapitalkräftig, erfahren und unerschrocken. Nicht selten treten sie global auf. Markteintrittsbarrieren aller Art schleifen sie mühelos. Alte Platzhirsche erwischt es auf dem linken Fuss.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

So steigt der Online-Händler Amazon in den Versandhandel von Medikamenten ein. Zum Auftakt erwirbt er die Online-Apotheke PILLPack. Das US-Pharmaunternehmen liefert Tabletten im Wochen- und Monatsrythmus, um den Tagesbedarf von Patienten zu decken. (FuW vom 30. Juni 2018). Die Aufregung im Markt und an der Börse ist verständlich (Walgreen Boots Alliance – 11,5%, Rite Aid – 12,9%). Amazon hat auch die Mittel, durch Übernahmen rasch zu wachsen.

Es besteht die grosse Gefahr, jetzt noch zufriedene Kunden an Anbieter zu verlieren die in der Lage sind, „added Value“ der neuen Art zu bieten.

Added Value?

„Added Value“ ist als Begriff so abgegriffen und missbraucht, dass man ihn nicht mehr hören kann (sogar auf den Einkaufs-Trenndreiecken an den Kassen in Lugano steht inzwischen „valore aggiunto“). Doch „added value“ gilt weiterhin, in einem noch konsequenteren Sinne: totale Individualisierung. Was vermutlich schon früher für die Pilatuswerke galt, ist heute Vorgabe für alle.

Unsere Produkte sind massgeschneidert auf den Kunden und seine Operationen. Dem PC-12 vertrauen die Royal Flying Doctors in der Hitze des australischen Outbacks. Und die Royal Canadian Mounted Police in der arktischen Kälte. In 29 Ländern absolvieren die Militärpiloten ihre Schulung auf Pilatus Trainingsflugzeugen. Während der über 60-jährigen Firmengeschichte hat Pilatus nie eine Luftwaffe als Kunden verloren und darauf sind wir stolz: Einmal Pilatus, immer Pilatus (Oscar J. Schwenk, Verwaltungsratspräsident der Pilatus Flugzeugwerke)

Pilatus PC-24

Einmal Kunde, immer Kunde?

Der Kunde ist kritischer geworden, aufgeklärter als früher. Er weicht ohne Mühe auf Substitutionsgüter aus oder wechselt die Dienstleister ohne lange zu überlegen. Die Loyalität spielt keine grosse Rolle mehr.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wenige Jahre ist es her, da hatte Nokia im Mobilfunk einen unglaublich hohen Marktanteil von über 40%. Man könnte meinen, mit dieser Marktführerschaft wäre es ein Leichtes, technisch „am Ball“ zu bleiben und die neu aufkommenden Kundenwünsche rechtzeitig in die Produktentwicklung einfliessen zu lassen. Nein, das zunehmende Bedürfnis nach Smart-Lösungen wurde übersehen. Apple hat Nokia aus dem Markt gedrängt und Nokia wurde schliesslich von Microsoft übernommen.

Big Data soll es möglich machen, die wahren Kundenbedürfnisse und ihre Veränderungen laufend zu erfassen. Doch das ungehemmte Sammeln von Daten hat seine Grenzen im Datenschutz und im Wunsch der Kunden, noch eine gewisse Privatsphäre bewahren zu dürfen. Wie weit das Sammeln geht, zeigt folgende Umfrage:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Start-up One Thing 59 hat weltweit tätigen Konzernen folgende Fragen gestellt (Sonntagszeitung vom 1. Juli 2018):

„Haben Sie Daten von mir?
Haben Sie von Dritten Daten zu meiner Person gekauft?
Teilen Sie Daten mit Dritten?
Überwachen Sie Daten von Dritten?
Überwachen Sie mein Internetverhalten?
Und meinen Standort?
Erstellen Sie damit ein Profil?
Treffen Ihre Algorithmen automatisierte Entscheidungen, die mich betreffen?“

Im Bericht „Zerlegt in IT-Wolken – geschröpft im Alltag“ habe ich auf die Fragwürdigkeit und die Gefahren bei diesem Vorgehen hingewiesen.

Zu viel der Individualisierung?

Nach dem zweiten Weltkrieg war es möglich, das Marketing auf Einzelbedürfnisse zu beschränken. Für diese gab es oft auch eine bekannte Marke (wie Ovo, Persil, Maggi). Später unterschied man zwischen Grundnutzen und Zusatznutzen und in der Kombination beider versuchte man, eine gewisse Alleinstellung zu erreichen  (USP „Unique Selling Proposition“ als Zauberlösung). Diese Marketingstrategie wurde mit der Zeit immer schwieriger, wie das Beispiel Vögele Kleider einprägsam zeigt.

Zielgruppenmarketing war einmal. Heute ist alles auf das Zielindividuum zugeschnitten. Vorschläge, die Sie heute über das Netz erhalten, sind automatisch generiert. Ihre Einkäufe, Rückmeldungen, was auch immer Sie machen, alles geht digital über die Informatik. In Tat und Wahrheit ist Ihr Gegenüber anorganisch. Niemand kümmert sich um Sie persönlich.

Sind Sie ein zufriedener Kunde, wenn Sie auf diese Art angesprochen werden?

Sie können nicht mehr auftreten, wie Sie wollen. Dass Sie gerne Kriminalromane lesen, Briefmarken sammeln, gerne Tanzen gehen, hohe Cholesterinwerte haben, ein mittleres Einkommen, das alles und vieles Mehr ist gespeichert und abrufbar, falls Sie sich einmal beschweren sollten.

Dabei wären Beschwerden auch eine Gelegenheit, sich mit den Kunden zu beschäftigen und von unerfüllten Kundenwünschen zu erfahren.

Das Beschwerde-Management

Den Begriff Beschwerde-Management verbindet man mit „old economy“ und es hat auch damit zu tun. (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Kunden werden eingeteilt in Problemfelder: 40% der Kunden sind in der Regel zufriedene Kunden (Loyale), weitere 40% durch Verträge oder auf andere Art gebundene (Gefangene), 10% unzufriedene (Meckerer) und 10% schliesslich Passanten (Söldner). Söldner gehen, sobald sie ein besseres Angebot gefunden haben. Mit den Loyalen nimmt man Kontakt auf, Söldner lässt man ziehen.

Damit es nicht zu Beschwerden kommt, pflegt man die aussortierten guten Kunden über das

Key-Account-Management

Key Accounts sind wichtige Kunden (erfolgreiche Kunden in wachsenden Märkten). Ihre Zufriedenheit wird je nach Bedeutung laufend überwacht. Dazu sind Key Account Manager bestimmt, ihre Ziele, Massnahmen und Erfolge sind Gegenstand vom Reporting.

Das Beschwerde- und Key Account-Management der beschriebenen Art ist im Grunde der Dinge empirisch-mechanistisch und reaktiv. Der Wille, an der Kundenbeziehung grundsätzlich etwas zu ändern, tritt in den Hintergrund. Man hat zwar ein offenes Ohr für Kundenanliegen, die entscheidende Frage aber, wieso der Kunde ausgerechnet bei mir einkaufen soll, die

Königsfrage

wird nicht gestellt. Es ist die „old economy“ der Reklamationen und Mängelrügen.

Wie gefährlich reaktives Verhalten ist, zeigt der „Klassiker“ Gastrobetrieb.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Ein Wirt übernimmt ein altes bekanntes und gut laufendes Restaurant. Da es bisher immer voll war, ändert er am Konzept wenig. Die Menükarte ist ähnlich der alten und nur wenige neue Kreationen kommen dazu. Reklamationen: keine. Und auf die Frage „War es gut“ immer nur ein kurzes Kopfnicken.

Doch es kamen immer weniger Besucher und nach einem halben Jahr war das Restaurant leer, der Wirt ging Konkurs. Ein neuer Pächter konnte nicht gefunden werden, das Restaurant blieb für Jahre geschlossen. Warum?

Der Kunde sagt selten bis nie „es war eine langweilige Sauce“, „das Gemüse war verkocht“, „das Personal unfreundlich“. Der Kunde ist viel brutaler, er geht einfach nicht mehr hin, kommentarlos. Und da ein Restaurant viele Kunden hat, fällt es im Moment gar nicht auf. Und ist es einmal leer bis auf wenige Passanten, sagen sich vorbeilaufende potentielle Kunden: in ein leeres Restaurant geht man nicht.

Der „Gefangene“ reagiert anders, die Kundenbeziehung hält länger. Ein Beispiel aus der kurzen Vergangenheit:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Apotheke AMAVITA in Wabern, die zur gleichnamigen Kette gehört (unter dem Dach der Galenica Gruppe), klebt bei verschreibungspflichtigen Medikamenten jeweils eine Art Adresskleber mit Namen und Anwendung auf die Verpackung. Da die formatierten Adresskleber in der Regel grösser sind als eine Seite der Verpackung, werden die Adresskleber „über die Ecke“ geklebt. Nur, dort halten sie nicht lange. Schon zuhause gilt es, die losgelösten Klebeseiten nachzudrücken. Von jetzt an praktisch täglich. Die Klebeseiten kleben inzwischen auch an anderen Verpackungen. Nimmt man eine Verpackung vom Regal, kommen  gleich mehrere mit. Kleine Ursache grosse Wirkung: einfach nervtötend.

Da eine Versandapotheke eine alternative Lösung wäre, ist die Kundenbeziehung gefährdet, absolut gefangen ist niemand.

Jeder kennt solche Beispiele, keine Kundenbeziehung ist ungefährdet, der Kunde König ist grundsätzlich ein Geschäftsrisiko.

Pflegt man bewusst oder unbewusst eine Melkstrategie, überträgt sich diese Grundhaltung auf die ganze Unternehmung und wird damit Teil der ungeschriebenen Unternehmenskultur. Beispiele aus der Neuzeit gibt es viele.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Bund vom 1. Juni 2018 unter dem Titel „So treiben Autohersteller die Preise für die Ersatzteile hoch“: Die Beratungsgesellschaft Accenture hat für Renault, Peugeot und Citroën eine Software entwickelt, wonach für die Verkaufspreise nicht die effektiven Fertigungskosten massgebend sind, sondern die „Wertvorstellungen“ des Kunden (eine psychologische Preisschwelle, die bestimmen soll, wieviel der Kunde maximal bereit ist zu bezahlen). Jetzt mal im Ernst: Es kann doch langfristig keine erfolgreiche Verkaufsstrategie sein, den Kunden auszunehmen wie eine Weihnachtsgans. Wie fühlt sich ein langjähriger Kunde, wenn er von diesem Abkassieren erfährt? Ähnliches gilt für den Autokonzern BMW bei ihrem Kampf gegen Direktimporte (Der Fall BWM – Lieferverbote für Händler, in Hochpreisinsel Schweiz, Teil 2) oder für Diesel-VW (Non Compliance – am Abgrund vorbei).

Ein langjähriger Kunde erwartet Respekt und Fairness. Um bei den Fahrzeugen zu bleiben: erkundigt sich eine Vertretung über die Zufriedenheit nach einem Werkstattaufenthalt und nimmt man diese Gelegenheit war um sich zu beklagen, muss irgendeine Reaktion die Folge sein. Wenn nicht verweigert man jede zukünftige Beurteilung (Mercedes).

Das Geschäftsrisiko Kunde

Es ist immer wieder die Königsfrage, die sich die Führungsetage stellen muss: wieso soll der Kunde ausgerechnet meine Dienstleistungen oder meine Produkte wollen?

Die Antwort auf diese Frage gilt nur für den Moment, sie verändert sich fortwährend in Abhängigkeit zu den variierenden Kundenbedürfnissen.

Pilatur PC-24

Worauf es ankommt, die Quintessenz

Viele namentlich grosse Unternehmen konzentrieren sich auf das Setzen und Erreichen interner Ziele (wie Markterschliessung, organisches/externes Wachstum) unter Berücksichtigung der Veränderungen auf Stufe Makroumgebung (wie Konjunkturverlauf, Technologie, Konkurrenz). Das ist erprobter Alltag. Damit sind sie aber nicht mehr in der Lage, auf Veränderungen auf Stufe Mikroebene rasch und konsequent zu reagieren.

Dazu empfiehlt sich der Bottom-up Ansatz, nicht der übliche Top-down Ansatz. Auch und gerade das Spitzenkader sollte verpflichtet werden, direkte Kundenkontakte zu pflegen (und sich weniger mit internen Belangen zu beschäftigen). Die alte Weisheit, wonach sich der Verwaltungsrat mit der strategischen Geschäftsführung und die Geschäftsleitung mit der operativen zu befassen hat, ist zu hinterfragen. Erkenntnisse auf Stufe Mikroebene oder mit anderen Worten die Fronterfahrung ist für das Kader unerlässlich. Dazu steht heute eine neue Gelegenheit zur Verfügung, der Pop-Up-Verkauf.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Im urbanen Gebiet und ganz im heutigen Zeitgeist sind Pop-up-Stores: sie kommen und gehen nach Plan. Primär dienen sie der Markenpflege, sekundär der Kommunikation mit Zielpersonen (Offline). Zur Gruppe Pop-up-Stores gehören auch sog. Concept-Stores (zur direkten Umsetzung neuer Ideen an der Verkaufsfront). Was für eine Gelegenheit für das Top-Kader, direkt in Kundenkontakt zu treten!

Es gilt, die Kernfähigkeiten der Unternehmung wechselseitig zu den Kundenbedürfnissen zu überwachen und im Sinne einer Wechselbeziehung laufend anzupassen. Wie gut das gelingt, können folgende Fragen aufdecken:

Liegen die Kernkompetenzen immer noch bei den Kundenbedürfnissen? Folgen sie den Veränderungen der Bedürfnisse? Sind nicht die Beschwerden ein Zeichen dafür, dass sich Kundenbedürfnisse und Kernkompetenzen nicht mehr decken. Ist die Unternehmung auf der Mikroebene noch konkurrenzfähig? Hat nicht die Makroumgebung auf Stufe Geschäftsleitung und Verwaltungsrat ein Übergewicht?

Aus der Praxis der Unternehmensberatung einige Vorschläge zum Veränderungsprozess:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • Es besteht die Gefahr, nur jene Veränderungen zu entdecken, die man erwartet
  • Bisherige Realitäten (Erfahrungen) sind nicht zukünftige Realitäten
  • Unterwerfen Sie bisherige Erfolge einer „konstruktiven Erschütterung“
  • Gehen Sie strategische Kunden-Partnerschaften ein
  • Legen Sie endlose Kommunikationsschlaufen
  • Suchen Sie den interaktiven Dauerdialog

Kundenbedürfnisse: Anpassen oder Verschwinden

Wer in der Erlebniswelt des Kunden keinen Platz mehr findet, wer nicht konsequent den Veränderungen nachgeht und dabei die Konkurrenten im Auge behält, für den ist der Kunde König das Geschäftsrisiko Nummer eins.

Das Kennen der wahren Kundenbedürfnisse ist erstens absolut zentral.
Die Bedürfnisentwicklung ist zweitens so zeitnah wie möglich zu erfassen.
Wie man diese erfährt, die Wahl der Mittel, kann drittens entscheidend sein.
Und viertens sind die Kernkompetenzen für die Marktberechtigung deckungsgleich zu den Veränderungen laufend zu entwickeln und anzupassen.

Schlaumeier Strategien halten sich nicht lange. Der Kunde ist immer auch Geschäftspartner oder stellt sich das mindestens so vor. Die Frage, weshalb er es werden und bleiben soll, ist die Königsfrage. Sie muss eine überzeugende Antwort finden, denn die Kundenzufriedenheit ist das Mass aller Dinge.

Wer keine kundenzentrierte Geschäftsmodelle hat, verschwindet.

Bilder Pilatus Aircraft td

29.07.2018/Renzo Zbinden

 

Zerlegt in IT-Wolken – geschröpft im Alltag

In einem fernen Rechenzentrum pflügt ein Cargo durch eine immense Datenwolke und sammelt dabei alles über Sie – was nutzbringend verwertbar ist.

Ihr Persönlichkeitsprofil nimmt Formen an, gleicht Ihnen immer mehr – wird zum Avatar in einer virtuellen Welt der IT-Giganten; für Sie unkorrigierbar, unlöschbar und immer bedrohlicher. Wie konnte es soweit kommen?

Vor langer Zeit, als Marketing für Jungakademiker noch cool war, stand der Kunde erstmals im Zentrum aller Überlegungen: Was sind seine Bedürfnisse, wo finden wir ihn, wie sprechen wir ihn an. Und um das Ganze ein wenig zu fokussieren bündelte man Kunden in

Zielgruppen

Massgebend dafür waren Merkmale wie Alter, Ausbildung, Einkommen (sog. soziodemographische Segmentierungskriterien).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Daraus ergaben sich Zielgruppen wie Yupee (Young urban professional people) und Dinky (Dual income, no kids) oder im Rahmen der Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen Zielgruppen wie innovators, early adopters und late adopters. Vorherrschend war die Meinung, dass sich solche Gruppen im Kaufverhalten wesenstypisch beeinflussen lassen. Doch schon damals musste man feststellen, dass sich die Gruppenmitglieder inkohärent verhielten. Sie kauften bei Fein-Kaller teures Tuch (das traditionsreiche Herrenmodegeschäft schloss vor wenigen Jahren in der 4. Generation alle Filialen) und gleichzeitig „billige“ Socken und Hemden bei C&A (über 1’500 Filialen in Europa und gegen 40’000 Beschäftigte).

Die klassischen Zielgruppen waren für das Marketing zu rudimentär, der potentielle Kunde unlogisch, unfassbar, unerreichbar, die Streuverluste in der Marktbearbeitung enorm. Aus dieser Zeit stammt auch der wenig schmeichelhafte Nachruf: Die Hälfte der Werbung ist aus dem Fenster hinaus geschmissen, man weiss nur nicht welche. Also versuchte man, die bisherigen Segmentierungskriterien zu ergänzen durch Variablen wie Lebensstil und Werthaltungen (Bewusstsein für Qualität, Gesundheit, Umwelt, soziale Gerechtigkeit, politische Gesinnung u.a.). Im Endeffekt erhielt man Antworten auf die Fragen: wo wohnt der Zielgruppen-Kunde, welche Tätigkeit übt er aus, was macht er in der Freizeit, wie ist seine familiäre Situation, seine soziale Stellung, was sind seine individuellen Präferenzen usw. Unterstützt wurden die Erkenntnisse durch Marktforschung (desk und field research). Die unerwünschten Anrufe aus den Call-Center an den Randstunden des Tages zeugen noch heute davon, dass diese Art von Marktbearbeitung weiterhin Anhänger findet!

Die Entfaltung der Informationstechnologie erschloss einen völlig neuen Ansatzpunkt: Mit BIG-Data in Verbindung mit Kundenbindungsprogrammen wird nun der Einzelkunde zum Mass aller Dinge. Er hinterlässt eine Unmenge von Daten, ein Paradies für Datensammler.

Hello Family – Supercard, Mondovina Supercard, SUPERCARDplus

Seit dem Sommer 2000 führt Coop ein Treueprämien-Programm. Bei jedem Einkauf erhalten die Kundinnen und Kunden Superpunkte, pro Einkauf von einem Franken einen Superpunkt, zusätzlich Extrapunkte bei Aktionen. Die gesammelten Punkte können gegen Prämien eingelöst werden. Auf den ersten Blick ein sympathisches Give-away, auf den zweiten Blick: Prämien gegen Daten. Coop erhält das Recht, Kundendaten für die Marktbearbeitung zu erfassen und zu verwerten. Datenschutz?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat das Supercard Programm im Rahmen seiner Tätigkeit als Aufsichtsbehörde einer umfassenden Datenschutzkontrolle unterzogen (in Ausübung von Art. 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1). Untersucht wurden die internen Datenabläufe zwischen Coop Supercard und Coop Unternehmung (Programm-Träger) sowie zwischen Coop Supercard und Supercard Programmpartnern. Für den EDÖB ist die im Rahmen des Supercard Programms vorgenommene Datenbearbeitung grundsätzlich datenschutzkonform (Kundenbindungsprogramm Supercard, Zusammenfassung des Schlussberichtes des EDSB vom 23. Mai 2005). In Ergänzung hat der EDÖB u.a. verlangt, dass die potentiellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einsehen können.

Aus den AGB (vom 1. Dezember 2013) geht hervor, dass Coop aufgrund der gesammelten Daten Warenkorbanalysen vornehmen darf. Diese führen ergänzt durch weitere Kundendaten zu einem persönlichen Kundenprofil, das für individuelle Angebote und Leistungen genutzt werden kann (für die Coop-Gruppe und die Supercard Programmpartner). Das persönliche Kundenprofil:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Ein Kundenprofil setzt sich zusammen aus Kontaktdaten, Einkaufsdaten sowie allfällig gesundheitsrelevanten Daten, die im Zusammenhang mit den Einkäufen stehen. Die Kontaktdaten umfassen Angaben wie Name, Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Die Einkaufsdaten setzen sich u.a. aus Ort- und Zeitangaben, den Daten zu den Produkten, Dienstleistungen und der Inanspruchnahme von Vergünstigungen zusammen, bei deren Kauf oder Inanspruchnahme die Supercard verwendet wird“ (AGB Art. 8).

„allfällig gesundheitsrelevante Daten“, wie kommt Coop zu solchen Daten? Im Supercard Programm eingeschlossen ist die Apothekenkette Coop Vitality – ein Joint Venture (Gemeinschaftsunternehmen) zwischen Coop (Schweiz) und GaleniCare (Galenica Gruppe). Sollte dies wirklich zutreffen, mutieren Sie mit Ihren Einkäufen laufend Ihr Krankheitsbild!

Warenkorbanalysen bei M-Cumulus

MCumuluswAuch Migros bietet ihren Kundinnen und Kunden ein Bonusprogramm an, M-Cumulus (www.m-cumulus.ch). Nicht überraschend kommt der EDÖB ebenso hier zu einer positiven Gesamtbeurteilung (Kundenbindungsprogramm M-CUMULUS, Zusammenfassung des Schlussberichtes des EDÖB vom 23. Mai 2005). Zu den beteiligten Gesellschaften gehören Migros-Filialen und Migros Fachmärkte:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

SportXX, Outdoor by SportXX, Do it + Garden Migros, melectronics, Micasa, Ex Libris, Migrol, migrolino, OBI, Le Shop.ch, Eurocentres, m-way, Depot, Interhome und weitere Programm-Partner (AGB Art. 5).

Ausserhalb der Migros-Gruppe erfolgt die Weitergabe der Daten an externe Dienstleister in der Schweiz und im Ausland unter – nach ihren Ausführungen – strengen, vertraglichen Datenschutzauflagen.

In der nächsten Phase der Datenerhebung hinterlässt der Kunde nicht nur Spuren über sein Konsumverhalten, zu seinem bisherigen Persönlichkeitsprofil hinzu kommen anderswo tunlichts „unter Verschluss“ gehaltene persönliche Neigungen und Interessen. Am Beispiel

upc cablecom

UPC gehört zum Liberty Global Konzern, führend im Kabel-TV Geschäft in der Schweiz, Grossbritannien, Deutschland und den Niederlanden mit Sitz in Grossbritannien, börsenkotiert in den USA. Der Konzern bezeichnet sich selbst als den grössten internationalen Kabelnetzbetreiber (53 Mio Haushalte).

„Sie sind damit einverstanden, dass wir Ihre Kundendaten für unsere Marketing-Zwecke speichern und bearbeiten dürfen“ (AGB Art. 14, September 2015).

UPC will in Zukunft zusätzlich auch Ihre TV-Gewohnheiten und besuchten Websites auswerten! Die Daten sollen genutzt werden, um Ihnen persönliche Film-Empfehlungen oder ähnliche Angebote zu unterbreiten oder Ihre Daten „für andere Zwecke“ anonymisiert und nach Interessengruppen sortiert für Trendanalysen heranziehen. Wohin gehen diese Daten? An Konzerngesellschaften, Partnernetze und Dritte im In- und Ausland – die Frage sei erlaubt, wen UPC mit dieser Formulierung überhaupt noch ausschliesst. Eigentlich verbietet das Gesetz die Weitergabe von Personendaten ins Ausland, wenn dort das Datenschutzgesetz schwammiger gehandhabt wird als in der Schweiz (momentan gilt beispielsweise die Weitergabe in die USA als umstritten).

Als UPC-Kunde können Sie dieser Auswertung nicht entgehen, Sie können der UPC bloss schriftlich untersagen, Ihnen Werbung zukommen zu lassen.

Und weiter geht das Datenassembling

Im März 2015 gaben CNN, Reuters, „Financial Times“, „Guardian“ und „Economist“ bekannt, für die Vermarktung ihrer Online Werbeplätze eine Allianz einzugehen (Pangea), um sich gegen die IT-Giganten zu behaupten. In ähnlicher Absicht wollen sich auch Ringier, SRG und Swisscom zusammenschliessen. Dabei verspricht man sich viel vom Einbezug der Daten über das Nutzverhalten der Kunden (über welche Swisscom aufgrund ihrer Telefon- und Fernsehkunden verfügt!).

Bei Google ist das Interesse am Nutzverhalten der Kunden kaum noch zu überbieten. Ein kurzer Blick auf die Datenschutzerklärung vom 19. August 2015, unmissverständlich steht da: Google erfasst gerätebezogene Daten (Hardware, Betriebssystem, Mobilfunknetz), Protokolldaten („bestimmte“ Daten in Serverprotokollen, Telefonieprotokollinformationen wie Anrufnummern, Weiterleitungsnummern, Datum, Uhrzeit, Dauer, SMS-Routing-Informationen, Browser, Cookies), standortbezogene Daten (ihren tatsächlichen Standort aufgrund von GPS, WLAN-Zugangspunkte, nahe gelegene Mobilfunkmasten). In aller Offenheit erhebt Google auch sensible Daten (wie vertrauliche medizinische Informationen, Ihre Zugehörigkeit zu ethischen und politischen Gruppen, Ihre religiöse Gesinnung oder sexuelle Orientierung). Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Sensible Daten werden nicht verknüpft für persönlich zugeschnittene Anzeigen. Und es bleibt Ihnen die Wahl zwischen

ich stimme zuweitere Optionen

Weitere Optionen? Es wird kompliziert, zeitaufwändig und anspruchsvoll. Die einzig überzeugende Alternative wäre – keine Google-Dienste nutzen. Doch wer will schon darauf verzichten!

Für alles bisher Gesagte gilt grundsätzlich: die Informationstechnologie von heute unterstützt die beschriebenen Datenprozesse (Aufnahme, Speichern, Analysieren, Auswerten) durch sog. Customer bzw. Client Relationship Management Programme (CRM). Verschiedene CRM Lösungen stehen zur Verfügung, die aktuell ausserdem noch den gesamten Kunden-Kommunikationsprozess – den Interaktionsprozess mit Kunden – abdecken (SAP als Beispiel).

Deutlich ausgesprochen: Es geht hier nicht um die massive Ausspähung durch vorwiegend amerikanische paranoische Sicherheitsdienste, es geht hier um uns, uns wohlverhaltende Konsumenten in einem demokratischen Staat. Doch es wird noch schlimmer:

SOCIAL MEDIA: Sonne – Schatten – Twilight

DSC00575Multiple Sensoren strahlen uns an wie Scheinwerfer vor der Kamera: Facebook, Twitter, Youtube, instagram, iphone … allgegenwärtig und unabhängig von jeder Tages- und Nachtzeit. Alles wird digital aufgezeichnet – für die Ewigkeit. Ein grosses Unbehagen breitet sich aus. Und so wollen immer mehr aus diesem künstlichen Licht treten und in den Schatten flüchten, um einen Rest an Persönlichkeit und Individualität zu retten. Sie finden ihren Schatten im Deep Web (oder Darknet). Die Dimensionen verblüffen: Gemäss NZZ (vom 25. Juli 2015) gibt es Quellen, die von einer Grösse zwischen 30 und 50% des gesamten Internets sprechen, wieder andere schätzen das Darknet als bis zu 400 Mal so gross wie das offene Netz.

Ohne Laufpublikum – das Darknet

Wer Zutritt in die Schattenwelt des Darknet sucht, benutzt eine spezifische Software, beispielsweise den Tor-Browser.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Im Darknet wird die Kommunikation mehrfach verschlüsselt und über drei zufällig ausgewählte Stationen verschickt. Tor-Station 1 löst die äussere Verschlüsselung und erfährt dabei die Adresse der nächsten Station. Tor-Station 2 löst die zweite Verschlüsselung und erfährt dabei die nächste Station, erkennt jedoch weder den ursprünglichen Absender noch den Empfänger. Tor-Station 3 löst die letzte Verschlüsselung und sendet die Nachricht an den Empfänger im offenen Internet. Wer den Empfänger der Nachricht sucht, weiss nicht, woher die Nachricht kommt – die Tor-Station 3 ist für ihn der Absender. Werden Daten unterwegs abgefangen, sind sie verschleiert, sie geben weder den Absender noch das Endziel preis.  (DER SPIEGEL 34/2015).

Im Darknet ist die Identität geschützt, jeder Nutzer ist anonym unterwegs – mit Tarnkappe. Ist die Kommunikation mit einer entgeltlichen Ware oder Leistung verbunden, wird mit einer kryptischen Währung bezahlt (wie Bitcoins).

Wer sich im Darknet umsieht, findet sich buchstäblich in einer Schattenwelt. Damit möchte man eher gar nichts zu tun haben. Dass Medien anonyme Briefkästen im Darknet unterhalten (für Informanten) tröstet wenig hinweg über die Tatsache, dass man sich dabei die Hände schmutzig macht: Virtuelle Märkte für Kalaschnikows, Auftragskiller, Drogen, Abgründe offenbaren sich. Das Darknet – das letzte Rückzugsgebiet für den freien Meinungsaustausch – ist nicht jedermanns Alternative. Also doch Vertrauen auf den konventionellen

Datenschutz: Wie weit soll er gehen, wie weit kann er gehen?

Kann das Individuum selbst bestimmen, welche ihn betreffenden Daten geschützt werden sollen bzw. nicht weitergeleitet werden dürfen? Strafrechtrelevante Daten, steuerbestimmende Faktoren, Videoaufnahmen auf öffentlichen Plätzen? Sind persönliche Daten an sich schützenswert? Und wie steht es mit mobilen Endgeräten, die über Apps persönliche Gesundheitsdaten erfassen und weiterleiten, um Ihnen individuelle Vorschläge zu Ernährung, Fitness und Medikamentendosierung zu machen; und andererseits selbstschädigendes Verhalten der Krankenkasse weiterleiten, um Ihnen die Krankenkassen-Prämien zu erhöhen? Zukunft?

Das informationelle Selbstbestimmungsrecht bzw. das Recht, dass jedes Individuum selbst bestimmen kann, welche ihn betreffenden Informationen wann und wo erhoben und an wen weitergeleitet werden dürfen, ist grundsätzlich vor Missbrauch zu schützen: in der Bundesverfassung als Grundrecht verankert und auf Gesetzesebene festgehalten.

Bundesverfassung Art. 13 Abs. 2: „Jede Person hat Anspruch auf Schutz und Missbrauch ihrer persönlichen Daten“.

So regelt das Datenschutzgesetz (DSG), wie private Personen und wie Behörden persönliche und unternehmensbezogene Daten verwenden dürfen. Als Beispiel müssen die Betroffenen wissen, dass ihre Daten erhoben, gespeichert und zu welchen Zwecken verwendet werden. Ebenso verfügen sie über ein Auskunftsrecht. Über besonders schützenswerte Daten (das Strafrecht und die Gesundheit betreffende oder Daten zur Sozialhilfe) müssen sie zwingend orientiert werden.

So weit so gut. Sammeln jedoch Internet-Giganten Daten über die Kaufinteressen und das Kaufverhalten der Internet-User, ist schwer vorstellbar, welche Durchsetzungsrechte dem EDÖB zur Verfügung stehen. Auf „do not Track“ als gerätespezifische Vorinstallation sollten wir auch nicht warten. Und wie sorglos Internet-User mit E-Mail, Social-Media und Datenstreaming umgehen, macht es auch nicht einfacher. „Der Schutz der Privatsphäre wird zunehmend zu einem Luxusgut für Begüterte“ (EDÖB Hanspeter Thür im Interview, Der Bund vom 11. November 2015). In der EU arbeitet man an einer Datenschutzgrundverordnung, eine Art europäisches Grundgesetz für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Und schon in diesem Jahr sollen sich das Parlament, die EU-Kommission und der Rat der Europäischen Union als Vertretung der Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Verordnung einigen. Das Ziel sei, den Flickenteppich der Einzelgesetze in den 28 EU-Ländern zu beseitigen. Da sollte die Schweiz auch mitmachen (wollen), denn auf sich allein gestellt hat die Schweiz keinen überzeugenden Durchbiss. „Die digitale Revolution kriegen wir nicht in den Griff“ (Hanspeter Thür in der NZZ vom 17. November 2015).

Vom Yupee zum Zombie?

Es wird schwierig, ein Doppelleben zu führen, bzw. ein Rollenleben für die Öffentlichkeit und ein privates Leben unter Ausschluss von Dritten. Das Geschäftliche und das Private verschmelzen immer mehr, was in Verbindung mit der fortschreitenden persönlichen Überwachungskultur durch wirtschaftliche und staatliche Institutionen zu einer Art sozialer Totaltransparenz führt und unsere Freiheit bis zur Unfreiheit missgestaltet.

Dem Individuum verbleibt ein kleines persönliches Schattenreich – der Bargeldverkehr. Doch auch der soll eingeschränkt oder besser noch verboten werden  – „Hände hoch – der Kampf ums Bargeld“ – demnächst

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17.11.2015/Renzo Zbinden