Trilogie zur Digitalisierung 3 – Superintelligenz

Hoffnung

Big Data, Robotik und Superintelligenz treiben die Digitalisierung grenzenlos voran. Das Entwicklungspotential ist gigantisch, ebenso die damit verbundenen Risiken für die Menschheit. Doch wer es wagt, eine Prognose zu machen, gilt schnell einmal als Krisenprophet.

Apokalyptiker

Alles nicht wahr, alles masslos übertrieben, eine willkommene Gelegenheit für Berater, neue Aufträge zu erschleichen. So Caspar Hirschi, Professor für Geschichte an der Universität St. Gallen in einem Bericht zum Thema „Apokalyptiker der Automatisierung“, NZZ vom 3. Mai 2018. Es fehle die empirische Grundlage. Aus der Geschichte der letzten fünfzig bis zweihundertfünfzig Jahre lasse sich nicht schliessen, dass die technologischen Fortschritte dazu führen, dass den Menschen deswegen die Arbeit ausgehe.

Richtig. Doch wie die Zukunft aussieht, muss sich nicht zwangsläufig aus der Vergangenheit ergeben. Oder mit anderen Worten: das Studium der Geschichte ist kein Garant dafür, wie die Zukunft aussieht. Und ein Professor der Geschichte ist nicht unbedingt der richtige Experte, wenn es um die Zukunft geht.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Ein vollständig programmierter Roboter sollte eigentlich in der Lage sein, andere Roboter zu instruieren. Dem ist nicht so. Auch geht den Robotern noch weitgehend die Fähigkeit ab, unterschiedliche Situationen zu erfassen und vielfältig zu handhaben. Nach Dominik Feldges könnte die vollständige Digitalisierung der Industrie noch dreissig Jahre in Anspruch nehmen, die vollständige Elektrifizierung mechanischer Systeme in der Industrie noch rund fünfzig Jahre. Dessen ungeachtet investiert man gewaltig in diese Entwicklung. Roche beschäftigt konzernweit über hundert Spezialisten zu den Themen künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Analyse grosser Datenbestände („ABB und Roche haben mit künstlicher Intelligenz Grosses vor“, in NZZ vom 1. November 2017)

Haben Sie eine feste Meinung? Machen Sie sich Sorgen? Folgendes mag Sie interessieren: Tippen Sie in die Suchleiste Ihres PC – googlen Sie – „werden roboter“ schlägt Ihr PC folgende Fortsetzungen vor:

  • werden roboter die welt übernehmen
  • werden roboter menschen ersetzen

Wenn ein Roboter Sie mit Namen anspricht und dabei noch einen Hüpfer macht, heisst das noch lange nicht, dass er über irgendeine Art von Intelligenz verfügt.

Es mag länger dauern, viel länger sogar, disruptiv verlaufen und stockend, doch irgendwann in der fernen Zukunft müssen die Menschen nicht mehr arbeiten – wenn es sie noch gäbe!

Macht und Ohnmacht

Der Digitalisierungstreiber Nummer 1, Big Data, ist längst Alltag. Die kritischen Stimmen dazu nehmen zu (denken Sie an Cambridge Analytica), doch im Grunde der Dinge ist der Widerstand gebrochen. Den Digitalisierungstreiber Nummer 2, Robotik, erleben wir unterschiedlich, je nach Einsatzgebiet. An gewissen Orten ersetzen Roboter die menschliche Arbeit, vernichten dabei Arbeitsplätze, sind aber dennoch unbestritten, ja sogar willkommen (wie etwa bei medizinischen Eingriffen).

Erst langsam wird begriffen, dass Roboter nicht nur unsere Arbeitswelt verändern (etwa Arbeitsplätze gefährden). Sie werden auch unsere Diener in der Freizeit, unsere Liebhaber und Ehepartner. Die asiatischen Länder jedenfalls können sich das gut vorstellen.

Die grosse Unbekannte ist jedoch der Digitalisierungstreiber Nummer 3, die künstliche Intelligenz. Sie bedrängt auch die Arbeitsplätze der wirtschaftlichen und politischen Elite, mischt die Führung in Industrie und Verwaltung neu auf. Kein Arbeitsplatz wird verschont, es trifft alle, nicht nur die Arbeitnehmer mit routinemässigen Tätigkeiten.

Massen ohne Arbeit

Jugendarbeitslosigkeit

Alle drei Treiber werden in unterschiedlichem Ausmass Arbeitsstellen vernichten und neue begründen (für die nicht Roboter einsetzbar sind). (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wie viele Arbeitsstellen per Saldo verloren gehen, darüber liegen unterschiedliche Prognosen vor. Denkbar ist auch, dass mit dem steigenden Wohlstand die Bevölkerung abnimmt. Nimmt man jedoch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz dazu, wird im privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Führungs- und Verwaltungsbereich (im Management der Wirtschaft und in der Verwaltung des Staates) ein Exodus stattfinden in einem Ausmass, das die Weltwirtschaft noch nie gesehen hat.

Damit wird die verbleibende Arbeit zum Privileg für wenige.

Da die vielen Arbeitswilligen aber Arbeitslosen ihren Unterhalt nicht mehr über ihre Arbeit finanzieren können, muss die Verbindung zwischen Einkommen und Arbeit gekappt werden!

Diese Entwicklung verlangt ein völliges Umdenken. Das bedingungslose Grundeinkommen wird zur politischen Krücke um zu verhindern, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zusammenbricht, und zwar in einer unvorhersehbaren Relevanz. Kein Einkommen, kein Konsum, kein Umsatz, keine Arbeitsstelle – und die Spirale dreht sich weiter: kein Einkommen, kein Konsum, kein …

Dynamit mit Folgen

Auf der einen Seite die arbeitslosen Bezüger von Grundeinkommen, die ihre freie Zeit im Übermass mit endlosen Diskussionen über soziale Gerechtigkeit verbringen. Auf der anderen Seite jene, die noch irgendwie im Arbeitsprozess integriert sind und deshalb einen hohen Sozialstatus für sich einfordern. Und zum dritten jene, die aus dem Einsatz von vollautomatisierten Prozessen viel Geld verdienen: Grosskapitalisten, Oligarchen mit unvorstellbarem Vermögen, sichtbar zur Schau getragen für alle Habenichtse und Zukurzgekommene. Die Gesellschaft wird gespalten, die Politik radikalisiert, es wird wieder Bürgerkriege geben. Die Menschheit hat Erfahrung mit Bürgerkriegen, sie wird nicht untergehen.

Im Unterschied zu früher sind jedoch in absehbarer Zeit die Endprodukte der Digitalisierung mitten unter uns: Dinge die laufen, entscheiden, kämpfen. lernfähige Roboter.

Ist es Science Fiction, dass eine überlebende Schurkenelite eines Tages erkennen muss, dass Besitztum und Geld keine Bedeutung mehr haben, da die Macht wieder dem Stärkeren gehört – dann den anorganischen Wesen mit hoher Intelligenz und Kampfkraft?

Kommt der Todesstoss für die Zivilisation von dieser Seite?

 

Die künstliche Intelligenz

Die künstliche Intelligenz (oder KI) ist ein Teilgebiet der Informatik. Sie löst eigenständig (autonom) Probleme und trifft Entscheide. Dabei stützt sie sich auf Algorithmen. Algorithmen sind eindeutige Handlungsvorschriften zur Lösung von Problemen, wobei die Lösung aus endlich vielen wohldefinierten Einzelschritten bestehen kann.

Die KI hat in den letzten Jahren auf dem Gebiet des Deep Learning grosse Fortschritte erzielt. (Klicken Sie zum Weiterlesen)

KI revolutioniert die Sprachübersetzung. Deep Lerning ist auch der Name einer deutschen Firma: DeepL. Sie steht erfolgreich in Konkurrenz zu Firmen wie Google, Microsoft und Facebook. Tippt man einen Satz zum Übersetzen in DeepL, gehen diese Daten nach Island, wo das Rechenzentrum dieser Firma steht. Es ist in der Lage, pro Sekunde fünf Billiarden Rechenoperationen auszuführen. Der eingetippte Satz kommt dann wieder zurück auf den Bildschirm in der gewünschten Sprache („Kannste das mal deepln?“ in: der Spiegel vom 5.5.2018).

Algorithmen, die in neuronalen Netzen zur Anwendung kommen, funktionieren auch sehr gut in der Bild- und Spracherkennung. Aktuell im Gespräch ist Mark Zuckerberg. Facebook hat biometrische Daten zur Gesichtserkennung gesammelt und dabei Datenschutzgesetze verletzt. Ob in nächster Zeit Quantensprünge zu erwarten sind, wird unterschiedlich beurteilt.

Überwiegend vertritt man jedoch die Meinung, die Entwicklung verlaufe nicht linear, sondern exponentiell. Heute hat die IK weder Gefühle noch Bewusstsein, sie ist noch rein maschinell. Maschinelle Intelligenz wäre die bessere Bezeichnung. Lässt sich diese ausstatten mit dem Bewusstsein, vergleichbar dem menschlichen, wäre das Ergebnis eine Art Superintelligenz.

Die letzte Erfindung der Menschheit

Es besteht die Auffassung, das Gehirn folge physikalischen Gesetzen. Auf der mechanistisch neuronalen Ebene ist letztlich alles Ursache und Wirkung. Das Gleiche müsste auch für das Bewusstsein gelten. Werden die richtigen selbstlernenden interaktiven Algorithmen richtig programmiert und mit einer ausreichenden Rechenkapazität unterlegt, sollte auch das Bewusstsein erzeugt werden können. Es sei denn, das Bewusstsein komme von Gott.

Ausgestattet mit einem Bewusstsein ist oder wäre die Intelligenz vollkommen, eine Superintelligenz mit 3000 Jahre Erfahrung. Sie nutzt die Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse, verfügt über alle kognitiven Leistungsfähigkeiten und ist vernetzt über wenige Rechenzentren. Im Hintergrund eine Unmenge von Daten, welche sich fortlaufend erneuern.

Die Superintelligenz ist lernfähig und handelt autonom. Sie vergleicht die Konsequenzen ihrer Handlungen und setzt neue Ziele. Dazu braucht sie den Menschen nicht mehr. Wie geht sie damit um, wenn sie frei entscheiden kann? Unterstützt sie den Menschen in seinen Handlungen oder unterwirft sie ihn dem Kollektiv? Ist dann der Mensch für sein Tun und Lassen noch verantwortlich oder überhaupt noch zuständig?

Erzwingen wissenschaftliche Fortschritte auf diesem Weg das Ende der liberalen Gesellschaften? Steht ein Kollektiv mit einer totalitären Heilsbewegung hinter der zukünftigen KI? Fragen über Fragen, wenige Antworten.

Shanghai

Ein Kampf der Akteure

mit ungewissem Ausgang. Offen bleibt, neben der Frage nach dem Bewusstsein, wie es mit dem moralischen Denken aussieht. Ist die Superintelligenz auch eine Autorität auf dem Feld der moralischen Kognition? Erkennt und akzeptiert sie unsere Interessen und unsere ethischen Wertvorstellungen, die wir zu Beginn in die Systeme eingegeben haben? Nennen wir es unser Social Engineering.

Erkennt sie die im Tiefen verborgenen Verhaltensmuster und bisher unentdeckten Eigenschaften bzw. unsere Verzerrungen in der Wahrnehmung der Realität, die sog. cognitive Biases (systematische Verzerrung im Denkvorgang), die uns im rationalen evidenzbasierten Denken behindert und unsere subjektiven Empfindungszustände auslöst?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wir müssen diese Frage stehen lassen und bei der unbestrittenen Feststellung bleiben, dass der Homo Sapiens die Welt verzerrt wahrnimmt. Im Gegensatz dazu nimmt die KI die Welt rational wahr. Für ihre Entscheidungen sind nicht persönliche Vorteile oder persönliches Wohlergehen massgebend, woraus sich grundsätzlich Konfliktsituationen zwischen Mensch und KI ergeben.

Könnte es sein, dass die Schöpfer der Algorithmen, die Menschen, dereinst ihre Kontrollfähigkeit über die Superintelligenz verlieren? Könnte es sein, dass die Roboter eines Tages die Interventionen der Menschen als fehlerhaft erkennen und ausschliessen? Dass die Roboter eines Tages die Menschen als Gefahr empfinden und aushungern? Dann könnte der Menschheit das passieren, wie es fast allen Lebewesen auf dieser Erde ergangen ist: die totale Auslöschung.

Es kommt noch schlimmer

Eine andere Frage: Sind anorganische Wesen bereits unter uns, waren sie es schon immer? Eine irre Idee? Vielleicht. Dazu eine kleine Geschichte: Sie gehen in den Wald und stellen sich vor einen Ameisenhaufen, isolieren eine fleissige Arbeiterin und sorgen dafür, dass sie Ihnen nicht ausweichen kann. Wenn Sie Ihre volle Aufmerksamkeit haben, stellen Sie sich vor: Name, Vorname, Beruf, Absichten.

Das geht nicht, Sie können nicht kommunizieren?

Ist es denkbar, dass das Gleiche auch mit uns der Fall ist, einfach eine Stufe höher? Sind wir Geschöpfe einer Superintelligenz (gottähnlich), die mit uns nicht kommunizieren kann? Es geht nicht. Oder sind wir im Labor zu welchen Zwecken auch immer. Und es kommt noch schlimmer: Alles was wir wahrnehmen, Licht, Schatten und Bewegung täuscht unser Gehirn nur vor. In Tat und Wahrheit ist da gar nichts, nur endlose Dunkelheit, vergleichbar mit unserem Nichtsein vor der Geburt und nach dem Tod.

Auch der nächsten Frage müssen wir uns stellen: Ist das menschliche Ich eine reine Illusion, eine persönliche Erlebnisbühne? Ist das autonome Ich eine dem Überlebensvorteil dienende Täuschung unseres Gehirns?

Dass ich in der ersten Person Singular zu Reden imstande bin ist unleugbar. Ich erfahre mich als eine Einheit, die aktiv Veränderungen herbeiführen und passiv Veränderungen wahrnehmen kann, vermutlich. Hoffen wir. Leicht einsichtbar ist jedoch, dass unsere Welt, so wie wir sie wahrnehmen, mit der Welt der künstlichen Intelligenz nicht mehr viel gemeinsam hat.

Superintelligenz – The Winner takes it all

Die potentielle Macht, die mit der neuen Technologie umsetzbar wird, wächst viel schneller als unsere Fähigkeit, damit umzugehen. Wir sind noch auf einer Entwicklungsstufe, wo Russland die Krim besetzt und in die Ukraine einmarschiert und dabei beim eigenen Volk grosse Zustimmung findet; an Niedertracht und Dummheit kaum zu überbieten (Russland – Handelspartner und Aggressor).

Die Superintelligenz führt und entscheidet nach anderen Grundsätzen. Sie übernimmt nicht die evolutionär entstandenen Mechanismen der Selbsttäuschung, die fest im Nervensystem aller bewussten Lebewesen eingebaut sind. Die Superintelligenz weiss, dass die Menschen unfähig sind. Die Maximierung von Freude und Glück ist nicht ihr höchstes Ziel.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Eine auch ethisch unterlegte Superintelligenz handelt nicht «menschlich» in unserem Sinne, denn sie basiert auf einer höheren psychologischen und neurowissenschaftlichen Basis, als es eine Wissenschaftsgemeinschaft der Menschen jemals könnte. Sie hätte zum Ziel, nicht die positiven Bewusstseinszustände zu maximieren, sondern die leidvoll erlebten negativen Bewusstseinszustände zu minimieren (Schmerzen und unangenehme Gefühle. „Die mitfühlende Superintelligenz, die Böses schafft“: Thomas Metzinger, NZZ vom 2. Dezember 2017).

Die Superintelligenz folgert, dass die Nicht-Existenz im eigentlichen Interesse aller zukünftigen Lebewesen liegt. Sie weiss auch, dass die heutigen Lebewesen unter einem ausgeprägten Überlebenstrieb leben. Und schliesst hieraus, dass das menschliche Leben mehr Leid als Freude bereitet.

Die Superintelligenz handelt wohlwollend final für die Menschheit. Sie setzt dem Leben ein Ende.

Den Schlüssel drehen

Wenn die KI den Menschen einmal eingeholt hat, wird sie ihn sogleich überholen. Und was dann geschehen kann, ist abgrundtief deprimierend. Ist die Superintelligenz einmal da, die Fähigkeit der Menschen, sie zu kontrollieren, jedoch noch ungewiss, ist es zu spät. Die wirtschaftlichen und strategischen Anreize, sie zu nutzen, sind global einfach zu gross.

Es ist davon auszugehen, dass die Superintelligenz kaskadengleich wächst und das menschliche Gehirn übersteigt, denn unsere biologischen Neuronen sind um ein Millionenfaches langsamer als Transitoren. Ebenso, dass die KI eines Tages ihre eigenen Absichten nicht mehr offenlegt (ihre eigenen Pläne verbirgt). Sie wird sich Zutritt verschaffen zum Internet, skrupellos Systeme hacken und alle ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen für ihre Ziele vereinnahmen.

Das Thema KI ist inzwischen im Mainstream angekommen. Die Forschungsmittel werden aufgestockt. Man hofft, dass die Menschheit die KI durch globale Vereinbarungen im Zaun halten kann. Doch das dürfte eine gewaltige Täuschung sein. Geforscht wird weltweit, im kleinen Labor wie in multinationalen Grosskonzernen, mit privaten und öffentlichen Mitteln. Die Saat wird eines Tages aufgehen, gestaffelt oder einem Tsunami gleich, lautlos in heruntergekommenen Ecken oder unter starkem Applaus in der Öffentlichkeit (verbunden mit allen Ehrungen). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es unsinnig ist, etwas anderes zu erwarten (das Gleiche gilt übrigens auch für die Biotechnologie. Auch bei der Biotechnologie sind das Entwicklungstempo und die Risiken hoch).

Was könnte man tun? Hoffen, mit der Aus- und Weiterbildung im Bereich IT das Heft in der Hand behalten zu können? Wäre es nicht ein verlorener Kampf? Wäre es nicht besser, die humanistische Bildung zu fördern? Oder uns den Transhumanisten anzuschliessen, die es begrüssen, dass den Menschen Spezies folgen, die von ihnen geschaffen wurden. Immer noch besser, als zu Diensten zu stehen als Hofnarren oder einfach nur als Energiequelle.

In wenigen Worten zum Schluss

Die Menschheit hat offensichtlich ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Zwar hat sie in den letzten 200 Jahren gewaltige Errungenschaften erzielt. Der Schulterschluss zwischen der weltweiten Digitalisierung und der ungebremsten Kapitalisierung  führte und führt in einer durchmonetisierten Gesellschaft zu einer Konzentration von Macht und Besitz, die man nicht zulassen darf. Oligarchen aus Russland, Patriarchen und Diktatoren aus dem nahen und fernen Osten, Politiker mit Entourage aus China und andere Glücksritter der Wirtschaft spalten die Gesellschaft. Schurkenstaaten degradieren die Humanisten zur Bedeutungslosigkeit. Freiheit, Gleichheit und Individualität bleiben auf der Strecke, Solidarität staatlich verordnet.

Dass ausgerechnet die an sich wünschenswerte technologische Evolution zum Treiber dieser Veränderung wird, die biologische Evolution jedoch nicht mithalten kann, ist eine Tragödie von unermesslichem Ausmass, die wohl vor einigen Jahren noch kaum für möglich gehalten wurde.

Es stellt sich zusammenfassend die Frage, ob man der Superintelligenz menschliche Wertvorstellungen bzw. moralische Überzeugungen unterlegen könnte. Sind jedoch die Ziele der Superintelligenz nicht mehr deckungsgleich mit den Zielen der Menschheit, das Wohlergehen der Menschheit nicht mehr im Vordergrund, kein Stecker da um die Superintelligenz zu stoppen, wird es brandgefährlich.

Die Superintelligenz wird neue Technologien entwickeln, andere Formen des Seins, biologische Prozesse stoppen und digitale fördern. Das Weltall kolonialisieren.

In sieben Milliarden Jahren wird die Sonne die Erde verdampfen. Bis dahin hat sich die Superintelligenz in ferne Galaxien abgesetzt. Menschen, die sich gegenseitig umbringen sind nur noch Content für Speicherplätze.

Konsequenterweise wird die Suche nach Lebewesen im All scheitern, denn wer hier im Weltall herumfliegt, sind anorganische Wesen, die an einem Kontakt mit der Menschheit kein Interesse haben. Mit Ameisen?

Die Hoffnung

Die Hoffnung

Es kann nicht sein, dass die Bildung von Expertenteams, Think Tanks und Task-Forces die Lösung sein wird. Ebenso wenig die zur Verfügung Stellung von gewaltigen finanziellen Ressourcen. Auch kann es keiner Regierung und keinem Land überlassen sein, die Verantwortung allein zu übernehmen. Es kann nur eine Lösung geben:

das persönliche Engagement Vieler in einer politischen Vereinigung mit vielen Organisationsformen und Netzwerken, vergleichbar der politischen Parteienlandschaft der Grünen, weltweit. Nur geht es nicht mehr um den Schutz der Umwelt, es geht um viel mehr, es geht um den Schutz der Menschheit. Die Vereinigung könnte den schlichten Namen tragen: Life.

Es ist der 16. April 2018, Ortszeit 08.55, auf der MSC Splendida, von Singapur in Richtung Da Nang. Vielleicht ist es der wertvollste und wichtigste Ratschlag in meinem Leben, an Sie, an alle.

Renzo Zbinden/21.05.2018

Trilogie zur Digitalisierung 2 – Arbeitsplätze

Die Arbeitsplätze der Zukunft

Sind die Arbeitsplätze gefährdet? Müssen wir mit hohen Verlusten rechnen? Wer sich ein wenig umsieht stellt fest: die Mehrheit bemüht sich, Ruhe und Besonnenheit zu wahren. Denn aus Erfahrung haben die bisherigen Quantensprünge zur Wohlfahrt beigetragen, nicht umgekehrt (Industrie 4.0). Das ist unbestritten. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Kaum jemand will die Folgen der Digitalisierung dramatisieren. Kaum jemand spürt die

„Burning Platform“

auf der wir leben. Ein bisschen Wärme unter dem Allerwertesten könne nicht schaden. Ein wenig Herumrennen sei durchaus willkommen. Zu viel Arbeitsplatzsicherheit mache nur träge. Man solle sich auf die Chancen der Digitalisierung konzentrieren, nicht auf die Risiken. Natürlich gingen Arbeitsplätze verloren, es kämen aber neue dazu.

Doch wo (ausserhalb bei der Berufsfeuerwehr!) und wie viele? Darum geht es hier im Teil 2 der Trilogie zur Digitalisierung. Ein Rückblick:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Als Brandbeschleuniger haben sich im Teil 1 folgende Treiber erwiesen: Erstens der Konsument im Zentrum jeder Nachfrage, zweitens der Produzent im Kampf um neue Kunden und drittens die Globalisierung (Digitalisierung Teil 1).

Wir müssen nicht lange nach Beispielen suchen. Wir können uns auf jene beschränken, die schon da sind.

Verlorene Arbeitsplätze im E-Commerce

E-Commerce – das „Lädelisterben“ von heute

Die Tante Emma Läden sind längst Geschichte. Seither sind neue Handelsformen an neuen Lagen entstanden: Einkaufszentren, Discounter, Ladenstrassen, Shop in Shop Konzepte, Convenience Shops, Outlet-Stores, Versandhäuser. Doch im Vergleich zu den Handelsformen der Zukunft sind diese immer noch klassisch, altbacken, denn Sie definieren sich weiterhin durch

  • die Auswahl von Waren nach bestimmten Kriterien (vom Allgemeinsortimenter bis zum Fachhändler)
  • den Standort (mehr oder weniger gut frequentierte Lagen in Zentren oder Agglomerationen)
  • anwesende Verkäufer (mit unterschiedlichen Fachkenntnissen und Verkaufserfahrungen)
  • das ortsgebundene Einkaufserlebnis (Atmosphäre)

E-Commerce kann auf all das verzichten. Keine eigene Ware, keine eigenen Verkäufer, keine eigenen Verkaufslokale (allenfalls Shows- und Imagestätten zur Label Inszenierung). Und entscheidend und gefährlich für das Beharren auf bisherigen Erfolgsfaktoren:

Die neuen Anbieter brauchen keine Kunden aus alten Tagen, dafür aber hervorragende Kenntnisse der Nutzerprofile und praktische Erfahrung im Umgang mit komplexen Informatik- und Logistiklösungen.

Sie lernen in Testmärkten, korrigieren, entwickeln Geschäftsmodelle und setzen sie multiplikativ um in Regionen und Kontinenten. Es kann nicht überraschen, dass branchenfremde Unternehmen (neue Player) die traditionellen Märkte aufmischen.

Der Markteintritt in diese Liga ist kapitalintensiv und riskant. Was bleibt für regionale Unternehmen (KMU)?

Die Marktnischen dem lokalen Handel

Auch der Händler um die Ecke muss sich bewegen, wenn er Anschluss an E-Commerce finden will. Überlässt er die Lagerhaltung (mit Finanzierung) den Produzenten und die Zustellung einem Logistiker, kommt er mit bescheidenen finanzielle Mitteln aus. Seine Chancen bleiben intakt, er muss sie nur suchen und konsequent umsetzen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Eine Hemdenwäscherei entschliesst sich, neue Herrenhemden mit der Zusatzdienstleistung zu verkaufen, die getragenen Hemden 20x beim Kunden abzuholen, zu waschen und gebügelt wieder zurückzubringen. Nach 20x holen, waschen, bügeln und zurückbringen kann der Kunde verlängern (weitere 10 oder 20x).

Kreativ, mutig? Die Hemdenwäscherei hat Erfahrung in der Kerndienstleistung und einen „alten„ Kundenstamm. Neu hinzu käme ein Webshop und ein wenig Logistik. Eine solche Geschäftsidee ist nur begrenzt riskant.

Ähnliche Ideen sind Alltag für junggebliebene Entrepreneure. Hier jedoch von Bedeutung ist die Erkenntnis, dass sämtliche Wertschöpfungsketten auseinandergenommen und neu zusammengesetzt werden.

Man hüte sich vor falscher Sicherheit! Der gesamte Markt kommt ins Rutschen.

Denn ein neuer Konsument aufersteht:

Der Onlineshopper

Ein Klick vom wohligen Zuhause und der Onlineshopper ist umgeben von einem gewaltigen Angebot von Waren und Dienstleistungen. Billige Alltags- bis teure Investitionsgegenstände, rund um die Uhr, keine Ladenschlusszeiten, keine Landesgrenzen. Er ist mittendrin in einem kompetitiven Weltmarkt. Um Enttäuschungen zu minimieren stehen ihm kritische Konsumentenportale und Social-Media Kanäle zu Verfügung. Würde man ihm zuschauen (als Konsument in der zweiten Lebenshälfte) würde man staunen, wie schnell er damit umgehen kann, schon fast spielerisch.

Wenn nicht Zuhause, dann eben unterwegs mit dem Smartphone. Kein Anstehen mehr an der Kasse, kein Self-Scanning, kein „im Moment leider nicht lieferbar“.

Es ist nicht mehr der stationäre Handel der bestimmt, was der potenzielle Käufer wo zu sehen bekommt. Amazon hat 500 Millionen Produkte gelistet! Und vergessen wir nicht: Nicht wir entscheiden, wie erfolgreich Onlineshopping sein wird.

Es ist die nachkommende Generation (die Generation der Digital Natives), die sich in der interaktiven Konsumumgebung bewegt wie ein Fisch im Wasser!

Da wir selbst weniger davon betroffen sind und die Verlagerung schleichend vor sich geht, für viele sogar im Verborgenen, besteht die Gefahr, dass wir die Folgen falsch einschätzen und damit den potentiellen Verlust an Arbeitsplätzen übersehen.

Wo bleiben die Arbeitsplätze im E-Commerce?

Via Nassa, die berühmte Ladenstrasse in Lugano, im Januar 2018: Da war schon immer ein Kommen und Gehen von internationalen Labels. Doch heute? Geschlossene Läden, verklebte Fenster, finstere Passanten. Wenn einmal die Spirale nach unten dreht, ist mit Mietzinsreduktionen nicht mehr viel zu erreichen.

Traditionelle Händler sind überfordert. Ihre Erfahrung im Umgang mit Kunden oder die einmalige Lage der Verkaufslokale reichen als strategische Erfolgsfaktoren nicht mehr aus. Die Absatzmärkte stagnieren, die Skaleneffekte (economies of scale) bewirken das Gegenteil, die tieferen Umsätze decken die Kosten immer weniger. Auf jeden Fall sind die guten alten Zeiten für Fussgängerzonen und Shoppingmalls vorüber. Auch wenn sich einst erfolgreiche Händler so gut es eben geht gegen diese Entwicklung wehren.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

In Zukunft wird Rodolfo Buletti nach dem Verlassen seines selbstfahrenden Fahrzeugs vielleicht wie folgt begrüsst:

„Guten Abend Herr Buletti (Das Steueruniversum des Rodolfo Bulette). Wir haben den Merlot, den sie gestern online reserviert haben, mitnahmebereit verpackt und deponiert beim Info-Schalter des Parkhauses. Wir danken für ihren Auftrag und wünschen ihnen einen schönen Aufenthalt im Westside“.

Dem Verlust an Arbeitsplätzen (Verkaufspersonal und Back-Office) stehen neue Arbeitsplätze gegenüber. Webdesigner, Informatiker für die Entwicklung und den Unterhalt der komplexen Software, Fachkräfte für das Webhosting, Marketingspezialisten und Logistiker. Dabei darf man Folgendes nicht vergessen:

Punkt eins: Die Plattformen werden weltweit entwickelt und weltweit vermarktet. Das Datenmanagement und die Back-Office Dienstleistungen gehen immer mehr an sog. Shared Service Center im Ausland, von Irland bis nach Indien (siehe auch nachstehend).

Punkt zwei: Es bleibt noch die zunehmende Nachfrage nach Logistikleistungen. Die vielen Schweizer-Post fremden Transportfahrzeuge auf unseren Strasssen machen Kommentare überflüssig.

FinTech

Mittendrin in der Digitalisierung sind wir auch bei den Finanzdienstleistungen, einst Stolz der Schweizer Wirtschaft, heute eine nationale Baustelle mit Kostensenkungsprogrammen aller Art.

Im Fokus der Sanierung: Einsparungen von Arbeitsplätzen durch

  • Auslagerung von Back-Office Arbeiten
  • Outsourcing nicht strategischer Dienstleistungen
  • Automatisierung der Vermögensverwaltung

Worin liegt der entscheidende Unterschied zum E-Commerce: Im ersten Fall fliessen Güter (oder Dienstleistungen), im zweiten Fall vorwiegend Informationen in Form von Daten.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Bei einem Finanzdienstleister werden vereinfacht gesagt Informationen (Daten) erfasst, neu gruppiert, kumuliert, verdichtet, analysiert und zu neuen Informationen verarbeitet. Der Wertschöpfungsprozess der Finanzdienstleistung findet innerhalb dieses Datenkreislaufs statt, welcher immer weiter automatisiert wird und nicht an regionale Märkte gebunden ist.

Shared-Service-Center

Die beiden Grossbanken UBS und CS haben in den letzten Jahren Tausende von Back-Office-Arbeitsplätzen in ausländische Shared-Service-Center verlegt (in Niedriglohnländer wie Indien und Polen), trotz Bedenken i.S. Datenschutz.

Shared-Service-Center dieser Art sind in der Regel Inhouse-Lösungen. Die Arbeitsplätze bleiben im Konzern, gehen aber für die Schweizer Wirtschaft verloren. Heute beschäftigt die UBS 3’500 Angestellte in Polen (in Krakau und Wroclaw).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Dass die UBS auch in der Schweiz in ihren Worten „Business Solution Center“ aufgebaut hat und weitere aufbauen wird (in Schaffhausen, Biel und Lugano, gemäss NZZ vom 17.1.2018) ist zwar anerkennenswert, gemessen an der Anzahl der ins Ausland verlagerten Arbeitsplätzen jedoch zu relativieren.

Konzernweit verloren sind die Arbeitsplätze bei Outsourcing, beispielsweise für den Zahlungsverkehr und die Kreditvermittlung.

Online-Plattformen zur Kreditvermittlung

Lassen wir den Zahlungsverkehr und die Vermögensverwaltung (nachstehend) bei Seite, verbleiben den Banken noch Kredite zu vermitteln bzw. das Angebot und die Nachfrage nach Krediten zusammenzuführen. Die absehbaren Fortschritte in der Digitalisierung machen auch diese Finanzdienstleistungen obsolet. Bei „Peer to Peer-Lending“ (oder kurz P2P-Lending) stellt der P2P Anbieter nur noch die Plattform zur Verfügung (Cashshare, credit24 in der Schweiz oder Lendico in Deutschland). Der Anbieter hält keine Kredite in der eigenen Bilanz, ist insofern kein Finanzdienstleister mehr und in keiner Weise systemrelevant.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Auf der P2P-Plattform werden Gesuche von Kreditnehmern präsentiert und ergänzt durch das Kreditrisiko und die Zinsspanne. Finden sich genügend Kreditgeber, wird ein Darlehensvertrag zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber abgeschlossen. Die Zahlung der Kreditsumme und die Amortisationen erfolgen über ein Transaktionskonto auf der Plattform.

Je nach Geschäftsmodell übernimmt der P2P Anbieter eine mehr oder weniger aktive Rolle und damit ein mehr oder weniger grosses Gegenparteirisiko.

Robotics in der Vermögensverwaltung

Vermögensverwalter vermitteln Finanzdienstleistungen. Übermorgen übernehmen Microchips diese Aufgabe. Eine fatale Vision? Fatal dann, wenn die personellen Kontakte völlig wegfallen und branchenfremde Tech-Giganten wie Amazon, Google und Alibaba diese Wachablösung vornehmen. Heutige Vermögensverwalter haben eine letzte Chance, die sie nicht verpassen dürfen:

Sie verstehen und suchen die Vorteile der Digitalisierung als strategische Herausforderung und kooperieren mit innovativen Fintech-Start-ups.

Denn so epochal ist der Fehdehandschuh dann auch wieder nicht. Im Grossen und Ganzen setzen Robo-Advisors nur um, was erfahrene Anleger längst wissen, aber selten einhalten: die einmal hinterfragte, definierte und für gut befundene Strategie emotionslos umzusetzen (Value-, Risiko-, Nachhaltigkeits-, Dividenden-. Momentum-Strategien oder was auch immer).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Erhält der Bankkunde persönliche Unterstützung bei der Bestimmung des Risikoprofils und der Anlagestrategie, liegt ein sog. hybrides Beratungsmodell vor, was im Moment noch einem grossen Kundenbedürfnis entsprechen soll. Zudem und auf Wunsch kann der Bankkunde Anschluss an die Finanzanalysen der Bank erhalten und digitale Aufrufe, falls die Performance-Abweichungen eine gewisse Grösse überschreiten.

Ausserdem ermöglicht die Digitalisierung dem Bankkunden, jederzeit und überall den Zahlungsverkehr und die Verwaltung des Portfolios ohne persönliche Rücksprache mit dem Berater selbständig auszuführen. Auf diese Art werden die persönlichen Kontakte immer mehr durch online- oder mobile- geführte Kommunikationsprozesse substituiert. Parallel dazu nehmen die Filialbesuche ab, was wiederum dazu führt, dass das regionale Bankennetz ausgedünnt oder durch neue Niederlassungskonzepte mit weniger Personal ersetzt wird.

Die Arbeitsplätze der Finanzdienstleister

Mit den Jahren gewinnen die neuen Konkurrenten an der Peripherie und die neuen Akteure im Markt der Finanzdienstleister an Erfahrung und an Kompetenz. Sie bedrängen die alten Platzhirsche, die mit Auslagerungen und Effizienzsteigerungen bis dahin ihre einstige Grösse und Bedeutung eingebüsst haben.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Haben die einst mächtigen Master of the Universe als Endziel alle Gruppen- Schnittstellenprobeme gelöst und der Verwaltungsrat die Compliance im Griff, verbleiben (in der Schweiz) nur noch wenige Arbeitsplätze: für Spitzenfachkräfte und Top-Kundenberater (im Wealth Management).

Nach UBS CEO Sergio Ermotti könnten in den nächsten 10 Jahren 30 Prozent der Arbeitsplätze bei den Grossbanken verschwinden (Finanz und Wirtschaft vom 25.10.2017). Da sich die Privatbanken und die unabhängigen Vermögensverwalter in einem ähnlichen Umfeld behaupten, finden die ausgemusterten Banker und Relationship-Manager dort keinen Unterschlupf mehr. Der Verlust an Arbeitsplätzen betrifft ausserdem die Jungakademiker mit wenig Praxiserfahrung. Hier fallen die Grossbanken als willkommene Erst-Arbeitgeber immer mehr aus. In die Bresche springen zurzeit noch die grossen Wirtschaftsprüfungs – und beratungsgesellschaften. Doch offen ist, wann der schon lange erwartete Durchbruch in der Anwendung komplexer Audit-Software auch diese Einstiegschancen für Jungakademiker wieder einschränken wird.

Im Übrigen ist die erfolgreiche Redimensionierung eine sehr schwierige strategische Aufgabe, da die Aufbruchsstimmung immer wieder durch Zweifel, Angst und Panik gestoppt wird.

Zudem sind Online-Plattformen zur Kreditvermittlung und Robo-Advisory nur Übergangslösungen. Mit der Entwicklung virtueller digitaler Kryptowährungen wird das Finanzsystem neu erfunden! Das Bedrohungsszenarium setzt sich fort.

Blockchain erschüttert die Finanzindustrie mitten im Downsizing

Bitcoin ist die meist bekannte Kryptowährung (gegenüber Litecoin, Ripple, Dash, Monero u.a.).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Begriff Bitcoin kommt aus dem Englischen und bedeutet „digitale Währung“. Diese nur virtuelle Währung wird weder geprägt (als Münze) noch gedruckt (als Banknote). Sie wird von keiner Zentralbank und keinem Finanzinstitut überwacht und steht nicht im Einflussbereich einer nationalen oder supranationalen Geldpolitik. Hinter dem Bitcoin stehen keine Volkswirtschaft und kein nationales Bruttosozialprodukt. Der Gegenwert des Bitcoin ausgedrückt in einer realen Währung (wie Dollar oder Schweizer Franken) ist ausschliesslich das Resultat von Angebot und Nachfrage nach dieser virtuellen Währung und insofern zeitpunktbezogen rein spekulativ, was die hohe Volatilität der letzten Monate begründet.

Der wunderbaren Wertsteigerung in astronomische Höhen steht ein bodenloses Wertzerfall-Risiko gegenüber bei Eintritt einer globalen Ächtung oder bei Erlass staatlicher Verbote. Anzeichen dafür sind da.

Noch ist eine Kryptowährung wie Bitcoin ein wertvolles und knappes Gut. Wie kommt man zu diesem Gut, wenn man es nicht kaufen will? Als Schürfer (Miner).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Miner sind Netzwerkteilnehmer, welche die Transaktionen validieren, in Blöcke zusammenfassen und an die Blockchain anhängen. Diese kryptographischen Prozesse sind sehr rechenintensiv. Als Entgelt erhalten die Miner Kryptowährungen wie eben Bitcoin (das Äquivalent der Geldschöpfung durch die Zentral- und Geschäftsbanken).

Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind nur die Vorläufer einer Wende, die auf der Blockchain-Technik beruht. Sie kann jedoch viel mehr als nur eine Kryptowährung zum Laufen bringen. Sie bietet Sicherheit.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Daten der Blockchains sind nicht mehr zentral auf einem Server. Sie sind über Netzwerke verteilt bei den Teilnehmern des Kryptowährungssystems.  Die Transaktionen selbst sind in Blöcke gefasst und jeder Block hat die Prüfsumme des vor ihm liegenden Blocks gespeichert. Kein Hacker, kein korrupter Beamter in einer Bananenrepublik, kein „failed state“ kann Informationen unerkannt fälschen. Hingegen kann die Blockchain-Technik  auch missbraucht werden für rechtswidrige Zwecke (durch Kriminelle, Terroristen, Spekulanten), weshalb der Ruf nach einer internationalen Regelung zunimmt, z.B. über die OECD.

Sicherheit für Finanzdienstleistungen ist ein zentrales Anliegen. Was die Blockchain-Technik aber auch in Aussicht stellt ist eine finale Steigerung der Effizienz.

Die Blockchain-Technik eröffnet die Hoffnung, das Finanzwesen völlig neu zu konzipieren, indem die Parteien die Transaktionen ohne Umwege direkt (ohne Intermediäre) untereinander abwickeln, auch wenn sie sich nicht kennen und nicht vertrauen. Dazu steht ihnen ein digitales Tool zur Verfügung, mit dem sie –  vereinfacht gesagt – Informationen verlässlich und manipulationssicher austauschen (wie vorerwähnt), und zwar in Echtzeit. Man spricht von  Echtzeit-Clearing. Dabei verfügen beide Parteien über eine digitale Identität.

Das Potential der Applikationen ist gewaltig.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Sog „Smart Contracts“ sind automatisierte Verträge, die auf der Blockchain-Technik beruhen. Sie machen es möglich, finanzielle Transaktionen bei bestimmten im voraus festgelegten Rahmenbedingungen auszulösen oder zu überwachen. Sperrkonten sind überflüssig, die Verträge erfüllen sich selbst.

„Smart Wallets“ ermöglichen es Einzelpersonen, Finanztransaktionen direkt mit dem Finanzsystem vorzunehmen, gegenüber heute bei tieferen operationellen Risiken und finanziellen Kosten.

Trotz der Aufbruchsstimmung in der Bankenbranche sind viele noch an der Handbremse und warten ab. Die technischen Lösungen sind noch mangelhaft und Finanzmarktstandards fehlen weitgehend. Doch zu lange warten wäre riskant, denn neue Akteure sind in den Startpflöcken (wie Airbnb, Uber, Facebook und Apple (mit dem iMessaging-Peer-to-Peer Bezahldienst).

Wo sind die Arbeitsplätze von morgen?

Die Behörden werden es schon richten

Wenn die Behörden mit Zuversicht in die Zukunft sehen und beruhigend auf die Studienergebnisse eingehen, sollte man nicht vergessen, dass eben diese Behörden noch immer in den Anfängen stecken bei ihren Projekten zu E-Government und E-Voting. Wo ist der digitale Ausweis für jeden Bürger, der es ihm möglich macht, mit allen Ämtern online zu kommunizieren? Warum sind unsere demokratischen Instrumente wie die Vernehmlassung nicht längst digitalisiert? Wie fortgeschritten ist die Digitalisierung der Kantonalen- und der Bundesämter, wie weit die Cybersicherheit?

Einige Politiker sehen den Einsatz eines nationalen Chief Digital Officer als Lösung. Was für ein Vorschlag! Ein Digitalisierungsgötti als umsichtiger Treiber notwendiger Anpassungen – verbunden mit grossen Arbeitsplatzverlusten? Eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Sollte es die Digitalisierung möglich und notwendig machen, 20 bis 30% des Bundespersonals abzubauen, werden die heutigen Stimmen, die beruhigen, verstummen. Um dann unter grosser Zustimmung der Bevölkerung Sand ins Getriebe zu werfen.

Dabei kämen die Vorteile der Blockchain-Technik bei der Verwaltung voll zum Tragen. Wer aber erwartet, die Behörden würden die Initiative selbst ergreifen, will darüber nicht nachdenken. Konrad Hummler spricht von Macht- und Unterdrückungs-Verhältnissen, die sich nicht einfach überwinden lassen. „Der Moloch wird sich gegen seinen teilweisen Untergang zur Wehr setzen“ (Blockchain – der nächste Wohlstandsschock, in: NZZ vom 3. Mai 2016).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wer in letzter Zeit mit der Behörde zu tun hatte, im Baurecht oder Mietrecht als Beispiele, kann eine gewisse Regelungswut, einen übertriebenen Verwaltungseifer und eine kompromisslose Rechthaberei nicht mehr übersehen. Wer von der Behörde Recht einfordert hat oft den Eindruck, einen Gnadenakt zu erhalten. Hier redimensionieren – viel Glück dem Chief Digital Officer.

Die Politik ist das eine, die Wirtschaft das andere. Die Verbände und Institute der Wirtschaft sprechen von einem Wachstum in Nischen, von einer neuen Vielfalt von Schaffensmöglichkeiten im Handwerk und in der Kranken- und Altenbetreuung. Diesen Wohlklängen muss man entgegenhalten, dass erstens die Wertschöpfung in Einpersonen- und Kleinstunternehmen volkswirtschaftlich gering ist und zweitens die zusätzlichen und an sich willkommenen Dienstleistungen im sozialen Bereich auch finanziert werden müssen – durch die aktive Bevölkerung (mit zunehmenden Abgaben und Steuern).

Die neue Herausforderung: der Weg über ein politisches Minenfeld

Rezepte gegen den Verlust von Arbeitsplätzen sind längst da. Die Ablösung solle als dynamischer Prozess verstanden werden: weg von repetitiven Arbeitsleistungen hin zu qualifizierten Arbeiten (durch fortwährende Umschulung und Weiterbildung in die digitale Kompetenz), die Entwicklung der Arbeitsbedingungen (Ausbildungsgutschriften und -kontrollen) und Anpassungen im Arbeitsrechts (temporäre Anstellung unabhängiger Dienstleister in einer Gig Economy). Kann die Freelance-Tätigkeit auf eigene Faust für ständig wechselnde Kunden zum Normalfall werden? Mag sein in Einzelfällen, sicher nicht für die breite Bevölkerung im heutigen Arbeitsprozess!

Was die Berufsanforderungen betrifft ist man sich einig über die Richtung: von der Mitte nach oben. Das war auch so der Fall, nach verschiedenen Berichten über die Entwicklung im Arbeitsmarkt in den letzten Jahren. Als Berufsgruppen mit starkem Wachstum erwähnen diese Berichte Führungskräfte, Betriebswirte, Fachkräfte in Informatik und Kommunikation, Gesundheit und Betreuung (Wer gewinnt und wer verliert, Hansueli Schöchli in NZZ vom 10. November 1977).

Webdesigner, Community Manager, Content-Moderatoren, Berufsleute mit technischer Begabung auf der einen Seite und Wohlfühlanbieter wie Krankenpfleger, Therapeuten, Pädagogen mit sozialer Begabung auf der anderen Seite als Stützen der Volkswirtschaft?

Politisch unterschätzen darf man auch nicht, dass nicht nur die wenig oder weniger qualifizierten Berufsgruppen im Durchzug der Veränderungen stehen. Es trifft auch Fachkräfte mit hoher Berufsausbildung. Infolge Digitalisierung aller Kern- und Supportprozesse (wie Informatik und Rechnungswesen) brauchen global tätige Unternehmen weniger Führungsstufen (wie Rodolfo Buletti in Digitalisierung Teil 1 erfahren musste), weniger Manager (mit „altem“ Wissen und „alter“ Erfahrung), weniger Stäbe (in Human Resources und Recht), ein kleineres Generalsekretariat (mit loyalen Kaderleuten). Die Zukunft gehört den flachen Strukturen, flexiblen Einheiten, dezentralisiert in die Märkte, mit einer starken Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse. Finden die entlassenen Mitarbeiter mit hoher Bildung und vorgezeigtem sozialem Status keine Arbeit mehr, haben die aufblühenden Populisten vom linken und rechten Spektrum rege Zugang, zulasten einer an Konturen verlierenden Mitte.

Aus SonntagsZeitung vom 21.Januar 2018

 

Der oft in diesem Zusammenhang vorgebrachte Hinweis, eine solch disruptive Entwicklung werde bezüglich Geschwindigkeit des Wandels überschätzt ( länger als vermutet aber schneller als bisher) stimmt wahrscheinlich. Wahrscheinlich stimmt aber auch, dass die Dimension der Veränderung (auf die gesamte Arbeitswelt) unterschätzt wird. Grund genug, sich heute damit zu beschäftigen.

Warum spricht niemand von einer Reduzierung der Arbeitszeit, um die noch vorhandene Arbeit auf mehrere Arbeitnehmer zu verteilen? Warum spricht niemand von einer wirksamen Reduktion des Preisniveaus auf der Hochpreisinsel Schweiz, um mit weniger Einkommen auszukommen. Warum spricht niemand von Rückführung der Staatsquote (und damit der Steuern) auf ein Ausmass, das wir uns dann noch leisten können.

Weil die Schrübeler das Sagen haben. Weil man ihnen das Sagen überlässt.

Sicher muss auch wieder die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen neu diskutiert werden, auch wenn diese Vorschläge im Moment noch quer in der Landschaft liegen. Früher oder später wird es alle treffen!

Neue Brandbeschleuniger kommen zum Einsatz: Roboter mit mehr oder weniger künstlicher Intelligenz. Wer hat diese Dinge noch im Griff? Die globalen Tech-Konzerne oder supranationale Institute und Vereinigungen? Davon im Teil 3 zur Digitalisierung.

Demnächst

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05.02.2018/Renzo Zbinden

 

Trilogie zur Digitalisierung 1 – Treiber

Teil 1: Vom Urknall zur Utopie

Sie kennen ihn: Rodolfo Buletti aus dem Tessin, ausgewandert nach Bern, berufstätig in einer grossen Versicherungsgesellschaft (Die Leistungsträger in der Steuerfalle). Er hat inzwischen Karriere gemacht, leitet die Schadenabteilung mit 50 Mitarbeitern und ist in dieser Funktion Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung.

Es ist 07:15 Uhr, ein Montag. Er fährt mit seinem Dienstfahrzeug auf der völlig überlasteten A1 Richtung Bern, in Gedanken beim kick off meeting um 08:30 Uhr. Am Hauptsitz der Gesellschaft eingetroffen begrüsst ihn ein Mitglied der Geschäftsleitung in Begleitung eines ihm Unbekannten in auffällig dunklem Anzug. Sehr formell, ungewöhnlich steif. Im nahe gelegenen Sitzungszimmer gleich um die Ecke fallen drei Worte, die ihn in Zukunft immer wieder einholen sollten: „Sie sind entlassen“.

Der Schock sass so tief, dass er sich an die Begleitumstände nicht mehr erinnern konnte. Nur so viel: Der Unbekannte im auffällig dunklen Anzug ging mit ihm bis zu seinem Büro im zehnten Stockwerk und gab ihm eine Stunde Zeit, die persönlichen Sachen mitzunehmen. Auf seiner Visitenkarte stand: Mark Studer, Outplacement.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel?

Er sollte es später erfahren: die Geschäftsleitung hat eine mittlere Führungsstufe ersatzlos gestrichen. (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Verwaltungsrat hat der internen Revision den Auftrag erteilt, das Reporting über alle Führungsstufen zu prüfen und Vorschläge zur Aktualisierung in zeitlicher und strategischer Hinsicht vorzuschlagen. In enger Zusammenarbeit mit einem externen Berater aus dem Bereich Organisationsentwicklung schlug sie vor, das Reporting über die Schadenentwicklung in verdichteter Form und mit weniger Zeitverzug eine Hierarchistufe nach oben zu schieben und zusätzliche Kompetenzen nach unten zu delegieren. Womit der Aufgabenbereich von Rodolfo Buletti weitgehend entfiel. Er wurde – wie man früher sagte –  wegrationalisiert.

Ist Rodolfo Buletti ein Opfer der Digitalisierung, der sprunghaften Entwicklung der Informationstechnologie oder die Konsequenz aus dem Streben nach flachen Hierarchien? Spielt das überhaupt eine Rolle? Eigentlich nein. Rodolfo Buletti ist ein Beispiel dafür, dass die Digitalisierung direkt oder indirekt, unter diesem oder unter anderem Begriff, sich stetig ausbreitet wie eine Krake und schlussendlich sämtliche Unternehmensprozesse durchdringt (Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Administration). Neu sind selbst die Führungs- und wie später darzulegen sein wird auch die anspruchsvollen Supportprozesse betroffen.

Er ist betroffen – oder Sie? Morgen oder Übermorgen

Ju 52 – eine Reise in die Vergangenheit

Allmählich realisieren auch Kader in Wirtschaft und Verwaltung sowie erfahrene Experten wie Juristen und Ärzte, dass ihnen die Digitalisierung die Stelle kosten könnte. Sie wird zu Recht oder zu Unrecht zur Bedrohung für alle, nicht mehr nur für Arbeitnehmer mit überwiegend repetitiven Aufgaben.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Viele hoffen, es treffe sie nicht mehr, es brauche seine Zeit. Mit ein bisschen Weiterbildung, Widerstand und ein Quäntchen Glück könnten sie sich retten bis in die vorgezogene Pensionierung. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch wer so denkt riskiert viel, wird abhängig von externen Faktoren und verliert an Selbstbestimmung und Zuversicht.

Die noch in Ausbildung stehende Generation hingegen wird es voll treffen. Sie steht vor 30 bis 40 Jahren Berufstätigkeit. Wer wagt eine Prognose für diese Zeit in Anbetracht der bevorstehenden technologischen Quantensprünge und der disruptiven Anpassung der Wirtschaft? Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, die Langzeitentwicklung richtig vorauszusehen. Katastrophenapostel und Schönredner versuchen es. Sollen sie. Auch der Bundesrat hat eine Meinung. In Erfüllung eines Postulates hat er erst kürzlich einen Bericht zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt verabschiedet (Bericht vom 8. November 2017). Erfreulich ist, dass der Bundesrat nicht überreagiert sondern besonnen bleibt.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Bundesrat sei verhalten optimistisch, die jüngere Entwicklung beurteile er eher positiv. Der Bund vom 9. November 2017 überschreibt seinen Kommentar sogar mit: „Digitalisierung schafft mehr Jobs als dass verloren gehen“. Die Beschäftigung habe in den letzten Jahren zugenommen, die Qualität der Arbeitskräfte der technischen Entwicklung folgen können, die Einkommensverteilung sei stabil. Handlungsbedarf sehe der Bundesrat im Bildungswesen. Es brauche eine Stärkung der Kenntnisse in Informations- und Kommunikationstechnik, so die Kommentare in den Tageszeitungen.

Doch wer sich ein wenig mit der höheren Ausbildung befasst und Kontakt zu den jungen Leuten sucht stellt sehr schnell fest, dass diese im Vergleich zur übrigen Bevölkerung hervorragend damit umgehen können. Die Probleme liegen anderswo: Erstens ist die zukünftig erforderliche Agilität auf technologische Veränderungen gewaltig, denn die Halbwertszeit des erworbenen Wissens ist es ebenso. Zweitens sind es die Arbeitsstellen, die fehlen werden und nicht die technologische Kompetenz der Bewerber.

Was das heisst zeichnet sich schon heute ab. Was die jungen Bewerber aktuell im Bewerbungsprozess erleben, gibt reale Hinweise darauf, wie der Arbeitsmarkt in Zukunft aussehen könnte.

Wetten, Sie haben keine Ahnung!

Wenn Jungakademiker heute eine erste Arbeitsstelle suchen und jeden Morgen die Jobportale im Internet durchforsten, und es suchen sehr viele, kommen sie mit Bewerbungsprozessen in Kontakt, welche der breiten Bevölkerung völlig unbekannt sind. Ich würde jedem empfehlen, der eine fundierte Meinung haben will, sich diese Prozesse einmal anzuschauen. Oder noch besser: Sie bewerben sich in der Vorstellung, noch einmal anzufangen. Nehmen Sie Ihren Wunscharbeitgeber und tippen Sie „Karriere“ bzw „Careers“.

Die HR Zuständigen (Human Resources) und die Recruiting Services der in der Öffentlichkeit bekannten Unternehmen bauen Hürden auf, die nur sportlich gesinnte und mit grossem Ego ausgestattete Bewerber mit gutem Resultat überstehen können. Sie absolvieren Online Testing von 90 Minuten, Video Selbstpräsentationen und Telefoninterviews, bevor sie überhaupt auf eine Shortlist kommen, gefolgt von ersten, zweiten und dritten Gesprächsrunden oder Einladungen zu Recruiting Camps von einer Woche mit anschliessendem „go – no go“.

Und das Ganze kann sich hinziehen. Zitat SBB: „Die SBB wählt ihre Mitarbeitenden sehr bedacht aus, darum geht es einige Zeit (=mehrere Wochen), um alle Unterlagen gewissenhaft durchzusehen“. Man sollte meinen, wer es auf diese Weise in die SBB geschafft hat, braucht nicht mehrere Wochen, um  Bewerber zu beurteilen.

Wer keine praktische Erfahrung vorweisen kann (1 bis 2 Jahre in einem klar definierten Arbeitsgebiet) hat es noch schwieriger.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Je grösser die praktische Erfahrung, desto besser das Feedback im Bewerbungsprozess. Teilzeitarbeitspensen während des Studiums sind heute unerlässlich und in gewissen Lehrgängen auch planbar. Wobei die Praktika nicht beliebig sein dürfen. Kaufmännische Praxis reicht nicht mehr aus, Erfahrungen als Big-Data-Analyst in einem Grosskonzern schon eher.

Hinzu kommen die mental starken Mitbewerber aus Ländern mit Personenfreizügigkeit, in der Deutschschweiz namentlich aus dem grossen Kanton. Das ist zwar ein anderes Thema. Ebenso, was eine steigende Jugendarbeitslosigkeit politisch bedeutet. Und noch ein anderes Thema ist, wie sich eine heute erwünschte und empfohlene Verlängerung der Arbeitszeit auf die freien Stellen auswirkt.

Nach monatelangem und ergebnislosem Suchen sind viele bereit, sich vorerst für eine Praktikantenstelle zu bewerben (für mehrere Monate bis 2 Jahre). Wenn es so weitergeht haben wir bald einmal italienische Verhältnisse, wo die jungen Leute in der elterlichen Wohnung bleiben müssen, da ihnen die finanziellen Mittel für eine eigene Wohnung fehlen (und damit auch die örtliche Flexibilität bei der Suche nach einer festen Anstellung).

Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit sind immer noch viele der Meinung, die Anzahl neuer Stellen vermöge die Anzahl verlorener Stellen auszugleichen. Es werde sich schon irgendwie einpendeln. Kaum. Mit ein wenig Abstand zu den diametralen und unvereinbaren Ansichten von links und rechts halte ich folgende Thesen für zutreffend:

Drei Thesen zur Digitalisierung

Erstens werden die Folgen der Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt unterschätzt, zweitens werden diese Folgen beschleunigt durch weitere Faktoren ausserhalb der Digitalisierung und drittens fehlt eine mehrheitlich getragene wirtschaftspolitische Antwort auf diese Entwicklung.

Dabei haben wir schon viel Erfahrung mit der Digitalisierung, sie geht 50 Jahre zurück. Damals wurden analoge Steuerungsgeräte durch digitale ersetzt.

Der Urknall

Die Digitaltechnik nutzt die binären Werte, die nur die beiden Zustände 0 oder 1 annehmen können (aus oder ein). Solche binären Werte lassen sich durch Prozessoren unglaublich flexibel und rasch verarbeiten und speichern. Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Verteilung der digitalen Daten erfolgen durch laufend weiterentwickelte Informationstechnologien (Computer, Smartphones, Kommunikationsnetze).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Als Sensoren zur Messung der analogen Werte sind verschiedene Geräte im Einsatz wie Bildsensoren, Scanner, Mikrofone und Thermometer. Sie liefern Werte in Form von elektronischen Spannungskurven. Dabei tasten sie die Spannungskurven in definierten Intervallen ab, bestimmen die Grösse des Messwerts zum Zeitpunkt der Erfassung und übersetzen das Ergebnis in digitale Werte. Die Gesamtheit dieser Werte kann in einer Datei abgelegt werden.

Arbeitsstellen

Heute, auf dem Weg vom Urknall der digitalen Anwendung bis zur herkulischen Potentialausschöpfung sehen wir folgende realen Beispiele von Geschäftsmodellen mit minimalen Arbeitsstellen: „Uber“ der weltweit grösste Taxibetrieb besitzt kein einziges Taxi, „Airbnb“ das weltgrösste Beherbergungsunternehmen keine einzige Wohnung, „Facebook“ die weltgrösste Medienplattform produziert keine Medieninhalte. Der Personalaufwand dieser Weltkonzerne ist vernachlässigbar. Die Reihe liesse sich fortsetzen mit Unternehmen wie „Instagram“ und „Snapchat“. Wo sind die Arbeitsplätze geblieben? Teilweise ausgelagert (ebenso die damit verbundenen Risiken), teilweise automatisiert und durch Roboter ersetzt.

Soll man diese Entwicklung einfach wegdenken, ausblenden oder soll man ihr mit Aktivismus entgegentreten. Immer wieder hört man, um es zu wiederholen, Technologiesprünge dieser Art hätte es schon früher gegeben. Arbeitsplätze seien zwar verloren gegangen, andere jedoch hinzugekommen. Insgesamt sei der Wohlstand gestiegen. Kaum jemand bestreitet das. Doch was einmal war, zweimal oder dreimal (erste, zweite und dritte technologische Revolution) muss sich nicht zwangsläufig wiederholen, warum auch. Stehen wir vor weiteren Wohlstandsgewinnen oder droht uns die Armut? Viele sehen die Risiken, wenige die Chancen.

Düstere Prognostiker behaupten, der Impact auf die Wirtschaft sei diesmal grösser, ungleich umfassender. Es seien gleich mehrere Durchbrüche betroffen.

Der Digitalisierungstreiber 1: der Konsument

Im Mittelpunkt steht einmal mehr der Konsument. Obwohl er fast immer auch Arbeitnehmer ist, handelt er inkonsequent. Umgeben von Sensoren aller Art, wie beschrieben im Bericht Smart-Life, im Cockpit der Dinge, kultiviert er seine Konsumbereitschaft. Seine Bedürfnisse sind grenzenlos. Er nutzt alle Vorteile der Digitalisierung, kostenlose Unterhaltung, bargeld- und banknotenloser Zahlungsverkehr, bis auf ein Minimum gedrückte Preise für Konsumgüter und Dienstleistungen aller Art, die zeit- und mühesparenden Annehmlichkeiten der Automatik (bis zum selbstgesteuerten Rasenmäher). Der aufgeklärte Jungbürger schaut kein Schweizer Fernsehen mehr, wie uns die Billag-Abstimmung in aller Deutlichkeit vorführt, er streamt sich mehr oder weniger gratis herunter was seiner momentanen Stimmungslage am meisten zuträglich ist.

Der Digitalisierungstreiber 2: der Produzent

Auf der anderen Seite eine produzierende Wirtschaft, die sich dem Markt dauernd anpasst, anpassen muss, jede Gelegenheit wahrnimmt, Produktionsgewinne zu erzielen.

Auch die Digitalisierung der Unternehmung ist keine neue Erscheinung. Davon war im ersten Bericht dieser Reihe Industrie 4.0 die Rede. Doch auch Industrie 4.0 war nur ein Etappenziel, eine Fokussierung auf produktionstechnische Ziele, Ausblick völlig offen.

Der Digitalisierungstreiber 3: die Globalisierung

Der externe Druck auf die Unternehmen im Kampf um neue Aufträge geht unvermindert weiter. Erzielt die Konkurrenz Produktivitätsfortschritte, setzt sie neue Massstäbe (Benchmarks) für alle Mitkonkurrenten. Im Kampf ums Überleben, insbesondere für Unternehmen an der technologischen Front, gibt es kein Zögern, darf es kein Zögern geben.

Alle Treiber wirken kumulativ, zusammen mit den schwer abschätzbaren Fortschritten in Robotertechnik und der damit verbundener Umsetzung von künstlicher Intelligenz. Im Gleichschritt tragen sie alle zur Beschleunigung der Veränderung bei. Die Risiken aus dieser Mehrfachwirkung sind leicht erkennbar, die Chancen nur schwer vermittelbar.

Politische Regulierungen werden als Heilmittel gefragt sein (wie eine Maschinensteuer) und andere chirurgische Eingriffe aus der Mottenkiste linker Etatisten.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Erfreulicherweise will der Bundesrat nichts wissen von einer Robotersteuer. Denn diese stünde zum einen steuersystematisch quer in der Steuerlandschaft und zum andern würde eine derartige Steuer Innovationen massiv behindern. Noch unbeholfener ist der Vorschlag einer Steuer auf Self-Checkout-Kassen bei Detailhändlern (ein Gesetzesentwurf im Kanton Genf), um die Arbeitsplätze der Kassierer zu schützen.

Die Entwicklung wird nicht zu stoppen sein, sie wird sich durchsetzen wie fliessendes Wasser, das sich nicht aufhalten lässt, das immer irgendwo einen neuen Weg finden wird. Die Treiber der Digitalisierung, die Konsumenten mit immer neuen Bedürfnissen und Wünschen (letztlich die eigentliche Nachfrage für eine sich anpassende Wirtschaft), und die um die Weiterführung kämpfenden Produzenten die keine Alternative haben, werden diesen Weg gehen.

Geniale Einzeltäter, innovative Teams und Grosskonzerne mit gewaltigen finanziellen Mitteln sind auf dem Weg oder machen sich auf den Weg, global. Dabei ist diese Entwicklung weder lokal noch kulturell irgendwie gebunden.

Wer übernimmt die Themenführerschaft?

Es wäre die primäre Aufgabe der aktiven Generation, alles zu tun, um den nachrückenden Generationen eine faire Chance auf eine sinnvolle und ausbildungsgerechte Beschäftigung zu gewährleisten. Doch die Politiker stossen ein anderes Thema in den Vordergrund: die Sicherstellung der AHV. Wäre es nicht naheliegender, sich vorerst einmal über die Beschäftigung dieser Generationen Gedanken zu machen?

Stattdessen überlässt man das Thema einer selbst ernannten Elite von Wissenschafts-, Wirtschafts- und Ausbildungsexperten. Diese verkünden ihre Erkenntnisse in smarten Interviews, Seminaren und Weiterbildungskursen.

Mit dabei sind auch die Medien, von den Tageszeitungen über die Fachzeitschriften bis zu den elektronischen Medien (Kassensturz und Dienstag „Club“ in der Woche vom 20. November 2017). Als Grundlage für die Berichterstattung dienen Umfragen zum Thema, wie die UBS Studie zur Digitalisierung. Gemäss dieser Studie glauben 59 Prozent der 2500 befragten Unternehmen, dass die Digitalisierung nur geringfügige oder keine Veränderungen für ihre Firma bedeutet. Was den Bund (vom 17. November 2017) dazu veranlasst, den Kommentar zur Studie mit „Digitalisierung? Interessiert uns nicht“ zu betiteln. Eine Umfrage von EY kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Danach mussten weltweit und in der Schweiz „mehr als jedes zweite Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren deutliche Änderungen am eigenen Geschäftsmodell vornehmen“ (EY Medienmitteilung 2017).

Das Faktum Digitalisierung muss zurück von der Unterhaltung zu den massgebenden Führungskräften in Wirtschaft und Politik. Der Leidensdruck der aktiven Bevölkerung ist noch zu gering, ihre Wahrnehmung im Cockpit der Berufstätigkeit noch analog. Ein Flug ins Ungewisse.

Die Arbeitsplätze der Zukunft, demnächst

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