Hochpreisinsel Schweiz Teil 3: Der Staat – Regisseur und Kulissenschieber an vorderster Preisfront

Wir wähnen uns in einer offenen und freien Marktwirtschaft – gehütet von und gebettet in einer sozialen Wirtschaftsordnung. Die Preisfindung findet am Markt statt, wo sich Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen treffen – bei weitgehender Gewerbefreiheit. Drängt sich eine Unternehmung vor und strebt nach Marktbeherrschung, wird sie im Rahmen der Wettbewerbspolitik zurückgebunden.

Ziemlich einfältig diese Vorstellung. Viele bis sehr viele Verkaufspreise sind nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Und immer öfter legt der Staat selbst Hand an und administriert die Preisfindung und -bildung aus  unterschiedlichen „staatspolitischen“ Motiven.

In seiner Funktion als marktmächtiger Anbieter (und Preisbilder) von Gütern und Dienstleistungen bestimmt der Staat über die Sozial-, Steuer- und Wirtschaftspolitik die Preise und beeinflusst auf diese Weise die Ausgaben der Haushalte (und deren Vermögensbildung) auf massivste Weise. Die Konsumenten merken es nicht oder kaum. Sie suchen die Schuldigen in der Privatwirtschaft und enervieren sich an Einzelbeispielen (wie an den überhöhten Preisen bei Kosmetika und Zeitschriften) und rufen nach dem Preisüberwacher.

Es fehlt der Blick aufs Ganze, der Überblick. Das ist vielen recht so. Das Tun oder Lassen des Staates, seine Verantwortung in Bezug auf das Hochpreisniveau Schweiz wird von mächtigen politischen und wirtschaftlichen Kreisen mit Erfolg totgeschwiegen. Ein ausführliches Beispiel dazu: die preistreibende asymmetrische Interessendurchsetzung zugunsten der Bauern.

Der Mythos Bauern – eine nostalgische Verklärung

Ein Berner Bauernhof geschmückt mit rosaroten Geranien auf einer sattgrünen Wiese, umgeben von einem Gewürz- und Gemüsegarten, im Hintergrund ein Steinbrunnen vor dunkelgrünem Wald, kontrastreich zum Dunkelblau der fernen Berge. Eine Wegkrümmung im Vordergrund, Kuhglocken, sonst absolute Stille, frische Luft. Ein Naherholungsgebiet für Städter die über das Wochenende das gesunde Landleben suchen, noch einmal auftanken vor einer intensiven Arbeitswoche.

Die Schweiz und seine Bauern – eine Liebesbeziehung?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Waren wir nicht alle einmal Bauern? Haben nicht die Bauern die Urschweiz errichtet und mit ihrem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit den Grundstein für unsere heutige Staatsform gelegt? Wir brauchen kein Königshaus, keinen repräsentierenden Staatspräsidenten, keine regierungsführende Partei, wir sehen uns als Fortsetzung der selbständigen, unabhängigen, unbequemen und unternehmerisch auftretenden Altbauern.

Das Schweizer Volk hat immer wieder bewiesen, dass es dem Bauernstand wohlwollend gesinnt ist. Es darf schon etwas kosten. Wieviel? Die finanziellen direkten und erst recht die Folgekosten will niemand so richtig zur Kenntnis nehmen. Und die Bauern von heute haben es verstanden der Schweizer Bevölkerung einzureden, dass die staatliche Förderung unerlässlich sei für die Qualitätssicherheit (die Schweizer Bevölkerung soll vor minderwertigen ausländischen Erzeugnissen geschützt werden). Bei der Versorgungssicherheit ist der Nachweis schon etwas schwieriger, bei der Erhaltung der Kulturlandschaft sind sich dann wieder alle einig: keine Abstriche. Der Wunsch nach dezentraler Besiedelung und „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ ist sogar in der Bundesverfassung verankert (Art. 104). Auch der Tierschutz ist ein grosses Anliegen.

Darf es etwas mehr sein?

Die Beiträge für die Landwirtschaft erbringt die Schweizer Bevölkerung zum einen über den Konsum landwirtschaftlicher Produkte und zum andern als Steuerzahler. Und das ist nicht wenig und nicht ohne Folgen. Was die Haushalte für Nahrungsmittel ausgeben kürzt ihre übrigen Ausgaben, was an Steuern in die Landwirtschaft fliesst fehlt an anderer Stelle (zum Beispiel für die Unterstützung und Entwicklung anderer Berufstätigkeiten und Industriezweige). An dieser Stelle darf nicht fehlen hervorzuheben, dass die Landwirtschaft (im Rahmen des primären Sektors) bisher stark und weiter in Zukunft an Bedeutung verloren hat bzw. verlieren wird, was an sich alle wissen und niemanden überrascht. Weniger bekannt sind jedoch die harten Fakten und Relationen, die von unabhängigen Dritten erhoben wurden(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Aus dem OECD-Länderbericht 2015 zur Schweizer Landwirtschaft geht hervor, dass

  • ihr Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) auf unter 1 Prozent geschrumpft ist
  • ihr Beschäftigungsanteil in etwa 3-4 Prozent beträgt
  • über 60% des landwirtschaftlichen Einkommens vom Staat kommt
  • die Verkaufspreise ihrer Güter rund 40% über dem Weltmarktniveau liegen

Konkret: Rund 53’000 Bauern erhalten 2,8 Mia Franken an Direktzahlungen (um die Vernebelung weiter zu begünstigen nennt man diese neu unverfänglich „Beiträge für Versorgungssicherheit“. Gemäss OECD Bericht kommen hinzu über 2 Mia Franken für den „Grenzschutz“ (der landwirtschaftlichen Güter). Und weiter: der Staat gewährt massgeschneiderte Privilegien für die Landwirtschaft bezüglich:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • Eigenmietwert: Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids aus dem Jahre 1993 erhalten die Bauern einen tieferen Eigenmietwert, sie nennen es „Vorzugsmietwert“
  • Mehrwertsteuer: Bauern sind beim Verkauf ihrer eigenen Produkte mehrwertsteuerbefreit (auch bei Einnahmen über CHF 100’000)
  • Mineralölsteuer: Bauern erhalten Rückvergütungen auf der Besteuerung der Treibstoffe
  • Grundstückgewinne: Baulandbauern erhalten Steuerprivilegien auf Grundstückgewinnen
  • Familienzulagen: Für die Bauern werden diese von der öffentlichen Hand finanziert (im Gegensatz zu den nichtlandwirtschaftlichen Betrieben)

Ist es richtig, in einen an Bedeutung abnehmenden Berufsstand Mittel im bisherigen Ausmass zu investieren, die für die Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze fehlen?

Unter Heimatschutz: Wie weit darf die asymmetrische Mittelzuwendung gehen?

Die schweizerische Agrarpolitik bezweckt in erster Linie das Existenzrecht der Bauern zu sichern. Je nach statistischen Angaben und weiteren Annahmen liegen die Kosten für diese Strukturpoltik ingesamt zwischen 6 und 7 Mia Franken pro Jahr. Zusätzlich zu diesen Kosten fallen Kosten an als Kollateralschäden der Agrarpolitik, die empirisch nicht erhoben werden aber beeindruckend und aussergewöhnlich sein sollten (Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • in der benachbarten Agrar- und Nahrungsmittelindustrie: sie übernimmt überhöhte Kosten auf inländische Rohstoffe, was sie im Export benachteiligt
  • im Tourismus und im Gastgewerbe: überteuerte Nahrungsmittel sind namentlich in Grenzgebieten verhängnisvoll
  • im Detailhandel: enormer Kaufkraftabfluss ins Ausland für Geschäfte in Grenznähe
  • bei den Freihandelsabkommen: im vornherein torpediert ohne Rücksicht auf industrielle Vorteile (Beispiele das abgebrochene Freihandelsabkommen mit den USA und die zur Zeit laufende Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP)

Als Ausgleich für die agrarprotektionistisch überteuerten Milch- und Getreiderohstoffe erhalten die Schweizer Konzerne Nestlé, Emmi, Lindt & Sprüngli  Exportsubventionen in Millionenhöhe (Schoggigesetz). Und es ist nicht lange her, da wollten 109 von 200 Nationalräten das schwer erkämpfte Cassis-de-Dijon Prinzip bodigen. Oder man verfolge aktuell die Vorstösse der Bauernlobby im Zusammenhang mit dem Stabilisierungsprogramm 2017 – 2019. Gemeinsam mit Norwegen, Südkorea und Japan ist die Schweiz in der Spitzengruppe der Agrarprotektionisten anzutreffen. Wer tut etwas dagegen? Auch die Grossverteiler Migros und Coop halten sich bedeckt und setzen sich wenig wahrnehmbar zugunsten ihrer Kunden ein. Höhere Margen auf ihren Produkten liegen ihnen wohl näher.

Das Paralleluniversum der Bauernlobby

Die Macht der Bauern ist gewaltig, der Zorn der Bauern furchtbar. Wer sich ihnen entgegenstellt, hat eigentlich schon verloren. Das wissen die Parlamentarier. Keine Partei wagt es, gegen die mächtigen Interessenorganisationen anzutreten. Und der Agrarsektor in Bund und Kanton beschäftigt inzwischen ein ganzes Heer von Mitarbeitern. Sie werden sich hüten, die Finanzströme zu kappen. Im Gegenteil, ihre Regulierungsliebe ist grenzenlos:

So erhalten die Bauern sog. Landschaftsqualitätsbeiträge, erarbeitet vom Bundesamt für Landwirtschaft in enger Zusammenarbeit mit der Vereinigung Agridea, hinter welcher der Schweizer Bauernverband (SBV), kantonale Landwirtschaftsämter und die Forschungsanstalt Agroscope stehen sollen. Nach dem Beobachter 20/2016 schrieben sie „schon 2010 ein Drehbuch, wie die Bauern dereinst solche Gelder abholen könnten“. Doch es blieb nicht bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen. Hinzu kommen Beiträge für Biodiversität (zur Förderung der Artenvielfalt und der Lebensräume) und Beiträge zur Pflege der Kulturlandschaft, wenn sie (wieder nach dem Beobachter 20/2016) das Land nicht verwalden und das Vieh auf die Alp lassen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

3 Franken pro Jahr gibts für jeden grösseren Zürcher Steinhaufen. Ein Findling bringt jährlich 100 Franken ein. 67 Eichen pflanzen – und innert fünf Jahren rund 30’000 Franken ernten

Weitere Beiträge fliessen für besondere naturnahe, umwelt- und tiergerechte Produktion. Dabei gibt es den typischen Bauern gar nicht. Gemüsebauer, Milchwirtschaftsbauer, Bio-Bauer, Bergbauer, sie haben unterschiedliche Probleme zu lösen. Doch in der politischen Öffentlichkeit treten sie mit einer Stimme auf, fordern mit viel Druck. Das Lobbying der Bauern ist erschreckend professionell. Ein Fünftel aller National- und Ständeräte hat eine Verbindung zur Landwirtschaft. Lobbygruppen befassen sich mit Futtermittel, Geflügelzucht, Viehwirtschaft, Milchwirtschaft, Obstwirtschaft, Weinbau/Bier/Spirituosen, Produktion/Handel, Promotion/Marketing, Wald und Holzwirtschaft, Kleinbauern.

National- und Ständebauern: Wer mit wem und wie und was – der Beobachter 20/2016 hat ergründet und enthüllt (interaktive Infografic des Beobachter). – Klicken Sie auf „START“, um das Netzwerk der Parlamentarier zur Landwirtschaft kennen zu lernen.

Agrarprotektionisten: Powerplay versus Rücksicht und Verständnis

Das Selbstverständnis der Ansprüche ist erschreckend. Dabei sind nicht alle Bauern Subventionsempfänger in gleicher Weise, es sind in erster Linie grosse Landwirtschaftsbetriebe in Tal- und Hügelgebieten und nicht Kleinbauern im Alpenraum. Doch mit ihrem Powerplay riskieren die Bauern insgesamt ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren. Von „Ausbeuten“ ist schon die Rede. Die vom Bauernverband und der SVP lancierte Volksinitiative „Für Ernährungssicherheit“ zeigt aktuell, wie unerbittlich die Anspruchshaltung daherkommt und wie biegsam sich die Räte in der grossen Kammer verhalten. Man kann es drehen wie man will: es geht um die krude Besitzstandswahrung.

Alle wissen, über alle Generationen und Besitzstände hinweg, dass die Schweiz vor enormen wirtschaftlichen Veränderungen steht und diese bewältigen muss. Das Lädelisterben war nicht aufzuhalten, Bankfilialen wurden ausgedünnt, Postfilialen ebenso. In diesen schwierigen Zeiten muss der Staat mithelfen, Übergangslösungen zu finanzieren. Diesen Anspruch hatten und dürfen auch die Bauern haben, und zwar als Überbrückungsmassnahme, nicht zur Strukturerhaltung. Angehende Jungbauern müssen ihr wirtschaftliches Umfeld kennen, den Markt für ihre Produkte und Dienstleistungen, wie andere Jungunternehmer auch. Die Perspektive mag rosig erscheinen, ein allfälliges Scheitern aber in Erwägung gezogen werden.

Durch die Industrie 4.00 werden in den nächsten Jahren je nach Schätzung eine grosse bis sehr grosse Anzahl von Arbeitsstellen im administrativen Sektor verloren gehen. Die Bauern werden nicht helfen können. Und was sind die Massnahmen und wo sind die Mittel bei einer zukünftigen Jugendarbeitslosigkeit.

Es sei hier in keiner Weise angedeutet, die Bauern seien die Hauptschuldigen für die Hochpreisinsel Schweiz. Das sind sie nicht. In gewissen Bereichen sind sie selbst betroffen von den hohen Preisen, bei den importierten Futtermitteln beispielsweise, oder bei Düngemittel und beim Maschinenpark. Der Agrarfreihandel ist nicht die Lösung, es geht aber um das tragbare Mass der Anpassungskosten an neue Strukturen. Dass die Bauern um ihre Existenz kämpfen ist ihr gutes Recht. Verschwiegen und unterdrückt werden darf aber nicht die Konsequenz der heutigen Agrarpolitik auf die Hochpreisinsel Schweiz: bei den landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln werden

zulasten der Konsumenten und Steuerzahler

Angebot und Nachfrage übersteuert durch staatliche Regulierungen: die inländische Produktion wird gefördert durch offene und versteckte Subventionen, der Import ausländischer Produkte gebremst durch Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse.

Der Staat marschiert an vorderster Preisfront

bewaffnet mit einer gewaltigen Agrarbürokratie, die sich selbst nicht abschaffen will, die im Gegenteil immer mehr zum Trabanten der Agrarlobby wird, immer mehr gemeinsame Interessen hat. Geregelt und kontrolliert wird bis ins kleinste Detail, wie vorige Beispiele zeigen. Man stelle sich einmal vor, wieviel Verwaltungsaufwand und -kosten hinter jeder Transferleistung liegen! Wer setzt hier den Massstab, sorgt für Kosteneffizienz, legt Rechenschaft ab gegenüber wem? Darf man sagen: das interessiert keine Sau?

Die landwirtschaftlichen Nahrungsmittel sind nur ein (wichtiges) Beispiel für die vom Staat beeinflusste (administrierte) Preisbildung. Aufsehenerregend am Beispiel ist, auf welche Weise fernab von Angebot und Nachfrage die Preisbildung erfolgt. Andere Beispiele finden sich im Gesundheitswesen (Arzneimittelpreise und Krankenkassenprämien), im öffentlichen Verkehr, im Energiesektor. Und wenn wir beim Staat bleiben, wie sieht es aus bei der Entwicklung der Steuerbelastung?

Die Steuern sind für die meisten Haushalte die grösste Ausgabe des Jahres (in gewissen Fällen mit Ausnahme der Miete oder der Krankenkassenbeiträge). Im Grunde genommen sind die Steuern nichts anderes als das Entgelt für die Dienstleistungen des Staates, die je nach Einwohner mehr oder weniger in Anspruch genommen werden. Bei den Gebühren sind die Zusammenhänge direkter, beim SBB-Ticket unmittelbar. Praxis und Literatur erwähnen, dass die staatlichen Dienstleistungen viel stärker überteuert sind als die privaten. Wo sind die Studien, welche die Preis- bzw. Kostenentwicklung aufzeigen beispielsweise für die öffentliche Sicherheit, den Umweltschutz oder die Verwaltung? Welche Verantwortung für das hohe Preisniveau übernehmen die Politiker, die Parlamentarier, die Stimmbürger? Wissen sie, welche Priorität das relative Preisniveau zum Ausland für die Arbeitsplätze der Zukunft hat? Und wenn ja, wie sehen Ziele und Massnahmen aus, um das hohe Preisniveau zu reduzieren?

Nehmen wir abschliessend den Haushalt von Bürger Glas Klar, um die Relevanz des Staates am Einzelbeispiel offen zu legen:

Erstens: Wieviel seiner Ausgaben bestimmen administrierte Preise wie Steuern, Gebühren, Abgaben, Krankenkassenprämien, öffentlicher Verkehr, Ausbildung, Energie, Nahrungsmittel – und wie sieht hier die Preisentwicklung in den letzten 20 Jahren aus! Sind die Preise stark gestiegen, und sie sind – preisbestimmend oder preisduldend war der Staat, nicht die Privatwirtschaft.

Preistreiber Nummer eins ist der Staat, mehr oder weniger ungehindert durch die Wettbewerbsbehörde.

Zweitens: Nehmen wir nur die Steuern, Gebühren und Abgaben, wieviel des Bruttoeinkommens geht direkt zurück an den Staat? Zum einen Sack hinein, zum andern Sack hinaus. Wir sind bei der Staatsquote.

Ist die Schweiz nun ein Steuerparadies oder eine Steuerhölle? Demnächst

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