Steuern Schweiz Teil 3: Die Steuerreform im Paket
Das Steuersystem der Schweiz ist historisch gewachsen. Notwendige Anpassungen waren das Ergebnis politischer Vorstösse und Kompromisse. Heute stehen wir vor einem Wildwuchs von Steuergesetzen, -verordnungen und -entscheiden. Teil 1 und 2 der Trilogie Steuern Schweiz sollten aufzeigen, dass jetzt eine strukturelle Steuerreform dringend ist.
Fünf vor zwölf
Unser Wohlfahrtsstaat: er sollte ursprünglich allen Bedürftigen eine Stütze sein. Ist er immer noch. Er verhindert den freien Fall ins Ungewisse. Doch mehr noch ist er heute Ursache und Quelle für einen breiten Strom universeller, billig oder gratis zugänglicher Leistungen.
Die Erwartungen aller, nicht nur der Bedürftigen, sind inzwischen derart gestiegen, dass man sich fragen muss, wer diese erstens in naher Zukunft noch finanzieren soll, dazu zweitens in der Lage ist und drittens es ohne Widerstand tut. Denn irgendeinmal wird der gebeutelte Steuerzahler die Bringschuld verweigern. Irgendeinmal genügt es ihm nicht mehr, als Steuernomade von Steueroase zu Steueroase zu ziehen. Irgendeinmal möchte er „zuhause“ bleiben, in einem verträglichen Steuerklima in Steuerehrlichkeit leben.
Die strebsamen und wirtschaftlich Erfolgreichen ermatten, seien es Entrepreneure die sich feiern lassen oder stille Führungskräfte aller Stufen, die sich voll einbringen. Sie fühlen sich fiskalisch ausgenommen und persönlich ausgegrenzt von einer breiten Bevölkerung, welche die Vorteile des Wohlfahrtsstaates in Anspruch nimmt ohne sich darüber Gedanken zu machen, wer diese finanziert(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Auf der anderen Seite die Max Wolle’s (Steuern Schweiz Teil 2), die wenig bis gar keine Steuern bezahlen und mit gutem Gewissen innert Minuten einschlafen (auch am Arbeitsplatz). Die gebeutelten Steuerzahler nennen sie
„Gratisbürger“
ein nicht sehr schmeichelhafter Terminus, der auch nicht zutreffend ist. Alle Steuerpflichtigen bezahlen Steuern.(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Die Macht der Steuerbefreiten
Viele bezahlen wenig bis keine Steuern, mehr als Sie denken. Steuerbefreite und -begünstigte verspüren keinen Steuer-Leidensdruck. Ihre persönliche Situation vor Augen kämpfen sie mit anderen Problemen: Unsicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, Schulden, gesundheitliche und andere Probleme. Finanzielle Engpässe stehen im Vordergrund ihrer Gedanken. Alleinerziehende, Jugendarbeitslose, schlecht Ausgebildete, ältere Arbeitskräfte, sie würden gerne mit Ihnen tauschen, wenn es um Ihre Steuern geht. Mehr Steuern, dafür höheres Einkommen? Tönt gut.
Ohne auf die sozialen Aufgaben des Staates eingehen zu wollen geht es hier möglichst emotionslos zur Kenntnis zu nehmen: Ein grosser Teil der Bevölkerung erwartet keine Steuerreform, die andere entlastet. Sie würden die Reform auch nicht unterstützen, im Gegenteil.
Wer sind diese Steuerbefreiten? Ab welchem Bruttoeinkommen sind Steuern fällig? Dazu liegen umfangreiche Auswertungen vor(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Während in Genf jeder Dritte steuerbefreit ist leiden Grossverdiener unter Spitzenbelastungen!
Im Gegensatz dazu der Kanton Schwyz: Für Grossverdiener ein Steuerparadies, für tiefe Einkommen eine Steuerhölle.
Bei der direkten Bundessteuer bleiben 30 Prozent der Haushalte ohne Steuerbelastung. Ledige Steuerpflichtige bezahlen Steuern ab CF 24’230, Doppelverdiener mit 2 Kindern erst ab CHF 114’470, vorher nicht!(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Je höher der Anteil der Steuerbefreiten, je grösser die Gefahr, in eine „Tyrannei der Steuerbefreiten“ zu schlittern. Denn diese bestimmen die Steuerlast der Steuerzahler, rein demokratisch! Als treffendes Beispiel dazu wird oft Frankreich erwähnt, wo nur 47% der Haushalte Einkommenssteuern bezahlen. Steht uns das bevor? Ist uns das bekannt?
Die Leistungsträger der Gesellschaft fallen in die Steuergrube
Die Höhe der kantonalen und kommunalen Steuern ist progressiv gestaffelt, unterschiedlich stark je nach Kanton (und Gemeinden). Das heisst: Mit jedem zusätzlich verdienten Einkommen (und mit jedem zusätzlich angesparten Vermögen) fliesst ein höherer Anteil an die Steuerverwaltung. Extrem progressiv bis hinauf zur Maximalbelastung ist die direkte Bundessteuer. Wohlhabende Steuersubjekte tragen auf diese Weise mehr zur Finanzierung der Allgemeinheit bei als weniger wohlhabende. Diese Ungleichheit ist sozialpolitisch erwünscht und grundsätzlich unbestritten. Nur das Ausmass ist bestritten.
Als Folge der Progression rutschen immer mehr Durchschnittsverdiener, insbesondere aber Leistungsträger mit variablem Lohnanteil, in eine höhere Steuerbelastung. In der Hochpreisinsel Schweiz mit sicherem Teuerungsausgleich und fast sicherer Reallohnerhöhung erhält die Steuerverwaltung auf diese Weise jedes Jahr höhere Steuern (welche die Politiker in der Absicht Wählerstimmen zu erhalten auch bereits wieder ausgegeben haben), und zwar auch ohne Erhöhung der Steuersätze. In Ergänzung dazu wird in die Trickkiste gegriffen. So wird beispielsweise der Eigenmietwert des Wohneigentums erhöht, indexiert über ganze Gebiete, und – was für ein Wunder – zusätzliche Einkommenssteuern fliessen auch ohne zusätzliche Einkommen. Sehr verwaltungseffizient.
Werden auf Druck der Bürgerlichen die Steuern gesenkt, sprechen linke Kreise von Steuergeschenken, die man sich nicht leisten könne. So kam es, dass der Kompromiss zwischen links und rechts bisher zum Ergebnis hatte, in erster Linie mehr Gratisbürger zu erhalten. Um die Steuerbelastung auf der Extrameile kümmerte sich niemand. Ehrgeizige (Klassenbeste) hat niemand so richtig gerne.
Der Staat wäre gut beraten, in erster Linie die Leistungswilligen zu fördern und nicht die Lebenskünstler
Wer seine Leistung reduziert und seine Lebensziele ändert („work life balance“), sollte das tun können, aber eben nicht zulasten der Leistungsträger. Doch was tun die Politiker in ihrem Kampf um Wählerstimmen?
Im Stehen erstarrt
Zwei Schritte nach links, ein Schritt nach rechts, zwei Schritte nach rechts, ein Schritt nach links. Doch da war man schon! Wer immer nach links schaut, vorprescht, dann leicht nachgibt, oder eben nach rechts vorprescht und dann nachgibt, hat den Kopf nicht frei für einen Schritt nach vorne. Und nur der Schritt nach vorne bewegt, verändert.
Die notorischen „Schrübeler“ sind ein Auslaufmodell
Gefragt sind neue Perspektiven, neue Horizonte, unverbrauchte Politiker. Politiker, die mehr oder weniger selbstlos die Schweiz für die nächsten Jahrzehnte fit trimmen wollen. Ohne Flickwerk. Die noch an Argumente glauben und ihr Heil nicht in der Parteitaktik suchen. Die neue Netzwerke bilden, über links und rechts hinaus, um das Treten an Ort zu überwinden, um den Schritt nach vorne zu wagen. Politiker die begeistern können.
Es muss sie geben, es gab sie immer. In dieser Erwartung:
Fundamente für das Steuerreform-Paket EL’FE
Das Reformpaket soll methodologisch ähnlich strukturiert sein wie die gescheiterte Unternehmenssteuerreform III: Mit einem Overruling für alle und einem Baukasten für die Kantone.
Fünf Massnahmen:
1. Bund und und Kantone senken die stark progressiven Steuersätze für steuerbare Einkommen zwischen CHF 100’000 und CHF 500’000. Ergänzend zimmern die Kantone einen Rahmen, um die Vorteile für Steuernomaden in Grenzen zu halten
Die kantonalen Unterschiede bei der Steuerbelastung der Leistungsträger sind gewaltig. Zwar soll der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen (und den Gemeinden) grundsätzlich erhalten bleiben, jedoch durch Leitplanken in engere Bahnen geführt werden.
2. Die Kantone unterstützen die Vermögensbildung durch ergänzende Steuererleichterungen. Der Vermögensertrag wird zum reduzierten Einkommenssteuersatz besteuert. Auf die Vermögenssteuer selbst ist zu verzichten
Dass viele erstens über kein Eigentum verfügen (mit Ausnahme der blockierten PK-Guthaben) und dieses zweitens sehr konzentriert bei wenigen liegt, ist ethisch untragbar und politisch brisant.
Leistungsträger wollen Eigentum. Eigentum fördert die Sicherheit, eine vorübergehende Arbeitslosigkeit zu überbrücken. Doch es soll keine massgeschneiderte Lösung für Leistungsträger alleine sein. Der Staat soll vielmehr verpflichtet werden, Eigentum über das bisherige hinaus für alle zu fördern, beispielsweise durch steuervorteilhafte Bausparmodelle.
Der Eigenmietwert als Steuerbasis für die Einkommenssteuer ist ersatzlos zu streichen. Ebenso die Vermögenssteuer. Der Vermögensertrag selbst wird zum hälftigen Einkommenssteuersatz besteuert.
Sparen soll sich wieder lohnen.
3. Die Altersrenten sind reduziert steuerpflichtig
wie das teilweise schon früher der Fall war. Diese Steuerwohltat trägt erstens der Entwicklung Rechnung, dass die Kaufkraft der Pensionierten laufend abnimmt (durch die vom Staat erwünschte Teuerung). Die Massnahme trägt zweitens dazu bei, dass das gesparte Vermögen länger ausreicht, um die überbordenden Kosten für Alters- und Pflegeheime zu decken. Und drittens wirkt sie als Korrektiv für voraussichtlich sinkende Altersrenten.
4. Die wegfallenden Steuererträge (aus den Massnahmen 1 bis 3) sind zu kompensieren durch eine eidg. Erbschaftssteuer (auch für Nahestehende) und eine Beteiligungsgewinnsteuer
Die Erbschaftssteuer (an Nahestehende) dient im Reformpaket als Kompensationsmassnahme. Sie ist in keiner Weise nur zusätzliche Quelle für Steuereinnahmen, wie linke Kreise dies heute immer wieder vorschlagen.
Von einer Kapitalgewinnsteuer wie früher ist abzusehen. Hat der Kleinaktionär den Mut, Wertpapiere zu kaufen und Risiken einzugehen, soll er unterstützt und nicht steuerlich bestraft werden. Hingegen ist es wenig verständlich, dass Grossaktionäre beim Verkauf von ganzen Beteiligungspaketen Milliardengewinne einstreichen ohne jede Steuerfolgen. Denn hinter den Milliardengewinnen stehen in der Regel Tausende von Mitarbeitern und nicht nur Ankeraktionäre. Mit der Beteiligungsgewinnsteuer (für nicht Buchführungspflichtige) geht ein Teil der Gewinnschöpfung an die Allgemeinheit zurück.
5. Auf Unternehmenssteuern ist zu verzichten
Unternehmenssteuern sind in der Schweizer Bevölkerung vom Grundsatz her unbestritten. Die Mehrheit geht davon aus, dass damit die Steuerlast der natürlichen Personen entlastet werde bzw. eine Senkung der Unternehmenssteuern zu einer höheren Belastung der natürlichen Personen führen müsste. Diese Hypothese war im Übrigen ein im Vordergrund stehendes Kriterium im Kampf gegen die Unternehmenssteuerreform III. Sie beruht auf einem kapitalen Denkfehler, der jedoch nicht ganz einfach nachzuweisen ist.(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Es sind immer die Stakeholder, welche die Steuern tragen, allerdings ohne es bewusst zu tun. Die Kunden bezahlen mehr, die Mitarbeiter und Aktionäre erhalten weniger.
Folgerichtig könnte man die Steuern der natürlichen Personen leicht anheben und auf die Unternehmenssteuern ganz verzichten. Dann bezahlt der Konsument weniger für die Produkte und Dienstleistungen, alternativ erhält der Mitarbeiter mehr Lohn und der Aktionär mehr Dividende (vgl. dazu auch: Auf Unternehmenssteuern sollte verzichtet werden, Pierre Bessard in Finanz und Wirtschaft vom 01. 02. 2017). Pierre Bessard sagt zu Recht, dass über die Unternehmenssteuern die wahre Belastung verschleiert wird, was zwar im Interesse des Staates liegen mag, der Steuerpflichtige die volle Steuerbelastung jedoch unterschätzt.(Klicken Sie zum Weiterlesen)
Die Vorteile wären gewaltig. Bei einem vollen Steuerverzicht würden erstens die internationalen Wettbewerbsvorteile für in der Schweiz ansässige Unternehmen dramatisch zunehmen. Eine Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III wäre obsolet. Zweitens würden die Unternehmen im administrativen Bereich stark entlastet. Drittens ist es die primäre Aufgabe der Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen und leistungsgerechte Löhne zu bezahlen, und nicht die Ausgaben des Staates zu finanzieren. Und viertens könnten Bund und Kantone massiv an Verwaltungskosten einsparen.
Der Weg zum Erfolg ist steinig, die Übergangslösungen
Ohne Zweifel, die Kunst liegt im Detail. Und ohne Planrechnungen geht es auch nicht. Übergangslösungen erleichtern die politische Machbarkeit. Damit die Steuerparadiese nicht von heute auf morgen entvölkert werden, sind stufenweise Anpassungen vorzusehen, im gleichen Zug Steuerhöllen zu entlasten.
Wer bisher Jahr für Jahr, ein Leben lang, Vermögenssteuern bezahlt hat, darf mit der neuen Erbschaftssteuer nicht doppelbesteuert werden. Gestreckte Übergangslösungen sollen dies verhindern (beispielsweise eine nach Jahren gestaffelte Erhöhung der Erbschaftssteuersätze oder eine Anrechnung der bisher bezahlten Vermögenssteuern an die Erbschaftssteuern). Mit der Digitalisierung von heute sind Lösungen möglich, die verwaltungstechnisch früher undenkbar waren.
Gestandene Berufspolitiker werden der Auffassung sein, ein Steuerreform-Paket der skizzierten Art gehöre in die Märchenwelt der Fabelwesen. EL’FE ist ein solches Fabelwesen: Ein weibliches Geschöpf mit Zauberkraft.
In einem Land der „Schrübeler“, wo alle Lösungen über Kompromisse gesucht werden, seien fundamentale Eingriffe in bestehende Strukturen reines Wunschdenken. Vermutlich schon. Wir sagen zwar, Frankreich sei reformunfähig, Italien auch, Griechenland sowieso, doch die Schweiz …
Eben: Und das Steuerrefom-Paket hat eine einfache, verständliche und klar definierte Botschaft:
EL’FE
Entlastung der Leistungsträger ‚ Förderung der Eigentumsbildung
Der Wunsch nach Anerkennung der persönlichen Leistung auf der einen Seite und nach einem gewissen Vermögen auf der anderen Seite ist eine starke Plattform für ein Generationenprojekt. Der über Jahrzehnte gewachsene und vielfältigen Interessen tragende Dschungel an Steuergesetzen, -verordnungen und -entscheiden würde fundamental aufgeforstet.
Vorbehalt
Mit verständlichen Aussagen und klar formulierten Empfehlungen riskiert man, „aus dem Zusammenhang“ zitiert zu werden. Ich bin nicht für die Einführung einer Erbschaftssteuer (für Nahestehende) und nicht für die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer als solche. Ich bin für diese Massnahmen nur und ausschliesslich als Gegenfinanzierung für die steuerliche Entlastung der Leistungsträger, für den Verzicht auf die Vermögenssteuer und den Verzicht auf die Vermögensertragssteuer zum vollen Einkommenssteuersatz.
Ich bin für die Vermögensbildung auch für jene, die dazu bisher nicht in der Lage waren
Und ein Ausblick auf demnächst
Die aufgeführten Argumente zum Steuerreform-Paket kommen nicht aus dem politisch linken oder rechten Minenfeld. Massgabend waren ethische und staatspolitische Überlegungen. Doch es ist eine Binsenwahrheit, dass mit Argumenten keine Schlacht gewonnen wird, der politische Lösungsprozess folgt anderen Gesetzen.
Lobbying – die Unwucht der Argumente
16.05.2017/Renzo Zbinden