Das Steueruniversum des Rodolfo Buletti

Steuern Schweiz Teil 1: Das Steueruniversum

Die Steuer ist eine Geldleistung einer natürlichen (oder juristischen) steuerpflichtigen Person ohne Anspruch auf eine individuelle Gegenleistung, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen erhebt. Die Kompetenz Steuern zu erheben liegt in der Schweiz beim Bund, den Kantonen und den Gemeinden. Steuerobjekt ist der Tatbestand, der die Steuer auslöst. Steuersubjet ist u.a.

“ Herr Buletti, etwas stimmt nicht!“

Rodolfo Buletti aus Magliaso ist Ihnen bekannt aus dem Beitrag „Bürger Glas Klar“. Die Steuerveranlagungsbehörde hat ihn beim Versuch ertappt, unversteuertes „schwarzes“ Vermögen über die Steuererklärung „weiss“ zu waschen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der IT-generierte Vermögensnachweis der Veranlagungsbehörde über die letzten zwei Jahresendstichtage (31. Dezember) hat einen Vermögenszugang von 300’000 Franken ergeben, den Rodolfo Buletti mit seinem deklarierten Einkommen nicht erklären konnte. Die Steuerbehörde hat ein Verfahren eröffnet.

Es war immer der grosse Traum von Rodolfo Buletti ein eigenes Haus zu bauen – spätestens dann, wenn sein zweiter Traum in Erfüllung ging, Kinder zu haben. Nun war es soweit, Zwillinge, und Rodolfo Buletti machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Im Norden von Lugano in der Nähe von Cadro fand er ein wunderbares Grundstück „da vendere“. Er sah sich schon auf der eigenen Terrasse stehen mit einem Glas Merlot bianco in der Hand, die Kinder im Garten auf dem Trampolin, den Sonnenuntergang über dem Monte San Salvatore. Dieses Grundstück musste es sein, kein anderes, und zwar subito.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Familie Buletti hat hart gearbeitet, Stella Buletti gab privaten Italienischunterricht für Deutschschweizer, Rodolfo am späten Abend und über das Wochenende Rechtsberatung für Kunden einer Immobilienverwaltung. Alles unversteuert, so ähnlich wie es ihre Freunde und Freundinnen auch taten. Auf diese Weise summierten sich über wenige Jahre 300’000 Franken auf „schwarzen“ Konten, das Grundkapital für das neue Eigenheim.

Die Schweiz kennt kein steuerbegünstigtes Ansparen für Eigenheime. Rodolfo Buletti wusste, dass bei einem deklarierten Nebenerwerb von 300’000 Franken schon einmal 20 bis 30 Prozent Steuern fällig würden. Sein Pech war, dass er übersehen hat, dass die Veranlagungsbehörde regelmässig oder in Stichproben einen Vermögensabgleich mit dem Vorjahr vornimmt. Er war überhaupt, trotz seiner Ausbildung als Rechtsanwalt, schlecht informiert, welche weiteren Steuertatbestände er als angehender Hausbesitzer noch auslösen sollte.

Die Milchkuh Eigenheim – Erstwohnsitz

Der Schweizer Eigenheimbesitzer fällt in eine tiefe Steuergrube. Was einem Ausländer fast nicht zu erklären ist – versuchen Sie es einmal, es fallen ihm fast die Augen aus dem Kopf: Das mehrheitlich über Schulden finanzierte Eigenheim wirkt sich auf die Einkommenssteuersituation des Besitzers aus wie eine massive Lohnerhöhung. Doch davon später. Vorerst einmal kassiert der Fiskus während der Bauzeit

  • die Handänderungsabgabe auf dem Grundstück (vom Verkäufer überwälzt)
  • die Mehrwertsteuern auf den Baukosten
  • Gebühren (wie Baubewilligung, Anschlussgebühren u.a.)

Einmal sesshaft dreht sich das Gebührenkarussel weiter: Gebühren für die Kehricht- und Abwasserentsorgung, für die Strassenbeleuchtung und -reinigung, für den Strassen- und Schwellenunterhalt, Grundgebühren für Wasser und Strom, Kehrichtsackgebühren u.a. Dazu kommen

  • die Vermögenssteuer auf dem „amtlichen“ Wert
  • die Liegenschaftssteuer auf dem „amtlichen“ Wert (nur in gewissen Kantonen – von der Bemessungsgrundlage her eine Doppelbesteuerung)

und die erwähnten Einkommenssteuern auf dem Eigenmietwert.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Dafür darf der stolze Wohnbesitzer die heute bescheidenen Hypothekarzinsen vom Einkommen abziehen (nicht aber die Bauzinsen während der Bauzeit), sowie die pauschalen  Unterhaltskosten im Rahmen von 10 bis 20% vom Eigenmietwert (in den ersten Jahren fallen kaum zusätzliche Unterhaltskosten an, die später als effektive Kosten abzugsfähig sind). Sollte er einmal verkaufen wollen oder müssen, fallen zusätzlich die Grundstückgewinnsteuern an (ohne Ersatzbeschaffung).

Die Abschaffung des Eigenmietwerts steht schon seit Jahren in jeder politischen Agenda. Bisherige Versuche sind kläglich gescheitert(Klicken Sie zum Weiterlesen)

in erster Linie deshalb, weil die politischen Vorstösse überladen waren (die Abzugsfähigkeit der Unterhaltskosten sollte weiter möglich sein). Was hingegen wissentlich oder unwissentlich übergangen wird ist die Absicht der Politiker, den Eigenmietwert auf dem Zweitwohnsitz zu belassen und nicht zu streichen. Und nicht nur das, es zeichnet sich eine brachiale neue Tendenz ab. Der Kanton Tessin als Beispiel besteuert den Zweitwohnsitz (sekundäres Steuerdomizil) über die Bewertungsprinzipien höher als den Erstwohnsitz. Dazu wurde für Zweitwohnbesitzer per Dekret vom 9. Dezember 2009 der Eigenmietwert (bisher rund 70% der mutmasslichen Miete) umgerechnet auf 100%. Das entspricht einer Eigenmietwerterhöhung von 42,9%, ohne formelle Eröffnung und Rechtsmittelbelehrung und erst noch rückwirkend. Da nur über die Veranlagungsverfügung sichtbar (bzw. die Steuerausscheidung) haben es viele gar nicht gemerkt! Und die Erstwohnbesitzer haben sich erst noch gefreut, dass die Steuererhöhung nur „Ausländer“ betraf. Ein Vorbild für andere Kantone?

Zweitwohnsitz

Erfüllt sich ein sparsamer Rentner mit Hausbesitz seinen Traum, am Lebensabend eine Zweitwohnung in der Sonnenstube der Schweiz oder im Berner Oberland zu besitzen, auch er mit einem Glas Rotwein auf der Veranda, wird ihm kaum jemand sagen, dass der summierte Eigenmietwert über zwei Objekte schnell einmal 50’000 Franken überschreiten könnte. Nicht nur sind zusätzliche „Einkommenssteuern“ auf diesen 50’000 Franken fällig (abzüglich Zinsen und Unterhaltskosten), seine Rente wird auch noch höher besteuert als bisher, da der Eigenmietwert kantonsüberschreitend zur Steuersatzbestimmung herangezogen wird.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Es rechnet sich kaum noch. Die Steuererhöhung bei der stark progressiven Bundessteuer überrascht. Doch sagen Sie es nicht weiter, lassen Sie ihm seinen Traum.

Der Steuerpflichtige darf ungestraft in Kunstsammlungen investieren, einen Wagenpark unterhalten, Schiffe und Flugzeuge erwerben (oder sich anderswie verlustieren), Einkommenssteuern ohne Einkommen löst nur Wohnbesitz aus. Eigentlich sollte der Staat ein Interesse daran haben, dass möglichts viele Einwohner Wohnbesitz erwerben. Zukünftiger Wohnbesitz fördert den Sparwillen, Wohnbesitz begünstigt die Eigenverantwortung, bindet den Eigentümer an den Staat und verzögert am Lebensende den Gang in die subventionierten Altersheime. Doch die Schweizer Neidkultur verhindert eine steuerlich bevorzugte Stellung der Wohnbesitzer. Sie werden im Gegenteil zur Milchkuh der Nation.

Satzbestimmend

Der Eigenmietwert erhöht ausserdem den Steuersatz auf dem übrigen Einkommen, wie erwähnt am Beispiel der Rente. Über mehrere Jahre aufsummiert ergeben sich auf diese Weise beeindruckende Steuerlasten. Ausserdem wird der Eigenmietwert der Marktentwicklung laufend angepasst (am einfachsten über einen Index, erspart die Berechnung im Einzelfall) und zwar auch dann noch, wenn der Wohnbesitzeigentümer längst in Pension und sein Ersatzeinkommen „eingefroren“ ist. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) wird dann zur Makulatur.

Doch für die Steuersituation des Rodolfo Buletti sind weitere steuerrelevante Faktoren massgeblich:

Die gedeckelte AHV

Rodolfo Buletti ist Rechtsberater in einem mittelgrossen Versicherungskonzern. Sein Gehalt unterliegt der Einkommenssteuer. Vom Bruttogehalt abgezogen werden ihm die AHV-Beiträge (Arbeitnehmeranteil). Soweit diese Beiträge seine zukünftigen AHV-Ansprüche übersteigen bzw. nicht mehr rentenbildend sind, entsprechen diese einer ergänzenden Einkommenssteuer.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Kaum jemand nimmt zur Kenntnis, dass bei Spitzenlöhnen im Top-Management dieser Anteil bedeutend ist. Noch weniger bekannt, dass in vielen Fällen der Arbeitgeber die volle AHV übernimmt, also auch den Arbeitnehmeranteil. Hat ein CEO einer börsenkotierten Gesellschaft ein Gehalt plus Bonus von 20 Mio Franken, gehen rund 2 Mio Franken an die AHV-Ausgleichskasse, der rentenbildende Anteil dabei wäre gering.

Die Auswirkungen der Steuerprogression

Der Grenzsteuersatz entspricht dem Steuersatz, mit dem die nächste Einheit der Steuerbemessungsgrundlage belastet wird. Der Grenzsteuersatz drückt mit anderen Worten aus, welcher Anteil eines zusätzlich verdienten Frankens als Steuer abgeführt wird. Bei Gutverdienenden gehen inklusive AHV im Kantonshauptort Zürich für einen Franken Mehrverdienst rund 50 Rappen an den Fiskus.

Erhält Rodolfo Buletti eine Gehaltserhöhung, kommt je nach Ausmass ein höherer Steuersatz zur Anwendung, der als Folge auch die Steuerbelastung auf dem bisherigen Gehalt erhöht (Auswirkungen wie beim Erwerb von Wohnbesitz). Dient die Gehaltserhöhung dem Ausgleich der Teuerung, verbleibt ihm real und nach Abzug der Steuern weniger als vor der Gehaltserhöhung.

Die Folgen der kalten Progression

Primär betroffen sind Beiträge an die Krankenkasse. Wer sich noch an die sechziger und siebziger Jahre erinnert: die Limite für den Abzug der Prämien lag meistens über den tatsächlich bezahlten Beiträgen. Doch heute liegen die Limiten krass unter den bezahlten Beiträgen. Der Steuerpflichtige hat weniger zur Verfügung, das steuerbare Einkommen nimmt jedoch nicht proportional dazu ab.

Ähnliches gilt für alle abzugsberechtigten Ausgaben und alle persönlichen und sozialen Abzüge die nicht voll der Teuerung angepasst werden. Zieht man die Teuerung der letzten 20 Jahren in Erwägung (Hochpreisinsel Schweiz) wird unmissverständlich sichtbar, dass die kalte Progression über all die Jahre zu einer massiven Steuererhöhung führte.

Zu den erwähnten direkten Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Grundstückgewinnsteuer) hinzu kommen noch die Kirchensteuer, die Wehrpflichtersatzabgabe, die Verrechnungssteuer und die Besteuerung von Wertschriften und Versicherungen, die Motorfahrzeugsteuer, die Hundesteuer sowie die indirekten Verbrauchssteuern des Bundes wie die Mehrwertsteuer, die Biersteuer und die Steuer auf Spirituosen (Alkoholsteuer), die Tabaksteuer, die Mineralölsteuer (Benzinsteuer), die Zölle …Im Steueruniversum des Rodolfo Buletti hat es auch noch Platz für zukünftige Strafsteuern. Sie tragen moderate Begriffe wie Mobility Pricing oder Energie-Lenkungsabgaben. Hier nicht in Erwähnung kommen die Steuern der Unternehmer wie die Liquidationssteuer.

Steuern, nichts als Steuern. Sie sorgen dafür, dass die Schweizer die Bodenhaftung behalten. Doch merkwürdig: alle sagen, im Vergleich zum Ausland sei die Schweiz noch ein Steuerparadies! Dabei wird Wesentliches verschwiegen.

 

Wussten Sie,

dass viele Nachbarstaaten keine Vermögenssteuer erheben

Als junger Hausbesitzer mit Familie ist das Nettovermögen von Rodolfo Buletti gering. Die Vermögenssteuern sind für ihn noch eine „quantité négligeable“. Das wird sich ändern. Er macht Karriere und erspart sich ein für seine Verhältnisse grosses Wertschriftenportefeuille, nicht zuletzt auch deshalb, weil im oberen Kader des Versicherungskonzerns „hire and fire“ zur Tagesordnung gehören. Sein Erspartes ist für ihn seine Sicherheit bei einem allfälligen Verlust der Arbeitsstelle.

Bei einem konstanten Vermögen wird das Vermögen jedes Jahr von neuem besteuert, immer wieder. Bei einer angenommenen Vermögenssteuer von 1 Prozent und einer Lebenserwartung von 85 Jahren wird ein grosser Teil seines Vermögens wegbesteuert. Denn die Vermögenssteuer wird auch erhoben falls keine Rendite oder kein Vermögensgewinn erzielt werden konnte. Kurz: die Vermögenssteuer zehrt an der Substanz und untergräbt den Sparwillen.

Dafür entfällt bei den meisten Kantonen die Erbschaftssteuer an die direkten Nachkommen (und nur an diese).

Viele OECD-Staaten verzichten auf eine Vermögenssteuer und erheben stattdessen eine Erbschaftssteuer. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Schweiz in naher Zukunft wieder beides hat (der Abstimmungskampf über die Initiative für die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer ist in Sichtweite).

Die Vermögenssteuer wird in allen Kantonen erhoben und brachte dem Fiskus im Jahr 2013 5,7 Milliarden Franken (Eine Schweizer Besonderheit mit hoher Bedeutung: Der Bund vom 26. Mai 2015).

Eine Übersicht über die Nachbarstaaten zeigt eindrucksvoll, wie wenige Staaten in Europa eine Vermögenssteuer erheben. Die Politiker mit Umverteilungszielen verschweigen es einfach. Schauen Sie es an: Vermögenssteuer

viele OECD-Staaten ganz auf die Besteuerung der Vermögenserträge verzichten oder diese reduziert besteuern

In der Schweiz werden die Vermögenserträge ungekürzt in das steuerbare Einkommen übernommen. Die Verrechnungssteuer sorgt dafür, dass schwarze Vermögenserträge mit 35% besteuert werden.

Einige OECD-Staaten verzichten nicht nur auf die Besteuerung des Vermögens sondern auch auf die Besteuerung der Vermögenserträge. Wieder andere Staaten besteuern die Vermögenserträge nur in etwa halb so hoch wie das Erwerbseinkommen. Im Grunde der Dinge kompensieren die Vermögenserträge ganz oder teilweise die Entwertung des Vermögens als Folge der Inflation. Die volle Besteuerung in inflationären Zeiten enteignet die Steuersubjekte.

Dividenden von Aktiengesellschaften doppelt besteuert werden

Die Schweiz ist einer der letzten OECD-Staaten mit Doppelbesteuerung. Was heisst das? Der Reingewinn der Aktiengesellschaften wird ein erstes Mal bei der Gesellschaft besteuert und dann ein zweites Mal beim Aktionär.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Von der gekürzten Besteuerung bei sog. qualifizierten Beteiligungen – die im übrigen stark umstritten ist und in nächster Zeit vermutlich gestrichen wird – können nur wenige Aktionäre Nutzen ziehen (u.a. Grossaktionäre von KMU’s).

Viele Staaten kennen die Steueranrechnung und vermeiden auf diese Weise die Doppelbesteuerung.

Rodolfo Buletti wird auch einmal in Rente gehen.

das Renteneinkommen (Ersatzeinkommen) voll erfasst wird

Junge Steuerpflichtige werden sich fragen, weshalb beim Ersatzeinkommen (Renten und Pensionen) die Frage zu beantworten ist, ob diese zu 100% oder zu tieferen Prozenten steuerbar sei. Noch vor wenigen Jahren war das Renteneinkommen gekürzt steuerpflichtig. Und ältere Steuerpflichtige können noch heute die direkte Bundessteuer mit 80% des steuerbaren Einkommens versteuern.

Viele Nachbarstaaten erfassen das Ersatzeinkommen reduziert, auch wenn eine Tendenz dazu besteht, diese Steuerwohltat zu kürzen.

Die Schweiz – ein üppiges Steueruniversum

Wer bei der Schweiz von einem Steuerparadies spricht, hat entweder ein niedriges Einkommen (viele zahlen praktisch keine Steuern), ist sog. pauschaliert steuerpflichtig, wohnt in einem Kanton mit tiefen Steuersätzen oder sieht die Zusammenhänge nicht. Dem weniger Informierten sei hier noch einmal gesagt, dass

  • die Eigenmietwertbesteuerung in dieser Form einmalig ist
  • die AHV für Gutverdienende zur Ergänzungssteuer wird
  • der Teuerungsausgleich den Steuersatz laufend erhöht
  • die Berufsausgaben und die persönlichen und sozialen Abzüge nur teilweise der Teuerung angeglichen werden (kalte Progression)
  • viele Nachbarstaaten keine Vermögenssteuern erheben
  • viele OECD-Staaten die Vermögenserträge nicht oder nur teilweise besteuern
  • nur noch wenige OECD-Staaten die Doppelbesteuerung bei Dividenden kennen
  • viele OECD-Staaten Renteneinkommen ermässigt besteuern

Ein Vergleich zwischen den Staaten sollte natürlich auch noch beinhalten, was der Staat dem Steuersubjekt als Entgelt zukommen lässt, namentlich im Bereich des Gesundheitswesens (Arztkosten und Spitalaufenthalte) und der Ausbildung.

Wer im oberen Mittelstand steuerpflichtig ist erlebt bei zunehmendem Einkommen eines der progessivsten Steuersysteme Europas. Nur die Mehrwertsteuer sieht noch bescheiden aus. Hier gilt jedoch anzumerken, dass in vielen Staaten das Erheben von direkten Steuern schwierig ist (Griechenland als Beispiel, oder Italien, Spanien) und der Fokus bei diesen Ländern auf den indirekten Steuern (Mehrwertsteuern u.a.) liegen muss.

Das hier aufgezeigte Steueruniversum bildet die Bemessungsgrundlage zur Erhebung der Steuern. Wer überhaupt und wieviel Steuern bezahlt ist Gegenstand von Steuern Schweiz Teil 2: Die Leistungsträger in der Steuerfalle

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 3: Der Staat – Regisseur und Kulissenschieber an vorderster Preisfront

Wir wähnen uns in einer offenen und freien Marktwirtschaft – gehütet von und gebettet in einer sozialen Wirtschaftsordnung. Die Preisfindung findet am Markt statt, wo sich Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen treffen – bei weitgehender Gewerbefreiheit. Drängt sich eine Unternehmung vor und strebt nach Marktbeherrschung, wird sie im Rahmen der Wettbewerbspolitik zurückgebunden.

Ziemlich einfältig diese Vorstellung. Viele bis sehr viele Verkaufspreise sind nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Und immer öfter legt der Staat selbst Hand an und administriert die Preisfindung und -bildung aus  unterschiedlichen „staatspolitischen“ Motiven.

In seiner Funktion als marktmächtiger Anbieter (und Preisbilder) von Gütern und Dienstleistungen bestimmt der Staat über die Sozial-, Steuer- und Wirtschaftspolitik die Preise und beeinflusst auf diese Weise die Ausgaben der Haushalte (und deren Vermögensbildung) auf massivste Weise. Die Konsumenten merken es nicht oder kaum. Sie suchen die Schuldigen in der Privatwirtschaft und enervieren sich an Einzelbeispielen (wie an den überhöhten Preisen bei Kosmetika und Zeitschriften) und rufen nach dem Preisüberwacher.

Es fehlt der Blick aufs Ganze, der Überblick. Das ist vielen recht so. Das Tun oder Lassen des Staates, seine Verantwortung in Bezug auf das Hochpreisniveau Schweiz wird von mächtigen politischen und wirtschaftlichen Kreisen mit Erfolg totgeschwiegen. Ein ausführliches Beispiel dazu: die preistreibende asymmetrische Interessendurchsetzung zugunsten der Bauern.

Der Mythos Bauern – eine nostalgische Verklärung

Ein Berner Bauernhof geschmückt mit rosaroten Geranien auf einer sattgrünen Wiese, umgeben von einem Gewürz- und Gemüsegarten, im Hintergrund ein Steinbrunnen vor dunkelgrünem Wald, kontrastreich zum Dunkelblau der fernen Berge. Eine Wegkrümmung im Vordergrund, Kuhglocken, sonst absolute Stille, frische Luft. Ein Naherholungsgebiet für Städter die über das Wochenende das gesunde Landleben suchen, noch einmal auftanken vor einer intensiven Arbeitswoche.

Die Schweiz und seine Bauern – eine Liebesbeziehung?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Waren wir nicht alle einmal Bauern? Haben nicht die Bauern die Urschweiz errichtet und mit ihrem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit den Grundstein für unsere heutige Staatsform gelegt? Wir brauchen kein Königshaus, keinen repräsentierenden Staatspräsidenten, keine regierungsführende Partei, wir sehen uns als Fortsetzung der selbständigen, unabhängigen, unbequemen und unternehmerisch auftretenden Altbauern.

Das Schweizer Volk hat immer wieder bewiesen, dass es dem Bauernstand wohlwollend gesinnt ist. Es darf schon etwas kosten. Wieviel? Die finanziellen direkten und erst recht die Folgekosten will niemand so richtig zur Kenntnis nehmen. Und die Bauern von heute haben es verstanden der Schweizer Bevölkerung einzureden, dass die staatliche Förderung unerlässlich sei für die Qualitätssicherheit (die Schweizer Bevölkerung soll vor minderwertigen ausländischen Erzeugnissen geschützt werden). Bei der Versorgungssicherheit ist der Nachweis schon etwas schwieriger, bei der Erhaltung der Kulturlandschaft sind sich dann wieder alle einig: keine Abstriche. Der Wunsch nach dezentraler Besiedelung und „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ ist sogar in der Bundesverfassung verankert (Art. 104). Auch der Tierschutz ist ein grosses Anliegen.

Darf es etwas mehr sein?

Die Beiträge für die Landwirtschaft erbringt die Schweizer Bevölkerung zum einen über den Konsum landwirtschaftlicher Produkte und zum andern als Steuerzahler. Und das ist nicht wenig und nicht ohne Folgen. Was die Haushalte für Nahrungsmittel ausgeben kürzt ihre übrigen Ausgaben, was an Steuern in die Landwirtschaft fliesst fehlt an anderer Stelle (zum Beispiel für die Unterstützung und Entwicklung anderer Berufstätigkeiten und Industriezweige). An dieser Stelle darf nicht fehlen hervorzuheben, dass die Landwirtschaft (im Rahmen des primären Sektors) bisher stark und weiter in Zukunft an Bedeutung verloren hat bzw. verlieren wird, was an sich alle wissen und niemanden überrascht. Weniger bekannt sind jedoch die harten Fakten und Relationen, die von unabhängigen Dritten erhoben wurden(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Aus dem OECD-Länderbericht 2015 zur Schweizer Landwirtschaft geht hervor, dass

  • ihr Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) auf unter 1 Prozent geschrumpft ist
  • ihr Beschäftigungsanteil in etwa 3-4 Prozent beträgt
  • über 60% des landwirtschaftlichen Einkommens vom Staat kommt
  • die Verkaufspreise ihrer Güter rund 40% über dem Weltmarktniveau liegen

Konkret: Rund 53’000 Bauern erhalten 2,8 Mia Franken an Direktzahlungen (um die Vernebelung weiter zu begünstigen nennt man diese neu unverfänglich „Beiträge für Versorgungssicherheit“. Gemäss OECD Bericht kommen hinzu über 2 Mia Franken für den „Grenzschutz“ (der landwirtschaftlichen Güter). Und weiter: der Staat gewährt massgeschneiderte Privilegien für die Landwirtschaft bezüglich:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • Eigenmietwert: Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids aus dem Jahre 1993 erhalten die Bauern einen tieferen Eigenmietwert, sie nennen es „Vorzugsmietwert“
  • Mehrwertsteuer: Bauern sind beim Verkauf ihrer eigenen Produkte mehrwertsteuerbefreit (auch bei Einnahmen über CHF 100’000)
  • Mineralölsteuer: Bauern erhalten Rückvergütungen auf der Besteuerung der Treibstoffe
  • Grundstückgewinne: Baulandbauern erhalten Steuerprivilegien auf Grundstückgewinnen
  • Familienzulagen: Für die Bauern werden diese von der öffentlichen Hand finanziert (im Gegensatz zu den nichtlandwirtschaftlichen Betrieben)

Ist es richtig, in einen an Bedeutung abnehmenden Berufsstand Mittel im bisherigen Ausmass zu investieren, die für die Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze fehlen?

Unter Heimatschutz: Wie weit darf die asymmetrische Mittelzuwendung gehen?

Die schweizerische Agrarpolitik bezweckt in erster Linie das Existenzrecht der Bauern zu sichern. Je nach statistischen Angaben und weiteren Annahmen liegen die Kosten für diese Strukturpoltik ingesamt zwischen 6 und 7 Mia Franken pro Jahr. Zusätzlich zu diesen Kosten fallen Kosten an als Kollateralschäden der Agrarpolitik, die empirisch nicht erhoben werden aber beeindruckend und aussergewöhnlich sein sollten (Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • in der benachbarten Agrar- und Nahrungsmittelindustrie: sie übernimmt überhöhte Kosten auf inländische Rohstoffe, was sie im Export benachteiligt
  • im Tourismus und im Gastgewerbe: überteuerte Nahrungsmittel sind namentlich in Grenzgebieten verhängnisvoll
  • im Detailhandel: enormer Kaufkraftabfluss ins Ausland für Geschäfte in Grenznähe
  • bei den Freihandelsabkommen: im vornherein torpediert ohne Rücksicht auf industrielle Vorteile (Beispiele das abgebrochene Freihandelsabkommen mit den USA und die zur Zeit laufende Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP)

Als Ausgleich für die agrarprotektionistisch überteuerten Milch- und Getreiderohstoffe erhalten die Schweizer Konzerne Nestlé, Emmi, Lindt & Sprüngli  Exportsubventionen in Millionenhöhe (Schoggigesetz). Und es ist nicht lange her, da wollten 109 von 200 Nationalräten das schwer erkämpfte Cassis-de-Dijon Prinzip bodigen. Oder man verfolge aktuell die Vorstösse der Bauernlobby im Zusammenhang mit dem Stabilisierungsprogramm 2017 – 2019. Gemeinsam mit Norwegen, Südkorea und Japan ist die Schweiz in der Spitzengruppe der Agrarprotektionisten anzutreffen. Wer tut etwas dagegen? Auch die Grossverteiler Migros und Coop halten sich bedeckt und setzen sich wenig wahrnehmbar zugunsten ihrer Kunden ein. Höhere Margen auf ihren Produkten liegen ihnen wohl näher.

Das Paralleluniversum der Bauernlobby

Die Macht der Bauern ist gewaltig, der Zorn der Bauern furchtbar. Wer sich ihnen entgegenstellt, hat eigentlich schon verloren. Das wissen die Parlamentarier. Keine Partei wagt es, gegen die mächtigen Interessenorganisationen anzutreten. Und der Agrarsektor in Bund und Kanton beschäftigt inzwischen ein ganzes Heer von Mitarbeitern. Sie werden sich hüten, die Finanzströme zu kappen. Im Gegenteil, ihre Regulierungsliebe ist grenzenlos:

So erhalten die Bauern sog. Landschaftsqualitätsbeiträge, erarbeitet vom Bundesamt für Landwirtschaft in enger Zusammenarbeit mit der Vereinigung Agridea, hinter welcher der Schweizer Bauernverband (SBV), kantonale Landwirtschaftsämter und die Forschungsanstalt Agroscope stehen sollen. Nach dem Beobachter 20/2016 schrieben sie „schon 2010 ein Drehbuch, wie die Bauern dereinst solche Gelder abholen könnten“. Doch es blieb nicht bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen. Hinzu kommen Beiträge für Biodiversität (zur Förderung der Artenvielfalt und der Lebensräume) und Beiträge zur Pflege der Kulturlandschaft, wenn sie (wieder nach dem Beobachter 20/2016) das Land nicht verwalden und das Vieh auf die Alp lassen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

3 Franken pro Jahr gibts für jeden grösseren Zürcher Steinhaufen. Ein Findling bringt jährlich 100 Franken ein. 67 Eichen pflanzen – und innert fünf Jahren rund 30’000 Franken ernten

Weitere Beiträge fliessen für besondere naturnahe, umwelt- und tiergerechte Produktion. Dabei gibt es den typischen Bauern gar nicht. Gemüsebauer, Milchwirtschaftsbauer, Bio-Bauer, Bergbauer, sie haben unterschiedliche Probleme zu lösen. Doch in der politischen Öffentlichkeit treten sie mit einer Stimme auf, fordern mit viel Druck. Das Lobbying der Bauern ist erschreckend professionell. Ein Fünftel aller National- und Ständeräte hat eine Verbindung zur Landwirtschaft. Lobbygruppen befassen sich mit Futtermittel, Geflügelzucht, Viehwirtschaft, Milchwirtschaft, Obstwirtschaft, Weinbau/Bier/Spirituosen, Produktion/Handel, Promotion/Marketing, Wald und Holzwirtschaft, Kleinbauern.

National- und Ständebauern: Wer mit wem und wie und was – der Beobachter 20/2016 hat ergründet und enthüllt (interaktive Infografic des Beobachter). – Klicken Sie auf „START“, um das Netzwerk der Parlamentarier zur Landwirtschaft kennen zu lernen.

Agrarprotektionisten: Powerplay versus Rücksicht und Verständnis

Das Selbstverständnis der Ansprüche ist erschreckend. Dabei sind nicht alle Bauern Subventionsempfänger in gleicher Weise, es sind in erster Linie grosse Landwirtschaftsbetriebe in Tal- und Hügelgebieten und nicht Kleinbauern im Alpenraum. Doch mit ihrem Powerplay riskieren die Bauern insgesamt ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren. Von „Ausbeuten“ ist schon die Rede. Die vom Bauernverband und der SVP lancierte Volksinitiative „Für Ernährungssicherheit“ zeigt aktuell, wie unerbittlich die Anspruchshaltung daherkommt und wie biegsam sich die Räte in der grossen Kammer verhalten. Man kann es drehen wie man will: es geht um die krude Besitzstandswahrung.

Alle wissen, über alle Generationen und Besitzstände hinweg, dass die Schweiz vor enormen wirtschaftlichen Veränderungen steht und diese bewältigen muss. Das Lädelisterben war nicht aufzuhalten, Bankfilialen wurden ausgedünnt, Postfilialen ebenso. In diesen schwierigen Zeiten muss der Staat mithelfen, Übergangslösungen zu finanzieren. Diesen Anspruch hatten und dürfen auch die Bauern haben, und zwar als Überbrückungsmassnahme, nicht zur Strukturerhaltung. Angehende Jungbauern müssen ihr wirtschaftliches Umfeld kennen, den Markt für ihre Produkte und Dienstleistungen, wie andere Jungunternehmer auch. Die Perspektive mag rosig erscheinen, ein allfälliges Scheitern aber in Erwägung gezogen werden.

Durch die Industrie 4.00 werden in den nächsten Jahren je nach Schätzung eine grosse bis sehr grosse Anzahl von Arbeitsstellen im administrativen Sektor verloren gehen. Die Bauern werden nicht helfen können. Und was sind die Massnahmen und wo sind die Mittel bei einer zukünftigen Jugendarbeitslosigkeit.

Es sei hier in keiner Weise angedeutet, die Bauern seien die Hauptschuldigen für die Hochpreisinsel Schweiz. Das sind sie nicht. In gewissen Bereichen sind sie selbst betroffen von den hohen Preisen, bei den importierten Futtermitteln beispielsweise, oder bei Düngemittel und beim Maschinenpark. Der Agrarfreihandel ist nicht die Lösung, es geht aber um das tragbare Mass der Anpassungskosten an neue Strukturen. Dass die Bauern um ihre Existenz kämpfen ist ihr gutes Recht. Verschwiegen und unterdrückt werden darf aber nicht die Konsequenz der heutigen Agrarpolitik auf die Hochpreisinsel Schweiz: bei den landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln werden

zulasten der Konsumenten und Steuerzahler

Angebot und Nachfrage übersteuert durch staatliche Regulierungen: die inländische Produktion wird gefördert durch offene und versteckte Subventionen, der Import ausländischer Produkte gebremst durch Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse.

Der Staat marschiert an vorderster Preisfront

bewaffnet mit einer gewaltigen Agrarbürokratie, die sich selbst nicht abschaffen will, die im Gegenteil immer mehr zum Trabanten der Agrarlobby wird, immer mehr gemeinsame Interessen hat. Geregelt und kontrolliert wird bis ins kleinste Detail, wie vorige Beispiele zeigen. Man stelle sich einmal vor, wieviel Verwaltungsaufwand und -kosten hinter jeder Transferleistung liegen! Wer setzt hier den Massstab, sorgt für Kosteneffizienz, legt Rechenschaft ab gegenüber wem? Darf man sagen: das interessiert keine Sau?

Die landwirtschaftlichen Nahrungsmittel sind nur ein (wichtiges) Beispiel für die vom Staat beeinflusste (administrierte) Preisbildung. Aufsehenerregend am Beispiel ist, auf welche Weise fernab von Angebot und Nachfrage die Preisbildung erfolgt. Andere Beispiele finden sich im Gesundheitswesen (Arzneimittelpreise und Krankenkassenprämien), im öffentlichen Verkehr, im Energiesektor. Und wenn wir beim Staat bleiben, wie sieht es aus bei der Entwicklung der Steuerbelastung?

Die Steuern sind für die meisten Haushalte die grösste Ausgabe des Jahres (in gewissen Fällen mit Ausnahme der Miete oder der Krankenkassenbeiträge). Im Grunde genommen sind die Steuern nichts anderes als das Entgelt für die Dienstleistungen des Staates, die je nach Einwohner mehr oder weniger in Anspruch genommen werden. Bei den Gebühren sind die Zusammenhänge direkter, beim SBB-Ticket unmittelbar. Praxis und Literatur erwähnen, dass die staatlichen Dienstleistungen viel stärker überteuert sind als die privaten. Wo sind die Studien, welche die Preis- bzw. Kostenentwicklung aufzeigen beispielsweise für die öffentliche Sicherheit, den Umweltschutz oder die Verwaltung? Welche Verantwortung für das hohe Preisniveau übernehmen die Politiker, die Parlamentarier, die Stimmbürger? Wissen sie, welche Priorität das relative Preisniveau zum Ausland für die Arbeitsplätze der Zukunft hat? Und wenn ja, wie sehen Ziele und Massnahmen aus, um das hohe Preisniveau zu reduzieren?

Nehmen wir abschliessend den Haushalt von Bürger Glas Klar, um die Relevanz des Staates am Einzelbeispiel offen zu legen:

Erstens: Wieviel seiner Ausgaben bestimmen administrierte Preise wie Steuern, Gebühren, Abgaben, Krankenkassenprämien, öffentlicher Verkehr, Ausbildung, Energie, Nahrungsmittel – und wie sieht hier die Preisentwicklung in den letzten 20 Jahren aus! Sind die Preise stark gestiegen, und sie sind – preisbestimmend oder preisduldend war der Staat, nicht die Privatwirtschaft.

Preistreiber Nummer eins ist der Staat, mehr oder weniger ungehindert durch die Wettbewerbsbehörde.

Zweitens: Nehmen wir nur die Steuern, Gebühren und Abgaben, wieviel des Bruttoeinkommens geht direkt zurück an den Staat? Zum einen Sack hinein, zum andern Sack hinaus. Wir sind bei der Staatsquote.

Ist die Schweiz nun ein Steuerparadies oder eine Steuerhölle? Demnächst

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 2: Stellvertreterkrieg im Parlament

Aus den Überschriften der letzten Wochen:

„Regulierungswut auf der Hochpreisinsel“ – „Eine eingebildete Krankheit“  „Liberale Politiker auf dem Holzweg“

Kartellexperten, Patentanwälte und Politiker profilieren sich. Seiten werden bezogen, Claims gesteckt und Wagenburgen geschlossen. Es geht um viel Geld in einem lukrativen Markt für Berater und Lobbyisten.

Die Kunst der Professionalität gebietet, den Sachverhalt zu komplizieren, von allen Seiten zu beleuchten, denkbare Vor- und Nachteile in allen Schattierungen zu würdigen. Doch so schwierig ist es eigentlich nicht. Ein kurzer Refresher zum Thema Kartellabsprachen:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Preisdifferenzierung ist ein altes und bewährtes Instrument im Marketing-Mix. Dazu stehen verschiedene Kriterien zur Verfügung, wie die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Lieferung (saisonale Preisunterschiede) oder die Differenzierung nach der Menge (Rückvergütungen und Rabatte). Bei der räumlichen Preisdifferenzierung (Gebietsabsprachen) verkaufen ausländische Produzenten (in gewissen Fällen auch inländische) ihre Erzeugnisse in der Schweiz mit einem Zuschlag, sei es über Tochtergesellschaften oder über unabhängige Importeure. Man spricht dabei von vertikalen Kartellabsprachen (dem Absatzkanal entlang) im Unterschied zu den horizontalen Kartellabsprachen (unter Konkurrenten).

Die bisherige Praxis

Nach der alten Bundesverfassung waren vertikale und horizontale Kartellabsprachen erlaubt, soweit sie nicht schädlich für das Gemeinwohl waren (Missbrauchsgesetzgebung). Um den Missbrauch zulasten der Konsumenten zu begrenzen, wurde 1995 das Kartellgesetz verabschiedet (Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995, KG).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das KG bezweckt nach Art. 1: „volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern“.

Der Geltungsbereich wird in Art. 2 wie folgt definiert: „Das Gesetz gilt für Unternehmen des privaten und öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen“(Abs. 1).

Im Jahre 2004 wurden einige Revisionen sowie die Verordnung über die Sanktionen bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft gesetzt.

Die Wettbewerbsbehörde

Die Wettbewerbskommission (Weko) trifft die Entscheide, erlässt die Verfügungen und gibt Empfehlungen, Stellungnahmen und Gutachten an die politischen Behörden (KG Art. 18 Abs. 3). Die Zusammenarbeit mit dem Preisüberwacher geht aus Art. 3 hervor: „Verfahren zur Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen nach diesem Gesetz gehen Verfahren nach dem Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG) vor, es sei denn, die Wettbewerbskommission und der Preisüberwacher treffen gemeinsam eine gegenteilige Regelung“ (Abs. 3). Gemäss PüG(Klicken Sie zum Weiterlesen)

beobachtet der Preisüberwacher „die Preisentwicklung (Art. 4 Abs. 1), „verhindert oder beseitigt die missbräuchliche Erhöhung“ (Abs. 2) und „orientiert die Öffentlichkeit“ (Abs. 3). Art. 5 regelt die Zusammenarbeit mit der Wettbewerbskommission. Nach Art. 12 Abs. 1 liegt ein Preismissbrauch dann vor, „wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind“.

Und hier sind wir beim Thema und vor den Beispielen. Das KG führt Verhaltensweisen auf, bei denen vermutet wird, dass diese volkswirtschaftliche oder soziale Schäden verursachen. Verkaufen beispielsweise alle Tankstellen einer Region ihre Produkte zu denselben Preisen (horizontale Preisabsprache) wird vermutet, der Wettbewerb sei eingeschränkt. Desgleichen: wenn ein Produzent einer Ware allen ausländischen Händlern verbietet, in die Schweiz zu liefern (vertikale Gebietsabsprache). Es gibt keine „Per-se“-Erheblichkeit und der Nachweis der schädlichen Beeinträchtigung obliegt der verantwortlichen Behörde. Was das heisst und wie schwierig die griffige Durchsetzung sein kann, zeigt das Beispiel der Buchpreisbindung in aller Dramatik:

Die Buchpreisbindung – gemeinsam voll auf die Bremse

Leicht gekürzt immer noch eindrücklich:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Weko eröffnete am 28. September 1998 eine Untersuchung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher. Einbezogen waren der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) sowie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Die Weko befand die horizontal koordinierte vertikale Wettbewerbsabrede über die direkte oder indirekte Festsetzung der Verkaufspreise als kartellrechtlich unzulässig. Auf eine Beschwerde hin vom 21. Mai 2001 bestätigte die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen diesen Entscheid. Dagegen haben die beiden Verbände am 21. Juni 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht u.a. mit dem Antrag, den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission aufzuheben. Die Weko wiederum hat erwartungsgemäss den Antrag gestellt, diese Beschwerden abzuweisen. Nun konnte nur noch die Politik weiterhelfen.

Aus den Argumenten der Lobbyisten in Richtung Parlamentarier: es bestehe die Gefahr, dass die Kultur unseres Landes aus ökonomischen Interessen verschachert und schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Schweizer Literatur erfolgen würden. Eine wissenschaftliche Studie „Buchmarkt und Buchpreisbindung in der Schweiz“ im Auftrag des Bundesamtes für Kultur in Verbindung mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft sollte die letzten Kulturbanausen in die Knie zwingen, mit Erfolg: das Bundesgericht hiess die Beschwerden teilweise gut und wies die Anträge zur erneuten Beurteilung an die Weko zurück.

Vier Jahre nach Abschaffung der Buchpreisbindung nahm das Parlament im Frühling 2011 das „Bundesgesetz über die Buchpreisbindung“ an und die Buchpreisbindung fand ihre Wiedergeburt. Dagegen hatten die Jungparteien SVP und FDP erfolgreich das Referendum ergriffen. Am 11 März 2011 entschieden sich die Stimmbürger mit 56,1% gegen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung.

Einfach nur peinlich

Eine unglaubliche Zwängerei und ein trübes Beispiel, wie sich die Parlamentarier herumschieben lassen. Eine Strukturerhaltungspolitik, die völlig an der Marktentwicklung und an den Konsumenteninteressen vorbei aufrechterhalten werden sollte. Heute findet der Vertrieb weitgehend ohne Verkaufsflächen statt, grenzüberschreitend über Internetplattformen. Immer mehr Leser verzichten auf ein Print-Produkt und greifen zum E-Book. Standort-Buchhandlungen im bisherigen Sinn (Fach-und Allgemeinsortimenter) können sich nur noch als Ketten oder in Nischen behaupten. Was für ein Kampf für Vertriebswege von gestern!

Früher war die Schweiz der typische Testmarkt für ausländische Produzenten. Heute ist die Schweiz der typische Abschöpfungsmarkt zur Aufmischung der Gewinne.

Die reichen Schweizer und die Hochpreisstrategie der internationalen Markenartikelkonzerne

Ausländische Produzenten verlangen von ihren Schweizer Kunden höhere Preise als für ihre Kunden in Nachbarländern. Preisdifferenzen von 20, 30 und 50% sind dokumentiert. Als Rechtfertigungsgründe werden die hohen Lohn- und Raumkosten genannt, eher selten die höhere Kaufkraft. Noch gut in Erinnerung bleibt das Beharrungsvermögen, als es darum ging, die Währungsgewinne aus der Wechselkursdifferenz Franken/Euro an die Endkunden weiterzugeben. Inzwischen liegen aufsehenerregende Weko-Entscheide vor, darunter:

Der Fall Elmex – vertikale Absprachen

Denner hatte im Jahre 2005 versucht, die Zahnpasta Elmex billig aus Österreich zu beziehen, am Hersteller vorbei parallel zu importieren und dann in der Schweiz billiger zu verkaufen (als Coop und Migros). Eine klassische Wettbewerbsstrategie. Doch Elmex konnte es verhindern. Busse 4.8 Mio Franken. Vor Bundesgericht hängig.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das Bundesverwaltungsgericht sah es als erwiesen an, dass der Hersteller der Zahnpasta Elmex (vormals GABA, die heutige Firma Colgate-Palmotive) den Preiswettbewerb zu verhindern versuchte (Entscheid vom Dezember 2013).

Für Kartellgegner ein gefährlicher Muster-Entscheid. Die liberale NZZ veröffentlichte vor Kurzem mehrere Artikel mit der Grundhaltung, das Bundesgericht sei über das Ziel hinausgeschossen und habe faktisch ein Verbot für vertikale Absprachen zwischen Hersteller und Händler ausgesprochen. Das Parlament habe indessen vertikale Absprachen nie verbieten wollen.

Der Fall BMW – Lieferverbote für Händler

Der Autohersteller BMW hatte seinen Händlern aus dem europäischen Wirtschaftsraum untersagt, Fahrzeuge an Schweizer Kunden zu verkaufen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Hier nicht relevant und doch ausgesprochen werden soll: Müsste es für die Schweizer Reputation des Autoherstellers BMW nicht abträglich gewesen sein, wenn in aller Offenheit darüber diskutiert wird, dass der Schweizer Konsument mit einem Schweiz-Zuschlag (von bis zu 33% gegenüber Deutschland) abgezockt werden soll und man an dieser Praxis festhalten wolle. Müsste sich ein potentieller Schweizer Käufer nicht als düpiert, veräppelt und verkaspert vorkommen?

Die Weko hat BMW mit einer Busse von 154 Mio Franken bestraft, wogegen BMW Beschwerde erhob. Das Bundesverwaltungsgericht kam im November 2015 zum Schluss, dass Gebietsschutzklauseln automatisch als erhebliche Wettbewerbsabreden zu gelten haben. Vor Bundesgericht hängig.

Die rätselhaften Vertriebswege der Sanitär-Grosshändler

Das jetzt abgeschlossene Verfahren erfolgte auf Hinweise der Bevölkerung (2011). Wer einmal mit der Sanitärbranche zu tun hatte kann sich sicher noch gut erinnern, was für merkwürdige und aussergewöhnliche Vertriebswege sie antrafen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Weko büsste den Schweizer Grosshandelsverband und 8 Gesellschaften (darunter Sanitas Troesch und die Sabag-Gruppe) mit insgesamt rund 80 Mio Franken. Die Weko wirft den Gesellschaften vor, über den Verband preisbestimmende Faktoren wie Margen und Rabatte vereinbart zu haben. Gesellschaften, die ihre Produkte nicht über den Grosshandel verkaufen wollten, seien am Markteintritt gehindert worden.

Geschädigt nach Weko seien die Konsumenten und einzelne Sanitärinstallateure. Die detaillierte Begründung ist noch ausstehend. Danach wollen die betroffenen Gesellschaften die Busse rechtlich bestreiten.

Die Argumente: Pros und Cons

BundeshausTeilansichtKeine Lösung hat nur Vorteile, immer sind auch Nachteile hinzunehmen. Für rechtsliberale Kreise sind vertikale Absprachen sinnvoll, da der Wettbewerb in vielen Fällen nicht behindert werde, dies umso mehr, als Bagatellfälle vermieden und unschädliche Formen der Koordination zugelassen werden sollen. Die höhere Marge mache es ausserdem möglich, in Beratung,  Imagepflege, Innovation und Expansion zu investieren. Beispiele aus Theorie und Praxis untermauern die positiven Aspekte der vertikalen Absprachen aus ihrer Sicht. Unwidersprochen: was für Importeure gilt, gilt auch für Schweizer Exporteure. Auch sie nehmen Preisdifferenzierungen vor. Auch ihnen kann es an den Kragen gehen, von inländischen und ausländischen Kartellbehörden.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Es kann sein, dass der Schweizer Konsument für das inländische Produkt mehr bezahlen muss als der Konsument im Ausland für das gleiche Schweizer Produkt. Nicht zur Freude der Schweizer Konsumenten, doch zum Wohle der Schweizer Produzenten. Wer über die Grenze Schweizer Pharmaprodukte einkauft, und das tun viele, kennt die Preisdifferenzen aus eigener Erfahrung.

Die Argumente der Kartellgesetzgegner lassen dann erstaunen, wenn von Nachteilen für die Schweizer Konsumenten die Rede ist. Behauptet ein Autor in allem Ernst, fallende Importpreise (fallender Schweiz Zuschlag) führten zu tieferen Löhnen sollte fairerweise anfügen, dass mit sinkenden Löhnen auch sinkende Einkommenssteuern verbunden wären.

Und wer die auf die Spitze getriebene Vereinfachung trommelt: Wohlstandsinseln sind Hochlohninseln sind Hochpreisinseln – nuschelt leicht dümmlich. Was ansatzweise für autarke Volkswirtschaften richtig sein könnte, gilt sicher nicht für exportorientierte Volkswirtschaften (wie die Schweiz) und sicher nicht für grenznahe Regionen. Hinterfragt man indessen die berufliche Herkunft und Ausrichtung vieler Kartellbefürworter kann man zum Schluss kommen: alleiniger Zweck der Vorstösse ist die Beweishürde für die Wettbewerbsbehörde möglichst hoch zu halten. Das gibt Spielraum für die Berater(-honorare).

Revision – zurück zum Start

Im Parlament wurde eine Reihe von Vorstössen eingereicht, die kritische Punkte der gescheiterten Revision von 2014 wieder aufgreifen.

Das zu revidierende Kartellgesetz sollte nach gewissen Vorstellungen die preisliche Meistbegünstigung der Schweiz festschreiben. Schweizer Kunden sollten zu den jeweils weltweit tiefsten Preisen beliefert werden. Dass man ausländischen Lieferanten die Preise nicht vorschreiben kann (und wer soll diese Preise festlegen), ist unschwer erkennbar. Interventionen dieser Art sind rechtlich auch gar nicht durchsetzbar. Andere Vorschläge, wie das Kriterium Marktbeherrschung auf die relative Marktmacht auszuweiten, finden im politischen Machtkampf keine ausreichende Unterstützung.

Weko-Präsident Vincent Martenet fordert eine Revision in vier Punkten: Striktere Fusionskontrolle, Zulassung von Zivilklagen, Bussenrabatte bei wirksamer interner Kontrolle, stärkeres Widerspruchsverfahren (Der Bund, 29.04.2016).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wünschenswert wäre auch, dass die guten Erfahrungen unserer Nachbarn im Sinne einer Best Practice vermehrt in die Überlegungen einbezogen würden. Das deutsche Bundeskartellamt hat beispielsweise erste Erfahrungen gesammelt mit einem elektronischen Hinweisgebersystem für anonyme Eingaben. Ein solches System mag an sich als unsympathisch und unschweizerisch empfunden werden, steigert aber mit grosser Sicherheit das unternehmerische Bewusstsein für die Kartellrechtsproblematik. Und dieses Bewusstsein fehlt noch weitgehend, historisch begründet im Umgang mit Kartellabsprachen in den letzten 50 Jahren.

Die Schweizer Exportindustrie riskiert zunehmend auch global in Kartellverfahren verwickelt zu werden, die Finanzindustrie allen voran (die Manipulationen der Devisenkurse sind letztendlich Absprachen unter Grossbanken zur Schädigung der Bankkunden). Die ausländischen Wettbewerbsbehörden treten immer aggressiver auf, eine Eskalation der Bussgeldentscheide und -volumen ist zu vermuten. In diesem Sinne wäre es sicher empfehlenswert, Überlegungen zur Kartellrechtsproblematik in das Risk-Management bzw. in die Compliance der Unternehmung aufzunehmen.

Doch in der Schweiz wird unverdrossen weitergemauert unter der Maxime, die Handels- und Gewerbefreiheit (zeitgemässer: die unternehmerische Freiheit) dürfe nicht eingeschränkt werden. Was aus Sicht der Einzelunternehmung (mikroökonomisch) noch verständlich sein könnte, ist volkswirtschaftlich (makroökonomisch) weitgehend unbestritten falsch. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis zeigen die fatalen Folgen auf lange Sicht (Diskussionsvorschlag für Biertischliberale: das Schweizer Bierkartell und das Ende der überregionalen Bierproduzenten).

Die Schlacht im Bundeshaus – der Stellvertreterkrieg

In der Arena stehen nicht Unternehmer und Konsumenten. Gefightet wird über Stellvertreter. Doch dieser Kampf ist ungleich. Einer produzierenden Wirtschaft (teilorganisiert über Verbände) mit einem gewaltigen Potential an finanziellen Mitteln und einem auf Abruf bereiten Heer von Rechtsberatern und Lobbyisten stehen wenige Konsumentenschutzorganisationen mit bescheidenen Mitteln und eine unendlich grosse Schar unorganisierter Konsumenten entgegen, die kollektiv (noch) nicht klagen können. Kommt dazu, dass die Gewerkschaften die Lösung immer noch im Lohnausgleich sehen. So werden die Schweizer Konsumenten weiter über den Tisch gezogen, von ausländischen wie auch von inländischen Produzenten. Und wie es aussieht, verhindern (die vom Schweizer Volk gewählten) Politiker in der Mehrheit eine starke Wettbewerbsbehörde nach ausländischem Vorbild.

Eine weitere Volksinitiative?

Es muss einmal mehr das Schweizer Stimmvolk über die nächste Revision des Kartellrechts entscheiden.

Demnächst Teil 3 der Trilogie zur Hochpreisinsel Schweiz: der grösste Preistreiber

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15.09.2016/Renzo Zbinden

 

Hochpreisinsel Schweiz Teil 1: Wischiwaschi im Schattentheater

Unvergesslich: In den frühen 70er-Jahren hat Paul Stocker, Professor für Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Universität Bern in seiner Einführung in die Volkswirtschaftslehre von der Schweiz als dem Eldorado der Kartelle gesprochen. Wenn das so war zu jener Zeit, was waren die Folgen, über vierzig Jahre später? Heute stehen wir auf einer beängstigenden Hochpreisinsel!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wobei nicht die absolute Höhe der Preise die Tragödie ist, sondern die relative gemessen am Festland. Um drei Beispiele zu nennen: Bei uns sind gemäss Preisbarometer des Konsumentenschützers

  • Nahrungsmittel 32 bis 37%
  • Zeitschriften und Kosmetikprodukte rd 70%
  • rezeptfreie Medikamente bis zu 7 Mal

teurer als im grossen Kanton (Deutschland).

In einer Antwort auf einen Vorstoss von SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer zum Thema „Erodiert die Mittelschicht?“ kommt der Bundesrat zum Schluss, dass im Vergleich zu den EU-Kernländern (EU15) die Preise in der Schweiz (im Jahr 2013) durchschnittlich um 41.4% höher waren. Unglaublich, und doch wenig kommentiert!

Da wurde ein halbes Jahrhundert lang lobbyiert, gemobbt, gestochen und gefightet, geschwiegen, getäuscht und gelogen, Besserwisser mit Gutachten zugemüllt, stumpfe Messer wie Konsumentenschutz und Preisüberwacher idealisiert. Das Wischiwaschi unserer Wirtschaftspolitiker und Lobbyisten war ein Graus, eine Schande und nimmt kein Ende. Noch vor kurzem hat die NZZ in einer Folge von Artikeln die Meinung vertreten, Preisabsprachen (vertikale) zwischen Herstellern und Händlern seien sinnvoll. Und unser Parlament lässt sich herumschieben von links nach rechts und wieder zurück, je nach Teilaspekt und Stärke der im Augenblick vorherrschenden Partikularinteressen, ein Parlament notabene mit bürgerlicher Mehrheit!

Da wird die Frankenstärke thematisiert und dramatisiert. Hinz und Kunz sprechen heute von den Auswirkungen des teuren Schweizer Frankens auf die Konkurrenzfähigkeit der Exportindustrie, der Nationalbank wird Untätigkeit oder gar Unfähigkeit unterstellt, Scheingefechte geführt in einem absurden Schattentheater. Und verlogen argumentiert: Solange die Schweizer Konsumenten die hohen Preise mit den hohen Löhnen bezahlen können ist doch eigentlich alles in Ordnung. Oder verkehrtherum: was nützen den Konsumenten im Ausland die tiefen Preise bei ihren tiefen Löhnen. Alles paletti Schweizer, kein Grund zur Sorge! Die Kaufkraft ist entscheidend, wir sorgen dafür, dass du angemessen entlöhnt wirst.

Ein Brett vor dem Kopf?

Die hohen Löhne gehen in die hohen Lohnkosten der Exportindustrie ein und katapultieren uns aus dem Weltmarkt, Arbeitsplätze gehen verloren. Dabei stellt sich naheliegend die wichtige Frage, inwiefern die hohen Löhne selbst die Ursache für die hohen Preise sind bzw. in welchem Verhältnis die hohen Löhne und weitere Ursachen bestimmend sind für die hohen Preise.

Der Bundesrat schreibt (in der erwähnten Antwort, S.16):(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Generell lässt sich festhalten, dass höhere Preise nicht zwangsläufig das Ergebnis eines im internationalen Vergleich hohen Lohnniveaus sein müssen. Sowohl die längere Wochenarbeitszeit als auch die im europäischen Vergleich hohe Arbeitsproduktivität erlauben ein höheres Lohnniveau in der Schweiz. Die höheren Preise dürften damit weniger Ausdruck eines hohen Lohnniveaus, sondern insbesondere auch das Resultat einer hohen Kaufkraft der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sein, welche die Produzenten und Händler abzuschöpfen wissen.“

Fleiss, Zuverlässigkeit, Effizienz- und Qualitätsbewusstsein sind sicher Vorteile. Sie können aber nicht ins Unendliche gesteigert werden, und fleissig sind auch andere. In der Antwort des Bundesrates aufschlussreich ist hingegen das „insbesondere“:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Nicht die Eingriffe in die freie Wirtschaftsordnung, nicht die Strukturerhaltungspolitik und keine Partikularinteressen sind Schuld, meint der Bundesrat, sondern die (raffgierigen) Produzenten und Händler, welche die Kaufkraft der Konsumenten (wie Sahne) abschöpfen. – Wenn man sie lässt, vermutlich schon, wie in jüngster Zeit das Beispiel Weitergabe der Währungsgewinne deutlich aufzeigt!

Welche Preistreiber?

Es ist vermutlich schwierig, eine Reihenfolge nach Wirksamkeit allumfassend bzw. allgemeingültig empirisch zu belegen. Unsere im Vergleich zum Ausland geringere Intensität des Wettbewerbs (infolge Strukturerhaltung und Kartellabsprachen) kann nicht alleine Ursache sein, wie vielleicht vermutet werden könnte. Partikularinteressen (an hohen Preisen) spielen ebenso eine wichtige Rolle. Wenig bestritten ist die Auffassung, je reicher eine Volkswirtschaft (wie die schweizerische), desto einfacher lassen sich Preiserhöhungen durchsetzen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der hohe Wohlstand bewirkt eine tiefe Preiselastizität der Nachfrage (je höher die Preiselastizität, desto stärker reagiert die Menge auf die Preisänderung). Leicht einsichtbar am Fahrzeugverkauf: Schweizer kaufen im Gegensatz zu Konsumenten benachbarter Staaten leistungsstärkere Fahrzeuge mit mehr Ausstattungs-Optionen – es darf ruhig ein wenig mehr kosten! BMW konnte es sich beispielsweise leisten, seine Fahrzeuge 33 Prozent teurer zu verkaufen als in Deutschland (der Fall BMW – vertikale Preisabsprache – ist vor Bundesgericht hängig). Der BMW Käufer nahm es hin.

Preistreibend ähnlich den Kartellabsprachen sind politisch erzwungene Hindernisse im internationalen Handel wie Zölle (im Rahmen der Agrarpolitik), technische und andere Sondervorschriften (um Parallelimporte zu verhindern) und nicht zuletzt die relativ hohen Produktionskosten im Inland ausserhalb der Lohnkosten aus hoher Regulierung und Bürokratisierung (gewollt und heftig verteidigt), nebst hohen Boden- und Mietpreisen. Ein ganzer Mix von Ursachen, der einfache Lösungen ausschliesst und einen politischen Konsens als Lösungsansatz voraussetzt. Hoffnung auf Preissenkung kam schliesslich auf mit dem Auftreten externer Faktoren.

Der Markteintritt von Aldi und Lidl – die dritte Kraft – sollte es richten

Migros und Coop wirkten lange Zeit oligopolähnlich im Markt der Lebensmittel, sie teilten sich die Märkte auf und taten sich nicht übermässig weh(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Darf man sich fragen, wie hoch die Gewinne aus oligopolähnlicher Struktur der Schweizer Discounter in all den Jahren waren (eine Art Konsumentenrente aus Marktmacht) oder schlachtet man dabei heilige Kühe? Das Kulturprozent der Migros in Ehren, aber war und ist es Aufgabe eines Schweizer Discounters, Kulturpolitik zu betreiben? Wäre es nicht angebrachter, den Konsumenten (und Genossenschaftern) weniger Geld aus der Tasche zu ziehen? Auf jeden Fall fiel auf wie es plötzlich möglich war, die Preise massiv zu senken und dabei immer noch Gewinne auszuweisen.

Kommen neu deutsche Hard-Discounter dazu (heute vor rund 10 Jahren), als dritte Kraft, werden die Preise sinken, so die damals vorherrschende Meinung. Und tatsächlich, vor Eintritt der Deutschen sanken die Lebensmittelpreise massiv, und als flankierende Abwehrmassnahme bildeten beide Schweizer Discounter eine Billiglinie (M-Budget und Prix-Garantie).  Die Warnungen „liberaler“ Wirtschaftspolitiker waren nicht zu übersehen: Preiskrieg, eine Verarmung des Sortiments, eine Konzentration auf Schnelldreher, eine Abnahme an Qualität, Frische und Dienstleistung. Ist das passiert? Oder war es nicht so, dass die Schweizer Discounter die Qualität gesteigert haben, Bio- und Fair-Trade Label einführten, Premium-Produkte? Und auf der anderen Seite Aldi und Lidl die Swissness (Brotausback-Stationen in den Filialen) und die hohe Qualität pflegten (Aldi-Produkte erhielten von den Konsumentenorganisationen immer wieder die Auszeichnung „Kauftipp“). In der Retrospektive hat sich nicht Wesentliches verändert und kaum überwiegend im negativen Sinne. Der Preisdruck der letzten Jahre kam weniger aus dem Konkurrenzverhalten und mehr aus der Frankenstärke. Relativ zum Ausland steht die Hochpreisinsel Schweiz unverändert da. Ein Beispiel gefällig?

Der Einkaufstourismus ist unleugbar und legt die Probleme schonungslos offen

Dass die Hochpreisinsel Schweiz weiter besteht, sieht jeder Schweizer spätestens dann, wenn er ein Aldi-Produkt auf das Kassenband legt, einmal in der Schweiz und einmal im Ausland. Machen Sie es!

Die Schweizer Konsumenten in Grenznähe handeln, Appelle an die Fairness prallen ab. Einerseits überzeugen die Argumente nicht und andererseits will man sie nicht befolgen. Die Zunahme der Kaufkraft der Schweizer Konsumenten in den letzten Jahren aufgrund der Frankenstärke begünstigt den Einkaufstourismus zusätzlich. Je nach Datenquelle sollen die Schweizer Konsumenten im Jahr 2015 Einkäufe von bis zu 11 Mia Franken im grenznahen Ausland vorgenommen haben, ein Vielfaches der Umsätze von Aldi und Lidl (nach GfK im Jahr 2014 zusammen rund 2.6 Mia Franken).

Damit die Preise fallen, müssten die Discount- und Detailhändler die gleichen Möglichkeiten haben, im Ausland einzukaufen (Parallelimporte).

Und da wäre noch das Faktum, dass viele Preise gar nicht über den Wettbewerb bestimmt werden, sondern direkt oder indirekt über den Staat (administrierte Preise überall, beim öffentlichen Verkehr, bei der Post, beim Gesundheitswesen). Wir sind beim Agrarsektor (Zölle) und bei den kantonalen Bau- und Umweltvorschriften, bei den Regulierungskosten und Verpackungsvorschriften, bei der Gebühren- (von den Radio- und Fernsehgebühren bis zum Abfallsack) und Steuerpolitik (Auswirkungen der Steuerprogression). Wer hat eigentlich ein Interesse daran (ausser der Exportindustrie), die Hochpreisinsel Schweiz zu schleifen?

Und dann sind wir bei den Schweizer Konsumenten ohne Lohnausgleich, bei den Rentnern: sie steigen immer mehr in die Holzklasse und verlassen die Schweiz.

Cabin2Einmal in Pension mit Renten ohne Teuerungsausgleich, was ausserhalb der staatlicher Betriebe die Regel ist, müssen immer mehr Rentner ins Ausland, da die Schweiz zu teuer geworden ist.

Zwar haben wir heute keine Teuerung (die Massgeblichkeit des Konsumentenpreisindexes ist ein späteres Thema), doch was auf uns zukommt aufgrund der gegenwärtigen Geld- und Währungspolitik schweiz- und weltweit gibt Anlass zu Sorge. Ist die Wettbewerbspolitik der Schweiz die richtige Anwort auf die zukünftigen Probleme? Hat sie nicht in der Retrospektive total versagt? Und ist die Agrarpolitik von heute nicht ein trauriges Beispiel für die Wahrung von Partikularinteressen.  Demnächst

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 2: Gemeinsam voll in die Klötze

09.08.2016/Renzo Zbinden

Bürger Glas Klar

Die Steuerveranlagungsbehörde macht eine Stichprobe:

Sie prüft die Vermögensveränderung gegenüber der letzten Veranlagung (eine IT-basierte Routinearbeit) und stellt fest, dass das Nettovermögen um 300’000 CHF zugenommen hat, kann sich aber nicht erklären, woher die Zunahme kommt. Kein aussergewöhnlicher Zugang aus Kapitalabfindung, Erbschaft oder Schenkung, keine Wertpapierkurs-, Grundstück- oder Lotteriegewinne. Der Steuerexperte nimmt mit dem Steuerpflichtigen Kontakt auf und gibt ihm Gelegenheit, die Herkunft für den Nettovermögenszugang von 300’000 CHF zu erhellen. So die Praxis heute.

Und nun ein Schritt in die Zukunft, ins Steuerjahr 2025, nach Einführung AIA (Automatischer-Informationsaustausch) Etappe 1 für Ausländer und AIA Etappe 2 für Inländer. 2025 erhält die Veranlagungsbehörde alle Steuerfaktoren aus dem AIA. Unnütz, den Steuerpflichtigen auch noch eine Steuererklärung machen zu lassen. Genauso überflüssig  – ein Veranlagungsexperte – ausser bei unplausiblen „verdächtigen“ Datenkonstellationen. In solchen Fällen hat er zukünftig die Möglichkeit, alle über AIA zufliessenden Daten eingehend zu prüfen auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität. Es übermitteln folgende Datenquellen (Schnittstellen):(Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • der Arbeitgeber: Erwerbseinkommen, Spesenvergütungen (erfolgt in einer Vielzahl von Kantonen schon heute)
  • die Pensionskasse: Altersrente, Kinderrente, Witwenrente u.a. (erfolgt teilweise schon heute)
  • die inländischen und ausländischen Finanzinstitute: Depotauszüge mit Finanzvermögen bzw. Kontokorrente, Spareinlagen, Finanzanlagen zu Kurswerten (per Ende Steuerjahr), Vermögenserträge und Kapitalgewinne, Kursgewinne (der Steuerperiode), Hypothekaranlagen (per Ende Steuerjahr) und Hypothekarzinsen (der Steuerperiode), alle aussergewöhnlichen Finanztransaktionen (der Steuerperiode). Versicherungsinstitute melden alle abgeschlossenen Versicherungsverträge (per Ende Steuerjahr) sowie die ausbezalten Renten (der Steuerperiode)
  • das Grundstückamt: Liegenschaften (per Ende Steuerjahr) und Ertrag aus Liegenschaften bzw. Eigenmietwert (der Steuerperiode), belehnte und unbelehte Schuldbriefe (per Ende Steuerjahr)
  • das Sozialamt: Erwerbsunterbruch, Arbeitslosenentschädigung, Ersatzeinkommen wie AHV und Invalidenrente, EO (Militär-, Schutz- und Zivieldienst)
  • die Einwohnerkontrolle: Wohnort, Zivilstand, Kinder
  • der Krankenkassenverband: Arzt- und Spitalkosten, Krankenkassenprämien

Ergänzend fliessen über das Steuer-Inkassobüro alle Informationen über bezahlte und ausstehende Steuern.

Der „double check“ führt zu keinen neuen Erkenntnissen. Der Nettovermögenszugang von 300’000 CHF bleibt „out of the blue“, unerklärbar. Auch die Berechnung des Privatverbrauchs – nach Einführung des Bargeldverbots ein Leichtes für die Steuerverwaltung – hilft nicht weiter.

Rodolfo Buletti aus Magliaso erhält die von der IT-Abteilung der Veranlagungsbehörde erstellte Vermögensnachweisberechnung mit der Aufforderung, innerhalb der nächsten 20 Tagen nachzuweisen, woher der differenzberechnete Vermögenszugang von 300’000 CHF komme. Andernfalls würden diese 300’000 CHF als steuerpflichtiges Einkommen aufgerechnet und ein Strafverfahren eingeleitet.

Es ist nun an ihm, den Sachverhalt zu klären, er hat die Beweispflicht, und nicht mehr die Veranlagungsbehörde, und dafür 20 Tage Zeit.

Rodolfo Buletti, heute mit Steuererklärung im Gespräch mit der Veranlagungsbehörde, morgen ohne Steuererklärung ein ertapptes Steuersubjekt in Beweispflicht: er wird es nicht einfach haben, wenig spricht für ihn. Ein Bürger Glasklar. Wie kam es dazu?

AIA Etappe 1 – der Abschied vom Bankgeheimnis für Ausländer mit Schweizer Bankkonten

Der Steuerstreit mit dem Ausland ist entschieden.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Bundesrat hat am 5. Juni 2015 zwei Botschaften zu den zentralen Rechtsgrundlagen überwiesen (dabei die „Botschaft vom 5. Juni 2015 zur Genehmigung der multilateralen Vereinbahrung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten und zu ihrer Umsetzung“. Das entsprechende „Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen“, das AIA-Gesetz, ging in die Vernehmlasung. Die parlamentarischen Beratungen haben stattgfunden. Die ersten beiden AIA-Abkommen betreffen die EU und Australien, es folgen Japan und andere Länder.

Der AIA (Etappe 1) soll gewährleisten, dass das Finanzvermögen, das Steuerpflichtige im Ausland anlegen (Ausländer in der Schweiz und Schweizer im Ausland) nach nationalem Steuerrecht besteuert wird. Dazu müssen die einheimischen Banken (von Steuerpflichtigen, die Finanzvermögen im Ausland haben) folgende Daten übermitteln:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Steuer-Identifikationsnummer, Name, Adresse, Geburtsdatum, alle Kontonummern, Kontostand und Einkommensarten. Die Saldo- und Ertragspositionen müssen u.a. beinhalten: Zinsertrag, Dividenden, Renten, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen (wie Lebensversicherungen) und Erlöse aus der Veräusserung von Finanzvermögen.

Der mit dem AIA verbundene Verwaltungsaufwand wird – wenn einmal alle OECD Staaten mitmachen – gewaltig sein. So sind die Schweizer Finanzinstitute verpflichtet abzuklären, in welchen Ländern ihre Inhaber von Bankkonten steuerlich Domizil haben (gestützt auf Selbstauskünfte). Betroffen sind Privatpersonen, Firmen, Stiftungen. Die Banken liefern die Daten an die nationalen Steuerbehörden, welche diese automatisch an die Herkunftsländer (Steuerdomizile) der Steuerpflichtigen weiterleiten. Wie die Schweizerische Bankiervereinigung bestätigt, werden die Daten ab dem 1.1.2017 erhoben und 2018 grenzüberschreitend ausgetauscht. Frühere Daten werden nicht automatisch ausgetauscht.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Im Rahmen des Fatca-Abkommens werden schon heute Daten an die USA übermittelt. Der Druck der USA war letztlich auch der Grund, den von der OECD erarbeiteten globalen AIA-Standard zu übernehmen (für die Schweiz hiess das weg von der Quellensteuer, den Finanzdienstleistungs- und den wenigen Abgeltungssteuer-Abkommen). Ergänzend und hier nur am Rande erwähnt seien die laufenden Bestrebungen für einen spontanen und grenzüberschreitenden AIA betreffend internationale Konzerne (Beps – „Base Erosion and Proft Shifting“) ohne vorgängige Gesuchstellung des Übereinkommensstaates, beispielsweise bei bloss vermuteten steuerverkürzenden Gewinnverlagerungen (transfer pricing).

Es darf vermutet werden, dass der eine oder andere Schweizer noch böse Überraschungen erleben wird

Der AIA soll das Aufdecken von Steuerhinterziehung erleichtern (bzw. die Steuerhinterziehung erschweren), besser noch Anreiz dafür sein, im Ausland angelegtes Geldvermögen im Inland zu deklarieren. Noch nicht alle haben es gemerkt: Dies betrifft natürlich auch Schweizer Steuerpflichtige mit Finanzvermögen im Ausland! Der Bundesrat wollte, dass die einheimischen Steuerbehörden (die Steuerverwaltung der Kantone) die aus dem Ausland erhaltenen Daten weiterverwenden dürfen, was für die Linke ohnehin selbstverständlich war (die Informationen fliessen vom Ausland an die eidgenössiche Steuerverwaltung, welche diese an die kantonale Steuerverwaltung weiterleitet).

Wer als in der Schweiz Steuerpflichtiger unversteuertes Vermögen im Ausland besitzt, tut gut daran, seine Vermögensverhältnisse noch in diesem Jahr zu bereinigen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Dies betrifft u.a. Bankkonten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb ausländischer Immobilien errichtet wurden oder zur Regelung von ausländischen Erbschafts- und Rentenansprüchen dienen. Bankkonten, die per 31.12.2016 aufgelöst sind, werden nicht gemeldet. Alternativ wäre die straflose Selbstanzeige. Dabei wird das hinterzogene Vermögen im Nachhinein versteuert (für bis 10 Jahre), ergänzend kommen Verzugszinsen dazu. Die Strafsteuern, die ein Mehrfaches der geschuldeten Steuern ausmachen können, entfallen.

Bei der breiten Bevölkerung findet der AIA (Etappe 1) grundsätzlich Zustimmung, solange jedenfalls, als das Bankgeheimnis für Schweizer Bürger nicht zur Disposition steht. Doch das ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.


Der politische Druck auf das inländische Bankgeheimnis wird zunehmen

Die nächste Etappe 2 führt dazu, die erprobten Prozesse der Erfassung und -übermittlung von Finanzdaten auch auf inländische Bankkunden auszudehnen. Linke Parteien meinen schon heute, es könne doch nicht sein, dass für inländische Steuerpflichtige andere Kriterien gelten sollen als für ausländische. Die Steuergerechtigkeit sei nicht teilbar. Wer ehrlich deklariere, habe nichts zu befürchten. Auf reiche Steuerhinterzieher dürfe man keine Rücksicht nehmen. Im Gegenteil: es sei eine willkommene Gelegenheit, mit diesen Mehrsteuern die zunehmenden Staatsaufgaben zu finanzieren und die Steuerbelastung für den Mittelstand zu reduzieren. Rational könne man sich dieser Auffassung nicht verschliessen. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, die fehlbaren Steuerpflichtigen seien zur Rechenschaft zu ziehen. Doch, wenn dem so ist, fliessen auch die Daten von unbescholtenen Steuerzahlern (der Mehrheit aller Steuerzahler) ebenso hin und her, eine riesige Datenmenge, die es prozessorientiert zu verwalten gilt, ein Bündel letztlich privater Transaktionen unter einer Nummer, Bürger Glas Klar, Steuer-Identifikationsnummer x’xxx’xxx. Vorschläge gehen dahin, die bestehende AHV-Nummer zu verwenden. Und über diese Nummer laufen dann alle Daten, aus allen Quellen, über alle Lebensbereiche, von der Geburt bis zum Tod, pausenlos und dauerhaft.


Bürger Glas Klar

Zahlen4
Bürger Glas Klar

Kommen diese Daten zusammen mit den Daten zum Konsumverhalten, gibt es kein Halten mehr. Denn für Bürger Glas Klar interessieren sich auch andere Behörden. Der Staat kontrolliert, wer über die Grenze einkaufen geht, der Krankenkassenverband, wie er sich ernährt (Junkfood, Alkohol), das Sozialamt, wo er sich aufhält. Sicherheitsprüfungen, Baugesuche, was auch immer, der Griff zum digitalen Dossier ist der erste Schritt für alle Belange. Ein schreckliche Vision.

Was an Daten vorliegt, wird gehackt, gestohlen und verkauft. Nicht vergessen, wir leben in einer Zeit, wo deutsche Behörden mit Datendieben höchst offiziell Verkaufsverhandlungen führen!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Hier nicht unerwähnt bleiben darf die Volksinitiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“. Der Gegenentwurf der nationalrätlichen Wirtschaftskommission soll den Initiativtext glätten und im wesentlichen den Status quo festlegen.

Bürger Glas Klar wehrt sich, wehrt sich nicht, wehrt sich …

Nicht aus Überzeugung, aus purer Not hat die Schweiz das Bankgeheimnis für ausländische Bankkunden fallen gelassen. Es besteht das grosse Risiko, dass es dabei nicht bleiben wird. Es ist hier nicht der Ort, um über Vor- und Nachteile der Weissgeldstrategie zu diskutieren oder über alternative Anlageformen zur Steueroptimierung. Es geht hier um den Schutz der Privatspähre.

AIA Etappe 2 würden wir nicht aus äusserem Druck einführen, sondern aus innerem Pressing, aus politischen Motiven, die unkritisch betrachtet erst noch überzeugen können: Steuerehrlichkeit, Steuer- und Prozessgleichheit, Fairness.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der politische Wunsch nach mehr Umverteilung wird nicht ausbleiben: es genügt ein leichtes Drehen an der Steuerschraube und die Steuerbelastung und -entlastung nimmt andere Wege, ein Traum für Etatisten, ein Alptraum für liberale Geister. Auch wäre es ein Leichtes, bei Steuerverzug oder Verdacht auf Steuerhinterziehung sämtliche Bankkonten zu sperren.

Doch was ethisch vorgeschoben wird, hat auch etwas zu tun mit Missgunst, Neid, Rechthaberei, Kontrollgläubigkeit, Unfreiheit. Was technisch möglich ist, muss nicht auch richtig sein. Dem Überwachungsstaat sind Grenzen zu setzen, der Bürger ist vom Staat zu schützen, nicht umgekehrt.

Unsere Vorfahren haben für die Freiheit gekämpft – wir kämpfen nicht mehr, wir lassen es geschehen. Nicht Feinde – Nachbarn, Bekannte, Schweizer Bürger mit hohen moralischen Ansprüchen rufen heute nach staatlichen Überwachungs- und Kontrollmechanismen, die unsere Individualität massiv einschränken. Ohne Widerstand wird uns diese Entwicklung überrollen, nach und nach, auf dem administrativen Weg, schleichend und im Verborgenen. Stoppt diesen Unsinn an der Wurzel, stärkt den Datenschützer.

Die allgegenwärtige Überwachung durch Kameras auf öffentlichem Grund kommt noch hinzu, und das selbst errichtete „Internet der Dinge“ auf privatem Grund ebenso. DemnächstLogo_ImVisier3

 

 

25.02.2016/Renzo Zbinden

Hände hoch – der Kampf ums Bargeld

Es ist nicht lange her, es war im Mai 2013, da stiess ich mit meinem Artikel „Wozu_noch_Banknoten?“ auf viel Unverständnis. Doch heute, nur zweieinhalb Jahre später, findet man es diskutabel, nicht nur auf Banknoten zu verzichten, sondern gleich – wenn schon – auf das gesamte Bargeld. Niemand regt sich auf, denn viele denken: reine Theorie, wird nie kommen. Doch sie könnten sich gewaltig täuschen!

Beim Kampf ums Bargeld stehen in erster Linie geldpolitische Motive im Vordergrund. Und wer mischelt mit: vorwiegend Makroökonomen, Finanz- und Wirtschaftspolitiker von links bis rechts. Sie nicht?

Im Endeffekt wird es uns alle treffen. Denn es hat etwas zu tun mit logischer Konsequenz aus laufenden Massnahmen, mit Argumenten, die ceteris paribus schwer zu widerlegen sind. Am Anfang waren die Nullzinsen, dann die Gebühren auf Bargeld, dann die Negativzinsen.

Die Abwehrschlacht über die Minuszinsen

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gibt bekannt, dass sie Negativzinsen auf Girokonten bei der SNB einführt (Medienmitteilung vom 18. Dezember 2014). Negativzinsen werden auf jenem Teil der Girokonten erhoben, welcher einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Das Zielband für den dreimonatigen Libor liegt seither bei -1.25% bis -0.25%, angestrebt werden -0.75%.

Wird das Zielband noch tiefer in den negativen Bereich gedrückt, nimmt die Gefahr zu, dass die Geschäftsbanken die Negativzinsen auch an Privatkunden überwälzen. Sollte dies erfolgen, holen die Bürger ihr Geld von den Banken und legen es als Bargeld in die Tresore.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Im Jahr 2014 war im Durchschnitt folgende Stückelung von Banknoten im Umlauf: Von insgesamt 389,9 Mio Banknoten waren 38,3 Mio 1000er Banknoten (oder 9.8%)! Noch aussagekräftiger ist folgende Relation: die Banknoten im Umlauf belaufen sich wertmässig auf 62,7 Mia CHF, davon sind 38,3 Mia CHF 1000er Banknoten (oder erstaunliche 61,1%). Eine Stückelung, die für den alltäglichen Zahlungsverkehr kaum benötigt wird. Ein grosser Teil liegt infolgedessen in den Tresoren! Vgl. dazu meine Ausführungen in „Die_Notenpresse_der_Nationalbank„.

Rein theoretisch könnte ein Banken-Run erfolgen – und um dies zu verhindern, das Halten von Bargeld gesetzlich verboten werden. Und wieder rein theoretisch könnten dann die Zentralbanken das Negativzinsen-Regime hemmungslos ausweiten. Die Sparer würden zwangsenteignet, ebenso institutionelle Einrichtungen wie Pensionskassen. Allfällige Vermögenssteuern auf dem verbleibenden Sparkapital gingen in die gleiche Richtung.

Es ist nicht völlig falsch, dass der Realzins bei einer „Deflationsrate grösser als Negativzins“ immer noch positiv sein könnte. Doch für alle sichtbar liegt Ende Jahr weniger Geld auf dem Konto. Wer will noch sparen in dieser irren Welt (Manna vom Himmel Teil 1), in welcher der Verzicht auf sofortigen Konsum bestraft wird. Überdies ist die Wirkung der Negativzinsen auf steigenden Konsum auch bestritten: Nach der internationalen Bank für Zahlungsausgleich (BIZ) erhöhen niedrige Zinsen die Sparbereitschaft der Konsumenten, weil bei ihnen die Unsicherheit über das zu erwartende Renteneinkommen zunähme! Und die Unternehmen würden die niedrigen Zinsen nicht für Investitionen nutzen, sondern ihre Schulden reduzieren. Die Reinheit der Theorie und die Schweinerei in der Praxis – einmal mehr!

Alternativen zu den Negativzinsen

Zur Diskussion stehen Alternativen wie die Einführung eines Wechselkurses zwischen Bargeld und Buchgeld (auf den Bankkonten) (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wird Bargeld einbezahlt, wird auf dem Konto weniger gutgeschrieben, wird Bargeld abgehoben, ein höheren Betrag ausbezahlt. Die Differenz zwischen Bargeld und Buchgeld könnte je nach Bedarf gesteuert werden („Ökonomen wollen Bargeld abschaffen“, Finanz und Wirtschaft vom 7. Oktober 2015).

oder eine periodische Steuerbelastung von Bargeld in der Höhe der Negativzinsen.

Im Moment sind es diese geldpolitischen Aspekte, die häufig diskutiert und in den Medien kritisch akzentuiert werden. Doch nicht minder bedeutsam sind daneben auch technologische und sozialpolitische Argumente.

Wir nehmen kein Bargeld – die bargeldlose Gesellschaft 

Das Königreich Schweden war das erste europäische Land, das Banknoten eingeführt hat (1661 – Dukaten und Taler). Nun wird es vielleicht eines der ersten Länder, welches das Bargeld abschafft. Das elektronische Portemonnaie im Handy spielt hier die entscheidende Rolle. „Swish“ ist eine von den sechs grössten schwedischen Banken eingeführte App, die es ermöglicht, einander Geld per Handy zu überweisen. Über ein Fünftel der Bevölkerung soll diese App schon installiert haben.

Überhaupt geht der Norden von Europa im Einschränken von Bargeld voraus. Die dänische Regierung hat vorgeschlagen, Geschäfte wie Restaurants, Tankstellen und kleine Läden nicht mehr zu verpflichten, Münzen und Banknoten als Zahlungsmittel anzunehmen. Und die Zentralbank hat angekündigt, die Herstellung von Banknoten und Münzen einzustellen! Auch hier steht das elektronische Portemonnaie im Vordergrund: die Danske Bank führte vor zwei Jahren eine Mobile-Pay-App ein. Inzwischen sollen über 1.6 Mio Dänen diese App nutzen, das wäre fast jeder dritte Einwohner.

Die Euro-Zone zieht nach: In verschiedenen Ländern dürfen Zahlungen über 500 Euro bzw. 1000 Euro (Frankreich) nicht mehr bar erfolgen. Eine solche Restriktion besteht seit einigen Jahren auch in Italien. Und die Schweiz?

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Auch hier ist man unterwegs, Barzahlungen einzuschränken (zur Diskussion stehen Barzahlungen ab CHF 100’000). Und auch hier soll es bald möglich werden, einer zweiten Person via Handy Geld zu überweisen, idealerweise unter Umgehung der Bank (von Privatperson zu Privatperson, Peer-to-Peer, P2P). In der Schweiz konkurrieren Entwicklungen wie Klimpr, Mobino, Muume, Paymit und Twint um die Gunst der Anwender.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das System Paymit ist ein Kooperationsprojekt des Schweizer Bankenplatzes (UBS, SIX, ZKB), bis auf weiteres kostenlos für alle, auch ohne UBS-Konto. Swisscom schliesst sich an und zieht bei Tapit die Notbremse. Auch CS und Raiffeisen sollen interessiert sein. Da die SIX-Technologie bei vielen Detailhändlern installiert ist, sieht man hier Akzeptanzvorteile. Twint, eine Tochtergesellschaft der Postfinance, entwickelt eine alternative Technologie – Datenübertragung per Bluetooth, wobei die Postfinance folgende Prioritäten setzen will: Detailhandel (Coop ist in einem Pilotprojekt), E-Commerce, P2P. Ziel: tiefere Transaktionsgebühren für über eine Mio Anwender.

Weltweit mischen die global Player mit, Apple (mit Apple-Watch), Google und Facebook. Wann es soweit ist und wer letztendlich die Standards setzt ist offen, es kann sich noch viel ändern. Google beispielsweise kündigt ein System an, das mündlich funktionieren soll.

Auch das elektronische Geld in Form einer digitalen Währung ist im Vormarsch. (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Bitcoin funktioniert ohne physisch existierende Wertträger wie Banknoten und Münzen. Bezahlt wird über Rechner oder Handy. Bitcoin beruht auf der Blockchain-Technologie. Sie besteht, wie der Name sagt, aus einer Kette miteinander verbundener Blöcke. Die verschlüsselten Informationen (für eine Zahlung beispielsweise) werden dezentral und für alle Beteiligten einsehbar auf verschiedene Rechner gespeichert und in einem Block an eine bestehende Kette aufgezogen, wie eine Perle auf eine Perlenkette. Die Blockchain ist eine Art Kontobuch, das alle Bitcoin-Nutzer prüfen können. Wer an einem bestehenden Block Veränderungen vornehmen möchte, müsste alle damit verbundenen Blöcke manipulieren um nicht entdeckt zu werden. Dazu reicht die Rechenleistung nicht aus. Die Blockchain-Technik gilt daher als sicher, ein digitales Zahlungssystem ohne Banken und ohne Staaten. Die kleinste Einheit, ein Hundertmillionstel eines Bitcoins,  ist ein Satoshi, genannt nach dem bis heute unentdeckt gebliebenen Erfinder mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto.

Konjunkturpolitik per Knopfdruck

Sollte in absehbarer Zukunft das digitale Geld das Bargeld verdrängen und die Zentralbank in der Lage sein, Negativzinsen per Knopfdruck einzuführen, wäre folgendes Szenarium denkbar:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die massgebenden „Wirtschafts-Ingenieure“ befürchten eine bevorstehende Deflation. Sie bedrängen die Zentralbank, die Negativzinsen markant zu erhöhen. Die Zentralbank im Schlepptau der Politik kündigt an: „Ab 1. März 20XY werden sämtliche Spar- und Kontokorrent-Konten mit einem Negativzins von 10% p.a. belastet“. Die Konsequenz wäre das Ziel: die überwiegende Mehrheit der Konsumenten und Investoren würde für später vorgesehene Ausgaben vorziehen und damit die Wirtschaft umgehend ankurbeln. Bleibt offen, wer die Zinsbelastung von 10% vereinnahmen dürfte. Sicher nicht die Banken, sicher der Staat. Es wäre eine Art Konsum- und Investitionssteuer, deren Lenkung Konjunktur- und Steuerpolitiker gemeinsam mit viel Phantasie und Begeisterung umsetzen würden.

Erschreckend, dass Währungsexperten und Politiker über solche Massnahmen nicht nur träumen, sondern darüber auch diskutieren und publizieren. Natürlich müsste man auch den Besitz von Gold und Fremdwährungen verbieten (Euro-Raum und USA). Doch: Wäre der Besitz von Bargeld, Gold und Fremdwährungen irgendeinmal verboten, nur der Besitz von Schweizer Franken nicht (die schweizerische Bevölkerung stemmt sich mit allen Kräften gegen diese Entwicklung), gewönne der Schweizer Franken zusätzlich an Attraktivität, weltweit, und der Kampf der SNB gegen die Überbewertung des Frankens wäre aussichtslos.

Hehre Motive hinter sozialpolitischen Zielen

Um das politische Umfeld für die Abschaffung von Bargeld nachhaltig zu beeinflussen wird darauf hingewiesen, dass die Einschränkung des Bargelds kriminelle Aktivitäten wie illegale Geschäfte, Geldwäsche, Schwarzarbeit (Schattenwirtschaft) und Steuerhinterziehung erschweren. Auch der Kampf gegen den Terror oder gegen Raub- und Banküberfälle werden als Motive vorgeschoben. Und überhaupt: Bargeld ist unsicher, schmutzig, teuer in der Herstellung und ineffizient als Zahlungsmittel.

Die Summe der technokratischen Aspekte der Geldpolitik, der technologischen Entwicklung im Zahlungsverkehr und der sozialpolitischen Umverteilungsperspektiven führen insgesamt zu einem Gebräu unterschiedlicher Ursachen und Interessen, die das Halten von Bargeld immer mehr einschränken.

Still und leise, nach und nach, auf bürokratischem Weg – und das Bargeld war einmal. Der Kampf ums Bargeld ist eigentlich schon verloren, bevor er richtig begonnen hat. Und die nächste Stufe der finanziellen Repression steht bevor: die totale finanzielle Überwachung durch den Staat.

AIA – der gläserne Konsument im Spiegel derLogo_ImVisier3 Geld- und Sozialpolitik. Demnächst

 

14.01.2016/Renzo Zbinden