Lobbying – der Kampf um die Argumente

Die Entscheidfindung hat etwas gemeinsam mit einem Radwechsel. Man sieht erst im Nachhinein, ob es rund läuft, wie erwartet, oder eben nicht. Wenn nicht, wird nachgebessert, ausgewuchtet. Es bleibt ein Ärgernis, ein ewiges Flickwerk, an dem Herumgebastelt wird.

Kann man vermeiden, Fehlentscheide zu treffen? Davon sei nachfolgend die Rede. Und natürlich auch davon, was es mit Lobbying zu tun hat.

Die Wucht der Argumente

Im politischen Alltag geht es um die Wahl von Handlungsalternativen, wobei auch der Nullentscheid eine häufige Alternative sein kann (es bleibt, wie es ist). Ist der Entscheidungsprozess komplex, was in der direkten Demokratie die Regel ist, sind laufend neue Entscheidungsträger an Bord zu holen, wie Verbände, Parlamentarier und letzten Endes der Stimmbürger selbst. Um das Ganze kompakt und verständlich zu halten, braucht es Argumente. Argumente (lateinisch argumentum) begründen den Zusammenhang zwischen Prämisse (lateinisch praemissa „das Vorausgeschickte“) und Konklusion (lateinisch conclusio „die Schlussfolgerung“).

Nun ist es naheliegend anzunehmen, dass die Qualität der Argumente für die Wahl der Handlungsalternative entscheidend ist, gleichsam einer Wucht (der Argumente), die sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Dachte ich.

Wenn ich in meinem Leben etwas Entscheidendes übernommen habe, das sich als falsch herausstellen sollte, so ist es diese Annahme.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Schon als Dreikäsehoch wurde mir beigebracht, dass alles seine Richtigkeit hat, die  „figures and facts“ da sind, wenn man sie einfordert. Der Lehrer hatte immer Recht (früher sprach man von Herrschaftswissen oder Autoritätsargumenten). Und das Suchen, Bewahren und Vertreten von „wahren“ Argumenten war eine Ehrensache. Wer mit den Argumenten richtig umgehen konnte, war eine Persönlichkeit.

Doch in Politik und Wirtschaft geht es nicht um die Qualität der Argumente, in Politik und Wirtschaft geht es um die persönliche Vorteile.

Im Schatten der Argumente

und nur mit Mühe erkennbar laufen vielseitige Interessen mit. Es können parteipolitisch weit abgesteckte gemeinsame Interessen sein oder einfach nur wirtschaftliche Partikularinteressen. Entscheidend ist, dass nicht diese Interessen vom Absender kommuniziert und vom Empfänger aufgenommen werden, sondern die vorgeschobenen „unwahren“ Argumente. Nicht selten kommt es sogar vor, dass die Reihenfolge von Prämisse und Konklusion umgekehrt wird. Die Schlussfolgerung steht fest, ebenso die Argumente, es werden die Prämissen angepasst (als Variable). Zwei Beispiele:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Holt sich der Verwaltungsrat bzw. der Entschädigungsausschuss (das Compensation Committee) Hilfe von aussen für den Vergütungsbericht, weiss der beigezogene externe Berater sehr wohl, was von ihm erwartet wird: Prämissen aus dem internationalen Umfeld, die zu den Argumenten passen (angebliche Spitzengehälter vergleichbarer internationaler Konzerne beim „search of talents“).

Ein anderes Beispiel: Wer klettert die Karriereleiter empor? Wer nach Argumenten die besten Voraussetzungen erfüllt? Ein Top Shot mit herausragenden Prämissen wie berufliche Erfahrung, Netzwerke, Erfolge (proven track records)? Eine Binsenwahrheit. Es sind Beziehungen, Vorteilserwartungen, Partikularinteressen der Entscheidungsträger. Mag sein, dass auch aus diesem Grund an der Spitze von Konzernen nicht immer jene vertreten sind, die man sich dort eigentlich wünscht. Jedenfalls keine kaschierten Selbstoptimierer und Narzisse.

Die Legitimität eigener Interessen

Letztlich geht es um die Frage, ob es legitim ist, vorwiegend oder ausschliesslich die eigenen Interessen wahrzunehmen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Um beim Alltag zu bleiben:

Der Stimmbürger: Er findet, ein Parkplatz pro Neubauwohnung sei ausreichend, basta. Doch nicht aus ökologischen Gründen sondern nur, weil ihn der Nachbar ärgert, der sich zwei Autos leisten kann. Oder die Medien: Sie nehmen für sich in Anspruch, im Allgemeininteresse und immer nur der Wahrheit verpflichtet zu berichten. Eine linke und rechte Presse dürfte es dann eigentlich nicht mehr geben. Und wie steht es mit der Verwaltung (Dienerin im Volksinteresse), wenn es um die eigenen Arbeitsplätze geht? Und schlussendlich der gewählte Politiker: inwieweit muss und darf er die persönlichen Erwartungen seiner Wähler berücksichtigen?

Sind Einzelinteressen subjektiv und Volksinteressen objektiv. Was sind überhaupt Volksinteressen und wer nimmt diese wahr? Wird das Volksinteresse durch Einzelinteressen korrumpiert? Um es vorwegzunehmen:

Es darf nicht sein, dass Volksinteressen vorgeschoben werden, wo nur Einzelinteressen im Fokus stehen(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Schweizer Bauernverband hat mit seiner Initiative zur „Ernährungssicherheit“ in Kürze 150’000 Unterschriften gesammelt. Nun wird am 24. September 2017 über den Gegenvorschlag des Parlaments abgestimmt, ein Verfassungsartikel, der vom Bund die „Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln“ verlangt. Doch wer sich die Mühe nimmt, den Entwurf zu studieren, entdeckt ganz andere Ziele unter dem Dach der „Ernährungssicherheit“. Es geht um den Schutz des Kulturlandes, um eine standortangepasste ressourceneffiziente und auf den Markt ausgerichtete Lebensmittelproduktion und um grenzüberschreitende Handelsbeziehungen. Einfacher drückt sich Markus Ritter aus, Präsident des Schweizer Bauernverbandes: „Wir (die Bauern) brauchen vor allem Stabilität und Verlässlichkeit“ (im Bund Interview vom 14. Juli 2017).

Nicht nur die Bauernlobby (vgl. dazu „Hochpreisinsel Schweiz“) steht unter dem Generalverdacht, im Parlament Partikularinteressen zu vertreten, auch die Verwaltungsräte sollen in erster Linie unternehmerische und parteipolitische Interessen verfolgen. Doch kaum jemand unterstellt den Funktionären von Gewerkschaften und den Mitarbeitern von NGO’s, vorwiegend sozialpolitische Interessen wahrzunehmen.

In der direkten Demokratie finde der Interessenausgleich im Parlament statt.

Der Interessenausgleich über die Institutionen

Im Parlament prallen die Interessen aufeinander. Da wird gezogen und geschoben, von links nach rechts, von hinten nach vorne, gedroht und belohnt, Fraktionen gebildet und aufgekündigt. Und das Ergebnis aus dem Kampf dieser Interessen: die besten Entscheide im Gesamtinteresse des Volkes? Wohl kaum! Mit der Initiativ- und Referendungsmöglichkeit überlässt man dem Stimmbürger das letzte Wort. Auf diese Weise ist der Interessenausgleich gesichert. Richtig? Oder ist der Interessenausgleich letzten Endes doch nur eine Folge machtvoller Einwirkungen einflussreicher und tonangebender Parlamentarier?

Die NZZ vom 14. März 2016 berichtet in ihrem Artikel über „Aktive Interessenvertreter von links bis rechts, wie die National- und Ständeräte unter dem Bundeshaus lobbyieren“. Gemäss Erhebung der NZZ sind 1671 Organisationen im National- und Ständerat vertreten. Erstaunen mag, dass es nicht die Bauern sind und nicht die Wirtschaftsdachverbände, welche über die grösste Lobby verfügen, es sind mit grossem Vorsprung Hilfswerke, soziale Institutionen und Nicht-Regierungs-Organisationen, gefolgt von „Kultur, Medien, Telekommunikation“ und „Industrie, Energie“.

Swiss Air Force für den Bundesrat

Gemäss NZZ vertreten 200 National- und 46 Ständeräten in zwei Ratssälen partikuläre Interessen. Sie holen sich Lobbyisten zur Informationsbeschaffung und -auswertung, lassen sich zum Informationsaustausch einladen, die Spesen erstatten, in Gremien und Verwaltungsräte wählen.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, soweit es offen erfolgt, oder besser gesagt, soweit es sich theoretisch recherchieren (aufspüren) lässt. Stehen die Parlamentarier zur Wahl oder Wiederwahl, stehen jedoch ganz andere Motive im Vordergrund: „für eine offene Schweiz“, „für Arbeitsplatzsicherheit“, „gleicher Lohn für alle“ … Vereinsmitgliedschaften sind wichtig, Hobbys sind wichtig, doch Interessenbindungen gegen Aufwandentschädigung, um Gottes Willen! Kaum einer lässt sich freiwillig in die Lobbyistenschmudelecke stossen. Im Scheinwerferlicht der Presse und an gesellschaftlichen Anlässen sehen sie sich lieber – verständlicherweise – als Volks- oder Standesvertreter.

In der gleichen NZZ-Ausgabe unter dem Titel „Heimlifeisse Lobbyisten“, immerhin keine liebenswerte Überschrift, steht: „Zu beklagen ist das nicht. Lobbyismus ist integrierter – und legitimer – Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie“.

Wer so argumentiert, spricht dem Stimmbürger eine überdurchschnittliche Intelligenz zu, viel Verständnis und eine hohe Toleranzschwelle. Er steht so quasi über der Sache und lässt sich durch wohlfühlende Argumente nicht übertölpeln und zum Narren halten. Und genau hier liegt der Irrtum. Es stimmt nicht. Den in diesem Sinne gescheiten Stimmbürger gibt es ebenso wenig wie den homo oeconomicus oder den der Ratio verpflichteten Konsumenten. Emotionen sind im politischen Entscheidungsprozess unentbehrlich und essenziell. Alle wissen das.

Die erfolgreiche Beeinflussung durch Lobbyisten fängt beim Bauchgefühl an. Und damit auch die Gefahr wirtschaftlicher und politischer Irreführung. Das erklärt auch, weshalb das Wettbewerbsrecht derart stumpf und der Konsumentenschutz derart harmlos geblieben ist. Lobbying funktioniert.

Lobbying – im Notfall auch gegen den Wind

Mit Lobbying, aus dem Englischen für „to seek to influence on an issue“, nehmen „Lobbys“ Einfluss auf die Meinungsbildung der Entscheidungsträger (in Politik und Wirtschaft). Sie beschaffen sich Informationen, suchen und knüpfen persönliche Beziehungen, erarbeiten Stellungnahmen und beeinflussen die öffentliche Meinung. Sie handeln auftrags- oder mandatsbezogen für Interessengruppen, ihre Kunden.

Lobbying, eine Randerscheinung in einer demokratischen Entscheidfindung, ein berechtigtes Anliegen übergangener Minderheiten? Die Relevanz von Lobbying in der Schweiz wird krass unterschätzt, was schon folgende Zahlen eindrucksvoll bezeugen: Gemäss Magazin (25/2015) erzielen an die tausend Lobbyisten eine Milliarde Umsatz p.a. Eine Milliarde, um notfalls auch gegen den Wind Entscheide zu erwirken, Partikularinteressen zum Durchbruch zu verhelfen?

Wer wissen will, was Lobbying alles umfasst, soweit es nicht in der Dämmerung stattfindet, sondern im vollen Licht und geregelt im Rahmen der Standesregeln der Lobbyistenvereinigung, der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (Spag), findet in Art 1 unter dem Begriff „Interessenvertretung“:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Die Interessenvertretung bezweckt die Teilhabe betroffener Kreise aus Wirtschaft und Gesellschaft an staatlichen Vorhaben. Sie ist verfassungsrechtlich verankert (Art. 147 BV) und stellt einen unverzichtbaren Bestandteil demokratischer Meinungsbildung dar“. Art. 6 „Sorgfaltspflichten und Offenlegung“ gibt Einblick in das Tätigkeitsgebiet der Lobbyisten. Lobbying umfasst:

  • Informationsvermittlung bei und Einflussnahme auf Regierungsmitglieder, Verwaltung sowie von der Regierung und der Verwaltung eingesetzte Gremien, Parlamentsmitglieder und deren Mitarbeiter, Gremien und Mitarbeiter politischer Parteien
  • Medienarbeit mit dem Ziel der Beeinflussung der Akteure
  • Übernahme politischer Ämter
  • Einsitznahme in Gremien, die von der Regierung und der Verwaltung eingesetzt sind
  • Issue-Monitoring, -Management und Stakeholder-Management
  • u.a.

Professionelle Einflüsterer? Reicht nicht, mehr als das. Schon die Informationsvermittlung kann gezielt erfolgen. Und die Einflussnahme per se wirkt manipulativ und schränkt die Unabhängigkeit der Entscheidungsträger ein.

Unabhängigkeit, doch für wen?

Der Transparenz dient ein Register der Mitglieder, das im übrigen öffentlich zugänglich ist (Homepage SPAG). Das Register enthält neben den persönlichen Angaben die Arbeitgeber und die Funktionen. Unter Funktionen finden sich Geschäftsführer von Verbänden, wissenschaftliche Mitarbeiter, Public Policy-, Public Relations- und Public Affairs-Manager, Mitarbeiter Business Communications und Consultants.

Wieweit die Offenlegung gehen und welche Auftraggeber und Mandate sie umfassen soll wird hingegen kontrovers diskutiert. Wo enden die Public-Relations und Corporate-Communications Mandate, die keinem eigentlichem Lobbying entsprechen und wo beginnen die offenlegungspflichtigen Mandate mit Kontakten zu Dritten, wie Medien, Verwaltung, Politik? Eigentliche Lobbyagenturen wie Burson-Marsteller, Furrerhugi und Farner, die auf Mandatspraxis arbeiten, wollen offenbar keine weitergehenden Transparenzanforderungen erfüllen. Andererseits haben fest angestellte Interessenvertreter von Banken-, Pharma- und andere Verbände weniger Mühe damit (Mitglieder).

Dabei darf nicht übersehen werden, dass mehrere promintente Lobbyisten nicht Mitglieder des Spag sind. Das Image der Branche bleibt widersprüchlich bis schlecht. Eine Abkehr der löcherhaften Selbstregulierung durch eine gesetzliche Regelung (Lobbygesetz) ist deshalb vermutlich nur noch eine Frage der Zeit.

Jeder Vergleich hinkt, und doch kann er wertvolle Parallelen aufzeigen. Die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer(Klicken Sie zum Weiterlesen)

und Revisionsstellen – in der Sache völlig unbestritten – ist heute ausufernd geregelt. Dem Grundsatz nach umschreibt Art. 728 OR, was mit der Unabhängigkeit unvereinbar ist. Darüber hinaus zeigen die Standes- und Berufsregeln der EXPERT Suisse (die „Richtlinien zur Unabhängigkeit 2007“, mit Änderungen per 1. Dezember 2014) im Einzelnen, was die Unabhängigkeit gefährden könnte. Lebensabschnittspartner und nahe Verwandte (Eltern, Geschwister und finanziell unabhängige Kinder) bleiben nicht unerwähnt.

Es ist schon merkwürdig bis auffallend: da regelt der Gesetzgeber, die Bundesparlamentarier, die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer in aller Breite und Tiefe, mit grosser Zustimmung der Medien und der Stimmbürger. Doch geht es um sie selbst, um ihre freie Meinungsäusserung und Unabhängigkeit, sind sie sehr grosszügig bis ahnungslos mit sich selbst. Sie dürfen das, abhängig sein. Es ist schliesslich kein Berufsparlament. Und von Art. 161 BV (Instruktionsverbot) spricht überhaupt niemand:

1 Die Mitglieder der Bundesversammlung stimmen ohne Weisungen.

2. Sie legen ihre Interessenbindungen offen.

Und warum eigentlich schlägt niemand eine Brücke in Richtung Bestechung und Korruption:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

StGB Art 322 sexies1, Bestechung schweizerischer Amtsträger/Vorteilsnahme: „Wer als Mitglied einer richterlichen oder anderer Behörde, als Beamter, als amtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher oder als Schiedsrichter im Hinblick auf die Amtsführung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft“, in Verbindung mit Art 322 quater (Vorteilsgewährung).

Wie unabhängig müssen gewählte Politiker in einem Milizparlament sein?

Sind wir nicht alle der Meinung, die Parlamentarier vertreten in erster Linie die Interessen der Schweiz, vielleicht noch unter dem Dach parteipolitischer Vorstellungen?

Wussten Sie, dass sich Parlamentarier bezahlen lassen. Sie dürfen Einsitz nehmen in Verbände und Gewerkschaften, Zutrittsberechtigungen zum Parlament (Badges) an Lobbyisten verteilen:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Jedes Ratsmitglied kann für je zwei Personen, die für eine bestimmte Dauer Zutritt zu den nichtöffentlichen Teilen des Parlamentsgebäudes wünschen, eine Zutrittskarte ausstellen lassen“ (Art 69 Abs 2 Parlamentsgesetz).

Kampfflugzeugbeschaffung: Lobbying für den „Gripen

und selbst Lobbying Mandate übernehmen. Unsere Bundesparlamentarier müssen ihre Nebeneinkünfte noch nicht einmal detailliert offenlegen. Die SonntagsZeitung vom 14.5.2017 machte es zum Thema: „Lobbyisten drängen an die Macht“. Wobei offenbar viele ihre Mandate erst erhalten, nachdem sie Einsitz genommen haben in wichtige parlamentarische Kommissionen. Die Entschädigungen sollen bis zu 10’000 Franken für vier Sitzungen pro Jahr betragen. Gemäss den Lobbyverbänden gehe es dabei um „informellen Austausch“. Vermuten darf man eine brachiale Einflussnahme auf politische Entscheide gegen rüde Bezahlung!

Über hundert Verbände schmücken sich mit einem Präsidenten in den beiden Räten! Und nach vorherrschender Meinung sei es sogar Courant normal, dass diese ihre Verbands- und Geschäftsstelle auf dem Laufenden  halten („Direkter Draht ins Parlament“, NZZ vom 8.7.2015). Neue Traktanden aus den Kommissionssitzungen finden auf diese Weise, trotz Kommissionsgeheimnis, eine rasche Aufarbeitung bei den betroffenen Interessenten. Hinzu kommt, dass die Verbände einen verfassungsmässig garantierten Anspruch haben, bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse zu einer öffentlichen Stellungnahme eingeladen zu werden. Dieses Vernehmlassungsverfahren ist weltweit einzigartig. Ressourcenstarke Verbände aus der Finanz- und Pharmaindustrie gehen frühzeitig und kraftvoll in die Startpflöcke. Ressourcenschwachen Verbänden zugunsten der Konsumenten, Patienten, Arbeitnehmern geht schon nach wenigen Metern die Luft aus (schon in der vorparlamentarischen Phase).

Es sind nicht Argumente, die sich durchsetzen, es sind – wie eingangs erwähnt – die Partikularinteressen. Viele Initiativen zur Korrektur dieser Art von Entscheidbildung sind bisher ergriffen worden, alle sind stecken geblieben. Neue sind in der Pipeline: wie die angestrebte Volksinitiative der Sozialdemokraten, nach welcher die Bundesparlamentarier kein Mandat mehr bei einem Krankenversicherer ausüben dürfen.

Milizparlamentarier sollen berufstätig bleiben, Interessenkonflikte seien hinzunehmen. Doch nicht einmal die Mindesterfordernis, volle Transparenz der Geschäftsbeziehungen, lässt sich durchsetzen. Gibt das nicht zu Denken?

Licht durch Transparenz

In Anlehnung an den Lösungsansatz von Eric Martin, Präsident von Transparency International Schweiz, in seinem Gästekommentar vom 6. April 2017 in der NZZ, könnten kurzfristig folgende Massnahmen realisiert werden:

  1. Ein öffentliches Akkreditierungssystem mit einem für alle einsichtbaren Register (im Internet) mit Mandaten (Auftraggeber) für alle Interessenvertreter (Verbände, Agenturen, NGO’s), die nicht selbst im Parlament sitzen
  2. Für Parlamentarier eine lückenlose Offenlegung ihrer Mandate
  3. Ein legislativer Fussabdruck über den Meinungsbildungsprozess (nachvollziehbar über Aufnahme- und Beschlussprotokolle), eingeschlossen die finanziellen Mittel, die dazu zur Verfügung stehen
  4. Eine gesetzlich verankerte Karenzzeit für Parlamentarier einerseits und für das Kader der öffentlichen Verwaltung andererseits, um zu verhindern, dass diese unverzüglich nach Beendigung ihrer Tätigkeit „die Seite wechseln“.

Ob das hilft? „Wenn die Bevölkerung nicht erfahren darf, wer mit welchen Mitteln in wessen Auftrag auf welche politischen Entscheidungen einwirkt, wird das für eine Demokratie zum Problem“ (Das Magazin 25/2015).

Und man darf nie vergessen: Im Mittelpunkt des Problems steht nicht der akkreditierte Lobbyist in der Wandelhalle des Parlaments, und nicht die erfolgreiche Lobbyagentur mit einem zwielichtigen Image. Im Auge des Tornados steht der gewählte Parlamentarier, der unabhängig von persönlichen Vorteilen die Interessen der Schweiz wahrnehmen sollte. Wir sind schliesslich keine Bananenrepublik, oder doch?

Als junger Kantonsschüler habe ich gemeinsam mit Kollegen eine neue Partei gegründet und im Jugendparlament vertreten: die „Objektive Partei“. Rundum wohlwollendes Grinsen. Ich kann es heute verstehen.

28.07.2017/Renzo Zbinden

 

EL’FE das Steuerreform-Paket

Steuern Schweiz Teil 3: Die Steuerreform im Paket

Das Steuersystem der Schweiz ist historisch gewachsen. Notwendige Anpassungen waren das Ergebnis politischer Vorstösse und Kompromisse. Heute stehen wir vor einem Wildwuchs von Steuergesetzen, -verordnungen und -entscheiden. Teil 1 und 2 der Trilogie Steuern Schweiz sollten aufzeigen, dass jetzt eine strukturelle Steuerreform dringend ist.

Fünf vor zwölf 

Unser Wohlfahrtsstaat: er sollte ursprünglich allen Bedürftigen eine Stütze sein. Ist er immer noch. Er verhindert den freien Fall ins Ungewisse. Doch mehr noch ist er heute Ursache und Quelle für einen breiten Strom universeller, billig oder gratis zugänglicher Leistungen.

Die Erwartungen aller, nicht nur der Bedürftigen, sind inzwischen derart gestiegen, dass man sich fragen muss, wer diese erstens in naher Zukunft noch finanzieren soll, dazu zweitens in der Lage ist und drittens es ohne Widerstand tut. Denn irgendeinmal wird der gebeutelte Steuerzahler die Bringschuld verweigern. Irgendeinmal genügt es ihm nicht mehr, als Steuernomade von Steueroase zu Steueroase zu ziehen. Irgendeinmal möchte er „zuhause“ bleiben, in einem verträglichen Steuerklima in Steuerehrlichkeit leben.

Die strebsamen und wirtschaftlich Erfolgreichen ermatten, seien es Entrepreneure die sich feiern lassen oder stille Führungskräfte aller Stufen, die sich voll einbringen. Sie fühlen sich fiskalisch ausgenommen und persönlich ausgegrenzt von einer breiten Bevölkerung, welche die Vorteile des Wohlfahrtsstaates in Anspruch nimmt ohne sich darüber Gedanken zu machen, wer diese finanziert(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Sie reduzieren ihre Arbeitszeit oder gehen frühzeitig in Pension. Oder sie hören auf die Stammtischvorschläge zur Steuer“optimierung“ und überschreiten dabei die Schwelle zwischen Steuerumgehung und Steuerhinterziehung contre coeur. Den Gedanken folgen Taten, den Taten ein schlechtes Gewissen, Schlaflosigkeit und die Angst, jederzeit „auffliegen“ zu können. Jeder kennt solche Fälle.

Auf der anderen Seite die Max Wolle’s (Steuern Schweiz Teil 2), die wenig bis gar keine Steuern bezahlen und mit gutem Gewissen innert Minuten einschlafen (auch am Arbeitsplatz). Die gebeutelten Steuerzahler nennen sie

„Gratisbürger“

ein nicht sehr schmeichelhafter Terminus, der auch nicht zutreffend ist. Alle Steuerpflichtigen bezahlen Steuern.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Abgesehen von einer allfälligen „Kopfsteuer“ fallen Mehrwertsteuern an, dazu Gebühren und Abgaben aller Art. Davon sei nachfolgend nicht die Rede. Im Vordergrund stehen die kantonale Einkommens- und Vermögenssteuer und die direkte Bundessteuer; aus Kompensationsgründen eingeschlossen ausserdem die Erbschaftssteuer. Und wenn schon reformieren, dann auch richtig: inklusive Unternehmenssteuern.

Die Macht der Steuerbefreiten

Viele bezahlen wenig bis keine Steuern, mehr als Sie denken. Steuerbefreite und -begünstigte verspüren keinen Steuer-Leidensdruck. Ihre persönliche Situation vor Augen kämpfen sie mit anderen Problemen: Unsicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, Schulden, gesundheitliche und andere Probleme. Finanzielle Engpässe stehen im Vordergrund ihrer Gedanken. Alleinerziehende, Jugendarbeitslose, schlecht Ausgebildete, ältere Arbeitskräfte, sie würden gerne mit Ihnen tauschen, wenn es um Ihre Steuern geht. Mehr Steuern, dafür höheres Einkommen? Tönt gut.

Ohne auf die sozialen Aufgaben des Staates eingehen zu wollen geht es hier möglichst emotionslos zur Kenntnis zu nehmen: Ein grosser Teil der Bevölkerung erwartet keine Steuerreform, die andere entlastet. Sie würden die Reform auch nicht unterstützen, im Gegenteil.

Wer sind diese Steuerbefreiten? Ab welchem Bruttoeinkommen sind Steuern fällig? Dazu liegen umfangreiche Auswertungen vor(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Für Doppelverdiener mit 2 Kindern beginnt die Steuerpflicht im Appenzell ab einem Bruttoeinkommen von CHF 24’638 (nicht zu verwechseln mit dem steuerbaren Einkommen). In Zürich ab CHF 47’924, in Bern ab CHF 43’380 und in Genf erst ab CHF 79’010! Dabei unberücksichtigt ist die allenfalls erhobenen Mindest- bzw. Personal- oder „Kopfsteuern“, wie eingangs erwähnt (Eidg. Steuerverwaltung, Steuerbelastung bei den Kantonshauptorten 2015, vom 18.07.2016).

Während in Genf jeder Dritte steuerbefreit ist leiden Grossverdiener unter  Spitzenbelastungen!

Im Gegensatz dazu der Kanton Schwyz: Für Grossverdiener ein Steuerparadies, für tiefe Einkommen eine Steuerhölle.

Bei der direkten Bundessteuer bleiben 30 Prozent der Haushalte ohne Steuerbelastung. Ledige Steuerpflichtige bezahlen Steuern ab CF 24’230, Doppelverdiener mit 2 Kindern erst ab CHF 114’470, vorher nicht!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Finanzwissenschaft beschäftigt sich u.a. mit dem optimalen Steuersatz, der irgendwo zwischen zwei Grössen liegt: Bei null fallen keine Steuereinnahmen an, bei einem Steuersatz von gegen Hundert ist niemand mehr bereit, steuerpflichtiges Einkommen zu erwirtschaften. Dazwischen liegt das Optimum. Wird es überschritten, nehmen die Steuereinnahmen ab. Zu progressive Steuersätze hält Erfolgreiche davon ab, aktiver zu werden.

Je höher der Anteil der Steuerbefreiten, je grösser die Gefahr, in eine „Tyrannei der Steuerbefreiten“ zu schlittern. Denn diese bestimmen die Steuerlast der Steuerzahler, rein demokratisch! Als treffendes Beispiel dazu wird oft Frankreich erwähnt, wo nur 47% der Haushalte Einkommenssteuern bezahlen. Steht uns das bevor? Ist uns das bekannt?

Die Leistungsträger der Gesellschaft fallen in die Steuergrube

Die Höhe der kantonalen und kommunalen Steuern ist progressiv gestaffelt, unterschiedlich stark je nach Kanton (und Gemeinden). Das heisst: Mit jedem zusätzlich verdienten Einkommen (und mit jedem zusätzlich angesparten Vermögen) fliesst ein höherer Anteil an die Steuerverwaltung. Extrem progressiv bis hinauf zur Maximalbelastung ist die direkte Bundessteuer. Wohlhabende Steuersubjekte tragen auf diese Weise mehr zur Finanzierung der Allgemeinheit bei als weniger wohlhabende. Diese Ungleichheit ist sozialpolitisch erwünscht und grundsätzlich unbestritten. Nur das Ausmass ist bestritten.

Als Folge der Progression rutschen immer mehr Durchschnittsverdiener, insbesondere aber Leistungsträger mit variablem Lohnanteil, in eine höhere Steuerbelastung. In der Hochpreisinsel Schweiz mit sicherem Teuerungsausgleich und fast sicherer Reallohnerhöhung erhält die Steuerverwaltung auf diese Weise jedes Jahr höhere Steuern (welche die Politiker in der Absicht Wählerstimmen zu erhalten auch bereits wieder ausgegeben haben), und zwar auch ohne Erhöhung der Steuersätze. In Ergänzung dazu wird in die Trickkiste gegriffen. So wird beispielsweise der Eigenmietwert des Wohneigentums erhöht, indexiert über ganze Gebiete, und –  was für ein Wunder – zusätzliche Einkommenssteuern fliessen auch ohne zusätzliche Einkommen. Sehr verwaltungseffizient.

Werden auf Druck der Bürgerlichen die Steuern gesenkt, sprechen linke Kreise von Steuergeschenken, die man sich nicht leisten könne. So kam es, dass der Kompromiss zwischen links und rechts bisher zum Ergebnis hatte, in erster Linie mehr Gratisbürger zu erhalten. Um die Steuerbelastung auf der Extrameile kümmerte sich niemand. Ehrgeizige (Klassenbeste) hat niemand so richtig gerne.

Der Staat wäre gut beraten, in erster Linie die Leistungswilligen zu fördern und nicht die Lebenskünstler

Wer seine Leistung reduziert und seine Lebensziele ändert („work life balance“), sollte das tun können, aber eben nicht zulasten der Leistungsträger. Doch was tun die Politiker in ihrem Kampf um Wählerstimmen?

Im Stehen erstarrt

Zwei Schritte nach links, ein Schritt nach rechts, zwei Schritte nach rechts, ein Schritt nach links. Doch da war man schon! Wer immer nach links schaut, vorprescht, dann leicht nachgibt, oder eben nach rechts vorprescht und dann nachgibt, hat den Kopf nicht frei für einen Schritt nach vorne. Und nur der Schritt nach vorne bewegt, verändert.

Die notorischen „Schrübeler“ sind ein Auslaufmodell

Gefragt sind neue Perspektiven, neue Horizonte, unverbrauchte Politiker. Politiker, die mehr oder weniger selbstlos die Schweiz für die nächsten Jahrzehnte fit trimmen wollen. Ohne Flickwerk. Die noch an Argumente glauben und ihr Heil nicht in der Parteitaktik suchen. Die neue Netzwerke bilden, über links und rechts hinaus, um das Treten an Ort zu überwinden, um den Schritt nach vorne zu wagen. Politiker die begeistern können.

Es muss sie geben, es gab sie immer. In dieser Erwartung:

Fundamente für das Steuerreform-Paket EL’FE

Das Reformpaket soll methodologisch ähnlich strukturiert sein wie die gescheiterte Unternehmenssteuerreform III: Mit einem Overruling für alle und einem Baukasten für die Kantone.

Fünf Massnahmen:

1. Bund und und Kantone senken die stark progressiven Steuersätze für steuerbare Einkommen zwischen CHF 100’000 und CHF 500’000. Ergänzend zimmern die Kantone einen Rahmen, um die Vorteile für Steuernomaden in Grenzen zu halten 

Die kantonalen Unterschiede bei der Steuerbelastung der Leistungsträger sind gewaltig. Zwar soll der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen (und den Gemeinden) grundsätzlich erhalten bleiben, jedoch durch Leitplanken in engere Bahnen geführt werden.


2. Die Kantone unterstützen die Vermögensbildung durch ergänzende Steuererleichterungen. Der Vermögensertrag wird zum reduzierten Einkommenssteuersatz besteuert. Auf die Vermögenssteuer selbst ist zu verzichten

Dass viele erstens über kein Eigentum verfügen (mit Ausnahme der blockierten PK-Guthaben) und dieses zweitens sehr konzentriert bei wenigen liegt, ist ethisch untragbar und politisch brisant.

Leistungsträger wollen Eigentum. Eigentum fördert die Sicherheit, eine vorübergehende Arbeitslosigkeit zu überbrücken. Doch es soll keine massgeschneiderte Lösung für Leistungsträger alleine sein. Der Staat soll vielmehr verpflichtet werden, Eigentum über das bisherige hinaus für alle zu fördern, beispielsweise durch steuervorteilhafte Bausparmodelle.

Der Eigenmietwert als Steuerbasis für die Einkommenssteuer ist ersatzlos zu streichen. Ebenso die Vermögenssteuer. Der Vermögensertrag selbst wird zum hälftigen Einkommenssteuersatz besteuert.

Sparen soll sich wieder lohnen.


3. Die Altersrenten sind reduziert steuerpflichtig

wie das teilweise schon früher der Fall war. Diese Steuerwohltat trägt erstens der Entwicklung Rechnung, dass die Kaufkraft der Pensionierten laufend abnimmt (durch die vom Staat erwünschte Teuerung). Die Massnahme trägt zweitens dazu bei, dass das gesparte Vermögen länger ausreicht, um die überbordenden Kosten für Alters- und Pflegeheime zu decken. Und drittens wirkt sie als Korrektiv für voraussichtlich sinkende Altersrenten.


4. Die wegfallenden Steuererträge (aus den Massnahmen 1 bis 3) sind zu kompensieren durch eine eidg. Erbschaftssteuer (auch für Nahestehende) und eine Beteiligungsgewinnsteuer

Die Erbschaftssteuer (an Nahestehende) dient im Reformpaket als Kompensationsmassnahme. Sie ist in keiner Weise nur zusätzliche Quelle für Steuereinnahmen, wie linke Kreise dies heute immer wieder vorschlagen.

Von einer Kapitalgewinnsteuer wie früher ist abzusehen. Hat der Kleinaktionär den Mut, Wertpapiere zu kaufen und Risiken einzugehen, soll er unterstützt und nicht steuerlich bestraft werden. Hingegen ist es wenig verständlich, dass Grossaktionäre beim Verkauf von ganzen Beteiligungspaketen Milliardengewinne einstreichen ohne jede Steuerfolgen. Denn hinter den Milliardengewinnen stehen in der Regel Tausende von Mitarbeitern und nicht nur Ankeraktionäre. Mit der Beteiligungsgewinnsteuer (für nicht Buchführungspflichtige) geht ein Teil der Gewinnschöpfung an die Allgemeinheit zurück.


5. Auf Unternehmenssteuern ist zu verzichten

Unternehmenssteuern sind in der Schweizer Bevölkerung vom Grundsatz her unbestritten. Die Mehrheit geht davon aus, dass damit die Steuerlast der natürlichen Personen entlastet werde bzw. eine Senkung der Unternehmenssteuern zu einer höheren Belastung der natürlichen Personen führen müsste. Diese Hypothese war im Übrigen ein im Vordergrund stehendes Kriterium im Kampf gegen die Unternehmenssteuerreform III. Sie beruht auf einem kapitalen Denkfehler, der jedoch nicht ganz einfach nachzuweisen ist.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Unternehmung hat wirtschaftliche Ziele. Sie handelt gewinnorientiert und sichert auf diese Weise ihre Weiterführung. Für die Unternehmung sind Unternehmenssteuern Kosten (Mittelabflüsse). Sie werden ähnlich wie die Verwaltungskosten auf die Kostenträger überwälzt (Produkte und Dienstleistungen). Auf diese Weise sind die Steuern im Verkaufspreis enthalten, oder mit anderen Worten, der Kunde trägt die Unternehmenssteuern über die Endverkaufspreise (ähnlich wie die Mehrwertsteuern). Kann die Unternehmung die Unternehmenssteuern nicht auf die Verkaufspreise überwälzen, beispielsweise aus Konkurrenzgründen, reduziert sie die Löhne ihrer Mitarbeiter oder die Dividenden ihrer Aktionäre.

Es sind immer die Stakeholder, welche die Steuern tragen, allerdings ohne es bewusst zu tun. Die Kunden bezahlen mehr, die Mitarbeiter und Aktionäre erhalten weniger.

Folgerichtig könnte man die Steuern der natürlichen Personen leicht anheben und auf die Unternehmenssteuern ganz verzichten. Dann bezahlt der Konsument weniger für die Produkte und Dienstleistungen, alternativ erhält der Mitarbeiter mehr Lohn und der Aktionär mehr Dividende (vgl. dazu auch: Auf Unternehmenssteuern sollte verzichtet werden, Pierre Bessard in Finanz und Wirtschaft vom 01. 02. 2017). Pierre Bessard sagt zu Recht, dass über die Unternehmenssteuern die wahre Belastung verschleiert wird, was zwar im Interesse des Staates liegen mag, der Steuerpflichtige die volle Steuerbelastung jedoch unterschätzt.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die effektive Lastenverteilung zu kennen und zu regulieren dürfte jedoch schwierig sein. Vertiefte Abklärungen wären erforderlich.

Die Vorteile wären gewaltig. Bei einem vollen Steuerverzicht würden erstens die internationalen Wettbewerbsvorteile für in der Schweiz ansässige Unternehmen dramatisch zunehmen. Eine Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III wäre obsolet. Zweitens würden die Unternehmen im administrativen Bereich stark entlastet. Drittens ist es die primäre Aufgabe der Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen und leistungsgerechte Löhne zu bezahlen, und nicht die Ausgaben des Staates zu finanzieren. Und viertens könnten Bund und Kantone massiv an Verwaltungskosten einsparen.


Der Weg zum Erfolg ist steinig, die Übergangslösungen

Ohne Zweifel, die Kunst liegt im Detail. Und ohne Planrechnungen geht es auch nicht. Übergangslösungen erleichtern die politische Machbarkeit. Damit die Steuerparadiese nicht von heute auf morgen entvölkert werden, sind stufenweise Anpassungen vorzusehen, im gleichen Zug Steuerhöllen zu entlasten.

Wer bisher Jahr für Jahr, ein Leben lang, Vermögenssteuern bezahlt hat, darf mit der neuen Erbschaftssteuer nicht doppelbesteuert werden. Gestreckte Übergangslösungen sollen dies verhindern (beispielsweise eine nach Jahren gestaffelte Erhöhung der Erbschaftssteuersätze oder eine Anrechnung der bisher bezahlten Vermögenssteuern an die Erbschaftssteuern). Mit der Digitalisierung von heute sind Lösungen möglich, die verwaltungstechnisch früher undenkbar waren.

Gestandene Berufspolitiker werden der Auffassung sein, ein Steuerreform-Paket der skizzierten Art gehöre in die Märchenwelt der Fabelwesen. EL’FE ist ein solches Fabelwesen: Ein weibliches Geschöpf mit Zauberkraft.

In einem Land der „Schrübeler“, wo alle Lösungen über Kompromisse gesucht werden, seien fundamentale Eingriffe in bestehende Strukturen reines Wunschdenken. Vermutlich schon. Wir sagen zwar, Frankreich sei reformunfähig, Italien auch, Griechenland sowieso, doch die Schweiz …

Eben: Und das Steuerrefom-Paket hat eine einfache, verständliche und klar definierte Botschaft:

EL’FE

Entlastung der Leistungsträger ‚ Förderung der Eigentumsbildung

Der Wunsch nach Anerkennung der persönlichen Leistung auf der einen Seite und nach einem gewissen Vermögen auf der anderen Seite ist eine starke Plattform für ein Generationenprojekt. Der über Jahrzehnte gewachsene und vielfältigen Interessen tragende Dschungel an Steuergesetzen, -verordnungen und -entscheiden würde fundamental aufgeforstet.

Vorbehalt

Mit verständlichen Aussagen und klar formulierten Empfehlungen riskiert man, „aus dem Zusammenhang“ zitiert zu werden. Ich bin nicht für die Einführung einer Erbschaftssteuer (für Nahestehende) und nicht für die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer als solche. Ich bin für diese Massnahmen nur und ausschliesslich als Gegenfinanzierung für die steuerliche Entlastung der Leistungsträger, für den Verzicht auf die Vermögenssteuer und den Verzicht auf die Vermögensertragssteuer zum vollen Einkommenssteuersatz.

Ich bin für die Vermögensbildung auch für jene, die dazu bisher nicht in der Lage waren

Und ein Ausblick auf demnächst

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Die aufgeführten Argumente zum Steuerreform-Paket kommen nicht aus dem politisch linken oder rechten Minenfeld. Massgabend waren ethische und staatspolitische Überlegungen. Doch es ist eine Binsenwahrheit, dass mit Argumenten keine Schlacht gewonnen wird, der politische Lösungsprozess folgt anderen Gesetzen.

Lobbying – die Unwucht der Argumente

16.05.2017/Renzo Zbinden

 

 

 

 

Die Leistungsträger in der Steuerfalle

Steuern Schweiz Teil 2: Die Leistungsträger

Sie erinnern sich: Rodolfo Buletti aus Cadro (Gemeinde Lugano seit 2014) hat Steuern hinterzogen. Das gegen ihn eröffnete Verfahren hat sich in die Länge gezogen. Zurück bleibt für ihn das Gefühl, Unrechtes erfahren zu haben. So seien die Nach- und Strafsteuern unverhältnismässig gewesen (ein Mehrfaches der hinterzogenen Steuern). Seither misstrauisch verhält sich auch die Steuerverwaltung. Sie will neuerdings alles belegt haben.

Die modernen Steuernomaden ziehen weiter

Als ihm sein Arbeitgeber (eine grosse Versicherungsgesellschaft) die Möglichkeit eröffnet, in Bern zu arbeiten, sogar noch verbunden mit einer Beförderung, beginnt er zu rechnen. Mit folgenden steuerrelevanten Daten:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Verheiratet, 2 Kinder, Konfession röm-kath, Nettogehalt neu p.a. CHF 160’000, aufgerechnete Spesen CHF 10’000, Nebenerwerb aus selbständiger Tätigkeit CHF 30’000, Nettogehalt seiner Frau Stella CHF 45’000, Vermögensertrag CHF 5’000, Eigenmietwert Cadro nach Pauschalabzug Unterhalt CHF 22’000, Hypothekarzinsen CHF 12’000, übrige Berufs- und Sozialabzüge CHF 10’000

Steuerbares Einkommen p.a. insgesamt CHF 250’000, steuerbares Vermögen (inklusive Steuerwert der Liegenschaft Cadro) CHF 900’000. Damit ist er noch nicht bei den Grossverdienern und weit davon entfernt, sich reich zu fühlen. Nach seiner Meinung gehört er zum oberen Mittelstand. Für die Steuervergleichsrechnung stehen ihm verschiedene Modellrechner zur Verfügung. Er wählt den Steuerrechner der homegate-Plattform und kommt zu folgendem Ergebnis:

Rodolfo Buletti bezahlt in der Gemeinde Lugano Steuern (Kanton, Bund, Kirche) im Betrage von CHF 72’700. Zieht er nach Bern, bezahlt er CHF 82’200 (CHF 9’500 oder 13,1% mehr). Seine in Aussicht gestellte Lohnerhöhung ginge zum grossen Teil an die Steuerverwaltung. Wie wäre es, wenn er statt nach Bern noch Zug ziehen dürfte?

In Zug bezahlt er noch CHF 48’700 (33.0% oder CHF 24’000 weniger), eine massive Steuerentlastung!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Doch jetzt kommen alle und sagen, dafür seien die Wohnkosten in Zug höher. Das trifft zu, jedoch nur für Mieter. Rodolfo Buletti kauft eine Wohnung mit Blick auf den Zugersee, die zwar mehr kostet als sein Einfamilienhaus in Cadro. Damit nehmen die Hypothekarzinsen (steuerlich abzugsfähig) leicht zu. Doch verkauft er seine Wohnung später, erhält er den Kapitaleinsatz zurück (mit ein wenig Glück sogar noch mehr). Bleibt er in Lugano (mit massiv mehr Steuern) und zieht erst später weiter, erhält er von der Steuerverwaltung rein gar nichts zurück. Die Steuern sind weg, für alle Zeiten! Die höheren Wohnkosten in Zug haben keinen Einfluss auf die Steuerersparnis.

Rodolfo Buletti „spart“ in Zug jedes Jahr CHF 24’000 an Steuern! Reinvestiert er diese Steuerersparnis über Jahre kommt er auf diese Weise auf ein stattliches Vermögen. In Lugano wäre es verloren.

Glas Klar zügelt

Lassen wir im Vergleich noch Glas Klar zügeln, Informatiker, ledig, keine Kinder, keine Konfession, kein Vermögen, als Mieter wohnhaft in Bern, mit folgenden steuerbaren Daten: Nettoeinkommen CHF 110’000, Berufs- und Sozialabzüge CHF 10’000, steuerbares Einkommen p.a. insgesamt CHF 100’000.

In Bern bezahlt er Steuern von CHF 24’700, in Zürich wären es noch CHF 18’700 (24,3% weniger). Zieht er von Bern nach Zug sind es noch CHF 13’200 (oder 46,5% weniger!).

Diese Steuervorteile irritieren. Steuerpflichtige aus den Hochsteuerkantonen wünschen eine Steuerharmonisierung, vermutlich verbunden mit der Hoffnung, die persönliche Steuerbelastung auf diese Weise zu reduzieren. Auch die Linke fordert eine Steuerharmonisierung, nur geht diese in Richtung einer Lückenschliessung zu den Hochsteuerkantonen. Das ist nicht das Gleiche, überhaupt nicht!

Nur wenige sind sich der massiven Unterschiede bewusst. Massgebend für die Wohnsitzwahl sind andere Faktoren, wie die Höhe der Mietkosten (da weiss man Bescheid bis hinab auf die Quartiere), die Entfernung zum Arbeitsort, die Umgebung und andere. Dabei wäre die Berechnung der Steuerbelastung ohne nähere Kenntnis der Steuersätze (und deren Anwendung) mit Hilfe des Internet keine Herausforderung.

Comparis hilft Ihnen, die unterschiedliche Steuerbelastung zu berechnen. Unter vielen anderen stellt auch noch die  Bundesverwaltung einen Steuerrechner zu Verfügung. Der Umzug (datahaus Demo Version) kann sich lohnen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wechselt ein Kadermitglied der Schindler Aufzüge (steuerbares Einkommen CHF 500’000, steuerbares Vermögen CHF 3’000’000, ledig) seinen Wohnsitz von Luzern ins nahe Hergiswil (NW), spart er CHF 39’600 oder 25,6% an Steuern), jährlich!

Konzernzentralen ziehen nicht nach Bern

Noch vor wenigen Wochen – im Zusammenhang mit der Unternehmungssteuerreform III – fanden sich querbeet Hinweise auf das Kriterium „Standortvorteile“ für zuziehende Unternehmen. Mehrheitlich war man der Auffassung, die Steuerbelastung als Kriterium sei wichtig, wenn auch nicht ausschlaggebend. Im Rückblick gesehen war  merkwürdig, dass kaum jemand auf den Entscheidfindungsprozess auf Stufe Konzernspitze hingewiesen hat.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Nicht nur die Steuerbelastung der Unternehmung ist wichtig, auch die Steuerbelastung der Konzernleitungsmitglieder ist essenziell. Naheliegend, dass darüber nach aussen wenig kommuniziert wird. Ehrlich gesagt: die Konzernleitungsmitglieder werden sich doch nicht für einen Standort entscheiden, bei dem die persönliche Steuerbelastung vergleichsweise unerträglich wäre. Und der Steuerberater der Unternehmung wird alles tun, um sie davon zu überzeugen.

Wieso in aller Welt sollten sie nach Bern ziehen? Ein wirtschaftliches Randgebiet, nicht unbedingt als unternehmerfreundlich bekannt. Zwar wunderschön, doch im harten Kampf um die Konkurrenzfähigkeit ungeeignet.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Für die Kantons- und Bundesbetriebe stimmt es. Das zeigen auch die zahlreichen Neubauten rund um Bern, architektonisch beeindruckend. Doch wo steht die Region Bern in 50 Jahren, oder die Grossregion Espace Mittelland? Suchen wir nicht zu weit: es genügt schon, die bisherige, die heutige und die zukünftige Situation und Entwicklung des Flughafens Bern-Belp zu studieren (BERN Airport).

Bern, eine Verwaltungsstadt, fernab der technischen Speerspitze. Wie dramatisch ist der Talentabfluss (Braindrain) in Richtung Grossregion Zürich? Und wer greift korrigierend ein? Niemand?

Steuerfallen für Grossverdiener

Grossverdiener mit einem steuerbaren Einkommen über CHF 300’000 meiden die Spitzenbelastungen. Spitzensteuersätze finden sich in den Zentrumsstädten Basel (37,5%), Zürich (40,0%), Bern (41,4%) und Genf (45,0%) – (Der Mythos vom Steuerparadies Schweiz, Hansueli Schöchli, NZZ vom 31. Januar 2017). Zu diesen Spitzensteuersätzen kommen bei Grossverdienern noch die AHV- und die IV-Beiträge hinzu von insgesamt rund 10% sowie das Solidaritätsprozent für die Arbeitslosenversicherung (und allenfalls die Kirchensteuer). Zieht man auch noch die Vermögensertrags- und die Vermögenssteuern hinzu (Steuern Schweiz Teil 1) liegen wir bei den steuerlich gefürchteten skandinavischen Hochsteuerländer (52 bis 57%, diese teilweise inklusive Krankenversicherungsprämien). Die Wissenden ziehen weiter in steuervorteilhafte Gebiete, die Politiker schauen weg und schweigen.

In einer Demokratie sind es immer die Minderheiten, die zur Kasse gebeten werden, wie hier eben die Grossverdiener. Der Mehrheit kann es nur Recht sein.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wer der Steuerverwaltung Millionen an Steuern bezahlt (sowie Hunderttausende an AHV-Beiträgen) kann in der Schweiz nicht auf Nachsicht hoffen. Er wird als Leistungsträger nicht bewundert oder geachtet, er wird mehrheitlich von einer breiten Bevölkerung verachtet. Auch die Steuerverwaltung packt ihn hart an. Wer in der Steuerberatung tätig ist kennt die Beispiele.

Wer im Kanton Bern defekte oder verschmutzte manuelle Sonnenstoren durch elektrische ersetzt, muss damit rechnen, dass die Hälfte dieser „Unterhaltskosten“ steuerlich aufgerechnet wird. Oder die geltend gemachten Kosten für das neue Dusch-WC, welches das alte ersetzt, werden zu einem Drittel aufgerechnet (Komfortverbesserung). „Vor dem Gesetz sind alle gleich“ hört der Steuerberater beim Versuch, auf die Proportionen „aufgerechnete Kosten zu steuerbarem Einkommen“ hinzuweisen.

Eine gewisse Kulanz gegenüber Grosssteuerzahler (als natürliche Personen) ist politisch nicht vertretbar. Die Linke will keine Steuergeschenke machen, die ewigen Neider wollen den harten Vollzug sehen und einige Journalisten warten nur auf willkommene Schlagzeilen. Überdies müssen die Steuerexperten der Veranlagungsbehörden fürchten, zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn sie Verständnis zeigen und Hand bieten für einen Kompromiss. Und dass vor dem Gesetz alle gleich sind stimmt grundsätzlich nicht und bei Steuerpflichten im Besonderen.

Die schönsten Aussichten den Pauschalierten

„Luftig“ wäre ein schönes Zweitdomizil, blauer Himmel, Wintersport, Sommerwanderungen, gepflegte Umgebung, Diskretion, Ruhe. Sie werden es sich nicht leisten können

Wer kennt sie nicht, die Superreichen. Sie verlassen ihr Heimatland und kommen in die Schweiz um Steuern zu sparen. Hier werden sie nach dem „Lebensaufwand“ besteuert  (und nicht mehr nach dem Welteinkommen und dem Weltvermögen wie zuhause). Aufwandbesteuerung oder Pauschalbesteuerung nennt sich das. Da man den effektiven Lebensaufwand nicht kennen will (man macht sich schon gar nicht die Mühe darüber nachzudenken), dient der Eigenmietwert der Wohnstätte bzw. ein Mehrfaches davon als Basis für die Steuerveranlagung. Die Steuerersparnis kann märchenhaft sein. Natürlich müssen Interessenten bestimmte Anforderungen erfüllen (wie kein Erwerbseinkommen aus der Schweiz).

Es geht hier nicht darum, ob die offizielle Schweiz den Steuerflüchtlingen helfen oder aus Rücksicht auf die Heimatländer ein solches Verhalten verhindern soll. Und richtig ist es, dass auch andere Staaten ähnliche Lösungen anbieten(Klicken Sie zum Weiterlesen)

(wie Grossbritannien, Frankreich, neuerdings auch Italien). Internationale Anwaltskanzleien stehen zahlungskräftigen Kunden mit erfahrenen Experten zur Verfügung.

Nein, es geht hier darum ob es ethisch vertretbar ist, dass die Schweiz den hier ungeschränkt Steuerpflichtigen schlechter behandeln soll als den reichen Ausländer auf der Steuerflucht. „Ich die Schweiz bin ein Schlitzohr und nehme von diesen Leuten was ich kriege“, jetzt unabhängig vom Leistungsprinzip, ohne Rücksicht auf die allgemeine Steuerpraxis. Einfach als Ausnahme (wobei je nach Kanton die Ausnahmen zahlreich sind). Der Pauschalierte schafft Einkommen für die nahe Umgebung, Einkommen für den Liegenschaften Händler, den Bauunternehmer, den Gärtner, den Bäcker, den Metzger …(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wollen zwei Interessenten eine Liegenschaft in „Luftig“ erwerben, ein Schweizer Steuerpflichtiger und ein steuerflüchtiger Ausländer, sind die finanziellen Spiesse krass ungleich. Der Ausländer wird den Schweizer Steuerpflichtigen krass überbieten können, ein Superreicher kann gemessen an der Steuerersparnis jeden Kaufpreis aufbringen. Dafür sorgt die Schweiz (mit kantonalen Ausnahmen), sie benachteiligt den hier unbegrenzt Steuerpflichtigen und bevorzugt den zuziehenden Ausländer. Ganze Gebiete werden für steuerpflichtige Inländer unbezahlbar. Die schönsten Aussichten den Pauschalierten. Die Gemeinde wird zur Schlafstätte, Schulen ohne Kinder, Infrastrukturausgaben für Spitzenzeiten und noch schlimmer: die Gemeinden werden von den Pauschalierten abhängig. Sie kennen die Argumente aus der Zweitwohnungsinitiative.

Zeigen sich die Pauschalierten noch grosszügig (und unterstützen Tourniere, sanieren Bergbahnen, errichten Stiftungen) erhalten sie die besondere Zuneigung vom Gemeindepräsidenten, der Bauunternehmer lobt sie, die Gemeindemitglieder grüssen sie auf der Strasse, ehrfurchtsvoll. Der Schweizer Grossverdiener und Grosssteuerzahler vor Ort muss sich indessen gegen eine weitere Erhöhung des Eigenmietwerts wehren. Die Gemeinde zeigt sich erstaunt. Der Gemeindepräsident von „Luftig“ erstattet ihm keinen Besuch zu seinem runden Geburtstag (die Steuererträge gehen überwiegend an die Wohnsitzgemeinde im Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und nicht an die Gemeinde „Luftig“).

Ein Schlitzohr von Staat, der seine eigenen guten Steuerzahler bedrängt, den steuerflüchtigen Ausländer aber auf Händen trägt. Ist das nicht billig, unwürdig? Und was ist mit Herrn Schweizer, der darüber abstimmen durfte und es mehrheitlich zuliess? Es wurde ihm gesagt, es entlaste seine Steuern.

Szenenwechsel: Max Wolle, ein alternatives Lebensmodell

Glas Klar trifft ihn zu später Stunde in einer Berner Altstadtbar. Es geht um Gott und die Welt, um die Sinngebung in einer sinnlosen Zeit, um all das, was für Glas Klar, den Informatiker, bisher eher unwichtig war. Max Wolle, Landschaftsgärtner von Beruf, lebt mit seiner Partnerin in einer subventionierten Altstadtwohnung direkt unter dem Bellevue mit wunderbarer Sicht auf die Aare und den Hausberg von Bern. Er kennt sich in der Berner Szene aus, trifft überall Freunde und Bekannte, hat immer Zeit für ein gescheites Gespräch, weiss viel, sieht erst noch gut aus, geht regelmässig „isele“ (in die Eisen), kurz: Max Wolle überzeugt Männlein und Weiblein. Dem introvertierten Glas Klar öffnet er eine neue Welt.

Max Wolle hat ein paar Semester Volkswirtschaft studiert an der Uni Bern, dann aber das Studium abgebrochen. Zuviel Mathe, zu abstrakte makroökonometrische Modelle, zu wenig Bezug zum wahren Leben. Nicht sein Ding. Er will etwas schaffen das man sieht am Ende des Tages, seine Hände benutzen, draussen sein, im Wetter stehen. Er will sein Leben, von Gott geschenkt, richtig leben. Seine Partnerin sieht es ähnlich, sie arbeitet im Auftragsverhältnis für Fernsehen und Theater (Kulissenbau, Aussenbau, Modellbau). Beide wollen keine Kinder, unabhängig bleiben, keine unnötigen Verpflichtungen eingehen. Max Wolle arbeitet Teilzeit, gerade so viel, dass er dieses Leben führen kann. Mit einer Teilzeitarbeit von 50% und gelegentlicher Schwarzarbeit für seine zahlreichen Freunde und Bekannten kann er sein steuerbares Einkommen minimieren auf wenige Tausend Franken pro Jahr.

Eigentlich stösst er mit diesem Leben auf grosses Verständnis. Er macht nicht mit in dieser hirnlosen Leistungsgesellschaft, in dieser ewigen Tretmühle. Vernetzt bei den Linksalternativen kämpft er für den weiteren Ausbau des Sozialstaates.

Darf man Fragen stellen die niemand beantworten will, für die niemand zuständig ist

oder ist schon die Frage an sich unerhört, der Fragesteller politisch unkorrekt, vom rechten Spektrum?

  • Wieso kann Herr Jedermann sein Einkommen so weit minimieren, dass keine Steuern mehr anfallen?
  • Wieso darf Max Wolle die Leistungsgesellschaft, von der er lebt, unkommentiert kritisieren?
  • Wie sähe Max Wolle’s Schweiz aus?

Einschub: Die Höhe der Steuerbelastung richtet sich nach der Leistungsfähigkeit. Wobei der Begriff  „Leistungsfähigkeit“ beinhaltet, dass jeder nach Massgabe seiner individuellen ökonomischen Voraussetzungen zur Finanzierung der Staatsaufgaben (inklusive der Sozialaufgaben) beiträgt. Max Wolle ist zwar leistungsfähig, aber nur teilweise leistungswillig. Er nutzt die Einrichtungen des Wohlfahrtsstaates (wie die universitäre Ausbildung), hilft aber nicht, diese zu finanzieren. Das sollen jene tun, die es gerne machen, die Freude an der Arbeit haben, seiner Meinung nach die Mehrheit. In diesem Sinne war er auch aktiv in der Initiative für bedingungsloses Grundeinkommen.

Der Vielarbeiter, der Leistungsträger dieser Gesellschaft, verzichtet auf vieles, vor allem aber auf die Freizeit. Max Wolle hat sie. Ist diese Freizeit ein Konsumgut, das man besteuern sollte? Absurd? Doch: wer früher in Pension geht, zahlt weiterhin AHV, auch ohne Erwerbseinkommen (auf dem Vermögen und der kapitalisierten Rente).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Zugegeben, dass wissen viele nicht und merken es erst kurz vor der vorzeitigen Pensionierung. Dass der Höchstbetrag für diese AHV (Steuer) vor kurzem massiv angehoben wurde, wissen sie erst recht nicht. Alle haben geschwiegen, auch die Presse, und die Politiker haben es kommentarlos „durchgewunken“. Wieder eine Minderheit, die sich schutzlos und unorganisiert melken lässt!

Konsumieren, was andere finanzieren

Wieso erhält der Bünzli, der zwar nicht freiwillig, aber eben doch massiv Steuern bezahlt, nie ein Dankeschön (von der Regierung, vom Nachbar, vom Parteigegner?). Ist nicht das Gegenteil der Fall? Je mehr Steuern er bezahlt, je mehr wird er kritisiert. Bedauern hat niemand. Alle würden gerne mit ihm tauschen, Hauptsache, sie erhalten sein Einkommen. Er könnte sogar noch mehr bezahlen, eigentlich. Und um Gottes Willen keine „Steuergeschenke“ für solche Typen.

Was ist das für eine irre Welt, die nicht mehr zur Kenntnis nimmt, wer diesen Wohlstand möglich macht, die nicht mehr weiss, wer die Staatsaufgaben finanziert. Es ist unsere Welt. Der Vorschlag, die Freizeit zu besteuern, ist politisch ausgeschlossen. Aber darüber nachzudenken, vor dem Einschlafen, würde niemanden schaden.

„Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber“

Sind wir schon so weit oder besteht noch Hoffnung? Wer die berühmte Extrameile rennt muss mehr Anerkennung erhalten. Und es gibt sie, diese Leistungsträger, in der Unternehmung, in der Verwaltung, in der Politik, in Ihrer Nähe. Und eigentlich kennen wir sie, jeder in seiner Umgebung. Nicht immer lockere Sympathieträger wie Max Wolle. Wir brauchen sie um wettbewerbsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze zu erhalten. Zum Überleben im Wohlfahrtsstaat Schweiz.

Als Denkanstoss das Steuerreform-Paket EL’FE, demnächst Logo_ImVisier312.04.2017/zb

Das Steueruniversum des Rodolfo Buletti

Steuern Schweiz Teil 1: Das Steueruniversum

Die Steuer ist eine Geldleistung einer natürlichen (oder juristischen) steuerpflichtigen Person ohne Anspruch auf eine individuelle Gegenleistung, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen erhebt. Die Kompetenz Steuern zu erheben liegt in der Schweiz beim Bund, den Kantonen und den Gemeinden. Steuerobjekt ist der Tatbestand, der die Steuer auslöst. Steuersubjet ist u.a.

“ Herr Buletti, etwas stimmt nicht!“

Rodolfo Buletti aus Magliaso ist Ihnen bekannt aus dem Beitrag „Bürger Glas Klar“. Die Steuerveranlagungsbehörde hat ihn beim Versuch ertappt, unversteuertes „schwarzes“ Vermögen über die Steuererklärung „weiss“ zu waschen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der IT-generierte Vermögensnachweis der Veranlagungsbehörde über die letzten zwei Jahresendstichtage (31. Dezember) hat einen Vermögenszugang von 300’000 Franken ergeben, den Rodolfo Buletti mit seinem deklarierten Einkommen nicht erklären konnte. Die Steuerbehörde hat ein Verfahren eröffnet.

Es war immer der grosse Traum von Rodolfo Buletti ein eigenes Haus zu bauen – spätestens dann, wenn sein zweiter Traum in Erfüllung ging, Kinder zu haben. Nun war es soweit, Zwillinge, und Rodolfo Buletti machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Im Norden von Lugano in der Nähe von Cadro fand er ein wunderbares Grundstück „da vendere“. Er sah sich schon auf der eigenen Terrasse stehen mit einem Glas Merlot bianco in der Hand, die Kinder im Garten auf dem Trampolin, den Sonnenuntergang über dem Monte San Salvatore. Dieses Grundstück musste es sein, kein anderes, und zwar subito.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Familie Buletti hat hart gearbeitet, Stella Buletti gab privaten Italienischunterricht für Deutschschweizer, Rodolfo am späten Abend und über das Wochenende Rechtsberatung für Kunden einer Immobilienverwaltung. Alles unversteuert, so ähnlich wie es ihre Freunde und Freundinnen auch taten. Auf diese Weise summierten sich über wenige Jahre 300’000 Franken auf „schwarzen“ Konten, das Grundkapital für das neue Eigenheim.

Die Schweiz kennt kein steuerbegünstigtes Ansparen für Eigenheime. Rodolfo Buletti wusste, dass bei einem deklarierten Nebenerwerb von 300’000 Franken schon einmal 20 bis 30 Prozent Steuern fällig würden. Sein Pech war, dass er übersehen hat, dass die Veranlagungsbehörde regelmässig oder in Stichproben einen Vermögensabgleich mit dem Vorjahr vornimmt. Er war überhaupt, trotz seiner Ausbildung als Rechtsanwalt, schlecht informiert, welche weiteren Steuertatbestände er als angehender Hausbesitzer noch auslösen sollte.

Die Milchkuh Eigenheim – Erstwohnsitz

Der Schweizer Eigenheimbesitzer fällt in eine tiefe Steuergrube. Was einem Ausländer fast nicht zu erklären ist – versuchen Sie es einmal, es fallen ihm fast die Augen aus dem Kopf: Das mehrheitlich über Schulden finanzierte Eigenheim wirkt sich auf die Einkommenssteuersituation des Besitzers aus wie eine massive Lohnerhöhung. Doch davon später. Vorerst einmal kassiert der Fiskus während der Bauzeit

  • die Handänderungsabgabe auf dem Grundstück (vom Verkäufer überwälzt)
  • die Mehrwertsteuern auf den Baukosten
  • Gebühren (wie Baubewilligung, Anschlussgebühren u.a.)

Einmal sesshaft dreht sich das Gebührenkarussel weiter: Gebühren für die Kehricht- und Abwasserentsorgung, für die Strassenbeleuchtung und -reinigung, für den Strassen- und Schwellenunterhalt, Grundgebühren für Wasser und Strom, Kehrichtsackgebühren u.a. Dazu kommen

  • die Vermögenssteuer auf dem „amtlichen“ Wert
  • die Liegenschaftssteuer auf dem „amtlichen“ Wert (nur in gewissen Kantonen – von der Bemessungsgrundlage her eine Doppelbesteuerung)

und die erwähnten Einkommenssteuern auf dem Eigenmietwert.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Dafür darf der stolze Wohnbesitzer die heute bescheidenen Hypothekarzinsen vom Einkommen abziehen (nicht aber die Bauzinsen während der Bauzeit), sowie die pauschalen  Unterhaltskosten im Rahmen von 10 bis 20% vom Eigenmietwert (in den ersten Jahren fallen kaum zusätzliche Unterhaltskosten an, die später als effektive Kosten abzugsfähig sind). Sollte er einmal verkaufen wollen oder müssen, fallen zusätzlich die Grundstückgewinnsteuern an (ohne Ersatzbeschaffung).

Die Abschaffung des Eigenmietwerts steht schon seit Jahren in jeder politischen Agenda. Bisherige Versuche sind kläglich gescheitert(Klicken Sie zum Weiterlesen)

in erster Linie deshalb, weil die politischen Vorstösse überladen waren (die Abzugsfähigkeit der Unterhaltskosten sollte weiter möglich sein). Was hingegen wissentlich oder unwissentlich übergangen wird ist die Absicht der Politiker, den Eigenmietwert auf dem Zweitwohnsitz zu belassen und nicht zu streichen. Und nicht nur das, es zeichnet sich eine brachiale neue Tendenz ab. Der Kanton Tessin als Beispiel besteuert den Zweitwohnsitz (sekundäres Steuerdomizil) über die Bewertungsprinzipien höher als den Erstwohnsitz. Dazu wurde für Zweitwohnbesitzer per Dekret vom 9. Dezember 2009 der Eigenmietwert (bisher rund 70% der mutmasslichen Miete) umgerechnet auf 100%. Das entspricht einer Eigenmietwerterhöhung von 42,9%, ohne formelle Eröffnung und Rechtsmittelbelehrung und erst noch rückwirkend. Da nur über die Veranlagungsverfügung sichtbar (bzw. die Steuerausscheidung) haben es viele gar nicht gemerkt! Und die Erstwohnbesitzer haben sich erst noch gefreut, dass die Steuererhöhung nur „Ausländer“ betraf. Ein Vorbild für andere Kantone?

Zweitwohnsitz

Erfüllt sich ein sparsamer Rentner mit Hausbesitz seinen Traum, am Lebensabend eine Zweitwohnung in der Sonnenstube der Schweiz oder im Berner Oberland zu besitzen, auch er mit einem Glas Rotwein auf der Veranda, wird ihm kaum jemand sagen, dass der summierte Eigenmietwert über zwei Objekte schnell einmal 50’000 Franken überschreiten könnte. Nicht nur sind zusätzliche „Einkommenssteuern“ auf diesen 50’000 Franken fällig (abzüglich Zinsen und Unterhaltskosten), seine Rente wird auch noch höher besteuert als bisher, da der Eigenmietwert kantonsüberschreitend zur Steuersatzbestimmung herangezogen wird.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Es rechnet sich kaum noch. Die Steuererhöhung bei der stark progressiven Bundessteuer überrascht. Doch sagen Sie es nicht weiter, lassen Sie ihm seinen Traum.

Der Steuerpflichtige darf ungestraft in Kunstsammlungen investieren, einen Wagenpark unterhalten, Schiffe und Flugzeuge erwerben (oder sich anderswie verlustieren), Einkommenssteuern ohne Einkommen löst nur Wohnbesitz aus. Eigentlich sollte der Staat ein Interesse daran haben, dass möglichts viele Einwohner Wohnbesitz erwerben. Zukünftiger Wohnbesitz fördert den Sparwillen, Wohnbesitz begünstigt die Eigenverantwortung, bindet den Eigentümer an den Staat und verzögert am Lebensende den Gang in die subventionierten Altersheime. Doch die Schweizer Neidkultur verhindert eine steuerlich bevorzugte Stellung der Wohnbesitzer. Sie werden im Gegenteil zur Milchkuh der Nation.

Satzbestimmend

Der Eigenmietwert erhöht ausserdem den Steuersatz auf dem übrigen Einkommen, wie erwähnt am Beispiel der Rente. Über mehrere Jahre aufsummiert ergeben sich auf diese Weise beeindruckende Steuerlasten. Ausserdem wird der Eigenmietwert der Marktentwicklung laufend angepasst (am einfachsten über einen Index, erspart die Berechnung im Einzelfall) und zwar auch dann noch, wenn der Wohnbesitzeigentümer längst in Pension und sein Ersatzeinkommen „eingefroren“ ist. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) wird dann zur Makulatur.

Doch für die Steuersituation des Rodolfo Buletti sind weitere steuerrelevante Faktoren massgeblich:

Die gedeckelte AHV

Rodolfo Buletti ist Rechtsberater in einem mittelgrossen Versicherungskonzern. Sein Gehalt unterliegt der Einkommenssteuer. Vom Bruttogehalt abgezogen werden ihm die AHV-Beiträge (Arbeitnehmeranteil). Soweit diese Beiträge seine zukünftigen AHV-Ansprüche übersteigen bzw. nicht mehr rentenbildend sind, entsprechen diese einer ergänzenden Einkommenssteuer.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Kaum jemand nimmt zur Kenntnis, dass bei Spitzenlöhnen im Top-Management dieser Anteil bedeutend ist. Noch weniger bekannt, dass in vielen Fällen der Arbeitgeber die volle AHV übernimmt, also auch den Arbeitnehmeranteil. Hat ein CEO einer börsenkotierten Gesellschaft ein Gehalt plus Bonus von 20 Mio Franken, gehen rund 2 Mio Franken an die AHV-Ausgleichskasse, der rentenbildende Anteil dabei wäre gering.

Die Auswirkungen der Steuerprogression

Der Grenzsteuersatz entspricht dem Steuersatz, mit dem die nächste Einheit der Steuerbemessungsgrundlage belastet wird. Der Grenzsteuersatz drückt mit anderen Worten aus, welcher Anteil eines zusätzlich verdienten Frankens als Steuer abgeführt wird. Bei Gutverdienenden gehen inklusive AHV im Kantonshauptort Zürich für einen Franken Mehrverdienst rund 50 Rappen an den Fiskus.

Erhält Rodolfo Buletti eine Gehaltserhöhung, kommt je nach Ausmass ein höherer Steuersatz zur Anwendung, der als Folge auch die Steuerbelastung auf dem bisherigen Gehalt erhöht (Auswirkungen wie beim Erwerb von Wohnbesitz). Dient die Gehaltserhöhung dem Ausgleich der Teuerung, verbleibt ihm real und nach Abzug der Steuern weniger als vor der Gehaltserhöhung.

Die Folgen der kalten Progression

Primär betroffen sind Beiträge an die Krankenkasse. Wer sich noch an die sechziger und siebziger Jahre erinnert: die Limite für den Abzug der Prämien lag meistens über den tatsächlich bezahlten Beiträgen. Doch heute liegen die Limiten krass unter den bezahlten Beiträgen. Der Steuerpflichtige hat weniger zur Verfügung, das steuerbare Einkommen nimmt jedoch nicht proportional dazu ab.

Ähnliches gilt für alle abzugsberechtigten Ausgaben und alle persönlichen und sozialen Abzüge die nicht voll der Teuerung angepasst werden. Zieht man die Teuerung der letzten 20 Jahren in Erwägung (Hochpreisinsel Schweiz) wird unmissverständlich sichtbar, dass die kalte Progression über all die Jahre zu einer massiven Steuererhöhung führte.

Zu den erwähnten direkten Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Grundstückgewinnsteuer) hinzu kommen noch die Kirchensteuer, die Wehrpflichtersatzabgabe, die Verrechnungssteuer und die Besteuerung von Wertschriften und Versicherungen, die Motorfahrzeugsteuer, die Hundesteuer sowie die indirekten Verbrauchssteuern des Bundes wie die Mehrwertsteuer, die Biersteuer und die Steuer auf Spirituosen (Alkoholsteuer), die Tabaksteuer, die Mineralölsteuer (Benzinsteuer), die Zölle …Im Steueruniversum des Rodolfo Buletti hat es auch noch Platz für zukünftige Strafsteuern. Sie tragen moderate Begriffe wie Mobility Pricing oder Energie-Lenkungsabgaben. Hier nicht in Erwähnung kommen die Steuern der Unternehmer wie die Liquidationssteuer.

Steuern, nichts als Steuern. Sie sorgen dafür, dass die Schweizer die Bodenhaftung behalten. Doch merkwürdig: alle sagen, im Vergleich zum Ausland sei die Schweiz noch ein Steuerparadies! Dabei wird Wesentliches verschwiegen.

 

Wussten Sie,

dass viele Nachbarstaaten keine Vermögenssteuer erheben

Als junger Hausbesitzer mit Familie ist das Nettovermögen von Rodolfo Buletti gering. Die Vermögenssteuern sind für ihn noch eine „quantité négligeable“. Das wird sich ändern. Er macht Karriere und erspart sich ein für seine Verhältnisse grosses Wertschriftenportefeuille, nicht zuletzt auch deshalb, weil im oberen Kader des Versicherungskonzerns „hire and fire“ zur Tagesordnung gehören. Sein Erspartes ist für ihn seine Sicherheit bei einem allfälligen Verlust der Arbeitsstelle.

Bei einem konstanten Vermögen wird das Vermögen jedes Jahr von neuem besteuert, immer wieder. Bei einer angenommenen Vermögenssteuer von 1 Prozent und einer Lebenserwartung von 85 Jahren wird ein grosser Teil seines Vermögens wegbesteuert. Denn die Vermögenssteuer wird auch erhoben falls keine Rendite oder kein Vermögensgewinn erzielt werden konnte. Kurz: die Vermögenssteuer zehrt an der Substanz und untergräbt den Sparwillen.

Dafür entfällt bei den meisten Kantonen die Erbschaftssteuer an die direkten Nachkommen (und nur an diese).

Viele OECD-Staaten verzichten auf eine Vermögenssteuer und erheben stattdessen eine Erbschaftssteuer. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Schweiz in naher Zukunft wieder beides hat (der Abstimmungskampf über die Initiative für die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer ist in Sichtweite).

Die Vermögenssteuer wird in allen Kantonen erhoben und brachte dem Fiskus im Jahr 2013 5,7 Milliarden Franken (Eine Schweizer Besonderheit mit hoher Bedeutung: Der Bund vom 26. Mai 2015).

Eine Übersicht über die Nachbarstaaten zeigt eindrucksvoll, wie wenige Staaten in Europa eine Vermögenssteuer erheben. Die Politiker mit Umverteilungszielen verschweigen es einfach. Schauen Sie es an: Vermögenssteuer

viele OECD-Staaten ganz auf die Besteuerung der Vermögenserträge verzichten oder diese reduziert besteuern

In der Schweiz werden die Vermögenserträge ungekürzt in das steuerbare Einkommen übernommen. Die Verrechnungssteuer sorgt dafür, dass schwarze Vermögenserträge mit 35% besteuert werden.

Einige OECD-Staaten verzichten nicht nur auf die Besteuerung des Vermögens sondern auch auf die Besteuerung der Vermögenserträge. Wieder andere Staaten besteuern die Vermögenserträge nur in etwa halb so hoch wie das Erwerbseinkommen. Im Grunde der Dinge kompensieren die Vermögenserträge ganz oder teilweise die Entwertung des Vermögens als Folge der Inflation. Die volle Besteuerung in inflationären Zeiten enteignet die Steuersubjekte.

Dividenden von Aktiengesellschaften doppelt besteuert werden

Die Schweiz ist einer der letzten OECD-Staaten mit Doppelbesteuerung. Was heisst das? Der Reingewinn der Aktiengesellschaften wird ein erstes Mal bei der Gesellschaft besteuert und dann ein zweites Mal beim Aktionär.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Von der gekürzten Besteuerung bei sog. qualifizierten Beteiligungen – die im übrigen stark umstritten ist und in nächster Zeit vermutlich gestrichen wird – können nur wenige Aktionäre Nutzen ziehen (u.a. Grossaktionäre von KMU’s).

Viele Staaten kennen die Steueranrechnung und vermeiden auf diese Weise die Doppelbesteuerung.

Rodolfo Buletti wird auch einmal in Rente gehen.

das Renteneinkommen (Ersatzeinkommen) voll erfasst wird

Junge Steuerpflichtige werden sich fragen, weshalb beim Ersatzeinkommen (Renten und Pensionen) die Frage zu beantworten ist, ob diese zu 100% oder zu tieferen Prozenten steuerbar sei. Noch vor wenigen Jahren war das Renteneinkommen gekürzt steuerpflichtig. Und ältere Steuerpflichtige können noch heute die direkte Bundessteuer mit 80% des steuerbaren Einkommens versteuern.

Viele Nachbarstaaten erfassen das Ersatzeinkommen reduziert, auch wenn eine Tendenz dazu besteht, diese Steuerwohltat zu kürzen.

Die Schweiz – ein üppiges Steueruniversum

Wer bei der Schweiz von einem Steuerparadies spricht, hat entweder ein niedriges Einkommen (viele zahlen praktisch keine Steuern), ist sog. pauschaliert steuerpflichtig, wohnt in einem Kanton mit tiefen Steuersätzen oder sieht die Zusammenhänge nicht. Dem weniger Informierten sei hier noch einmal gesagt, dass

  • die Eigenmietwertbesteuerung in dieser Form einmalig ist
  • die AHV für Gutverdienende zur Ergänzungssteuer wird
  • der Teuerungsausgleich den Steuersatz laufend erhöht
  • die Berufsausgaben und die persönlichen und sozialen Abzüge nur teilweise der Teuerung angeglichen werden (kalte Progression)
  • viele Nachbarstaaten keine Vermögenssteuern erheben
  • viele OECD-Staaten die Vermögenserträge nicht oder nur teilweise besteuern
  • nur noch wenige OECD-Staaten die Doppelbesteuerung bei Dividenden kennen
  • viele OECD-Staaten Renteneinkommen ermässigt besteuern

Ein Vergleich zwischen den Staaten sollte natürlich auch noch beinhalten, was der Staat dem Steuersubjekt als Entgelt zukommen lässt, namentlich im Bereich des Gesundheitswesens (Arztkosten und Spitalaufenthalte) und der Ausbildung.

Wer im oberen Mittelstand steuerpflichtig ist erlebt bei zunehmendem Einkommen eines der progessivsten Steuersysteme Europas. Nur die Mehrwertsteuer sieht noch bescheiden aus. Hier gilt jedoch anzumerken, dass in vielen Staaten das Erheben von direkten Steuern schwierig ist (Griechenland als Beispiel, oder Italien, Spanien) und der Fokus bei diesen Ländern auf den indirekten Steuern (Mehrwertsteuern u.a.) liegen muss.

Das hier aufgezeigte Steueruniversum bildet die Bemessungsgrundlage zur Erhebung der Steuern. Wer überhaupt und wieviel Steuern bezahlt ist Gegenstand von Steuern Schweiz Teil 2: Die Leistungsträger in der Steuerfalle

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Glas Matt – die verlorene Zuversicht

Glas Matt erwacht aus einem Alptraum, schweissgebadet: er war unterwegs auf der Verliererstrasse von heute, verunsichert, erschöpft vom ewigen Wandel, bevormundet von einer regelwütigen Gesellschaft und vernachlässigt von ihr zugleich, dumpf im Kopf, denkfaul aus Übermüdung, mutlos. Glas Matt ist unser Nachbar, unser Berufskollege, sind unsere Freunde – sind viele um uns herum. Wir selbst? Wie ist unser eigenes Befinden verborgen im täglichen Rollenverhalten?

Sind auch wir gierig nach einfachen Lösungen, nach charismatischer Führung, nach Leitplanken und -werten, nach Lebenshilfen?

Wenn ja, dann sind wir erreichbare Opfer für Populisten und damit mehrheitsfähig in Demokratien. Dann sind aber auch wir – aus Sicht der  herrschenden Elite – Pöbel, Plebs, Pack, Wutbürger von minderer Intelligenz, kurz gesagt Bedauernswerte.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Glas Matt macht die Faust im Sack, er steht nicht offen zu seiner Ohnmacht, entzieht sich jeder Umfrage, will kein Verlierer sein. Er lebt im Vereinigten Königreich und erzwang den Austritt aus der EU (BREXIT), er lebt in den Vereinigten Staaten von Amerika und macht die erste Wirtschaftsmacht der Welt zur Lachnummer, er hofft in der Grande Nation auf eine Machtübernahme durch Marine Le Pen, er bedrängt die deutsche Regierung rechts von der CDU/CSU im Sammelbecken der Alternative für Deutschland (AfD). Er ist plötzlich überall, ein Nationalist, ein Zeitgenosse, ein Nachbar, ein Berufskollege, ein guter Freund, ein Schweizer.

Das hatten wir schon in der Geschichte und das Ergebnis war verheerend, vernichtend, schauderhaft. Im Rückblick wollte es niemand, auch Glas Matt wollte es nicht. Es sollte einfach nicht so weitergehen. Jede fundamentale Änderung war willkommen, „Change“ war die Hoffnung, „Change“ war das Versprechen. Es hat immer funktioniert, Versprechen ist so einfach!

Die liberale Elite schliesst die Augen, steckt den Kopf in den Sand, will es nicht wahrhaben und nicht wahrnehmen, spricht von einer unseligen Konstellation, von einem Ausrutscher, von einer vorübergehenden Episode. Und da ist er auch schon, der Fingerzeig auf das Lukasevangelium: Als Lots Ehefrau auf der Flucht aus Sodom zurückblickt, entgegen dem Verbot der Engel, erstarrt sie zur Salzsäule. Ist das die Empfehlung, wegdenken, weitermarschieren auf der Verliererstrasse von heute?

Wir brauchen einen Marschhalt, ein wenig Ruhe, bedürfen einer Auslegeordnung, müssen die unempathischen Optimisten am Schreiben der Tagesordnung für die nächste Woche stoppen, auch auf die Gefahr hin, es zu überzeichnen.

Ende der Prognosen?

Die Wirtschaft kennt Glas Klar wie nie zuvor (als potentiellen Kunden). Ausserhalb der Wirtschaft, in der Politik, herrscht jedoch blinde Kuh, Wunschdenken. Die Abstimmungsprognostiker machten im Fall Brexit und Trump gewaltige Fehler. Auch in der Schweiz: Die Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“ wurde mit knapp über 50% der Stimmen angenommen, entgegen den professionellen Voraussagen. Die Opinion Leader aus Politik, Wirtschaft und Medien haben erwartet, dass Glas Klar im Mainstream mitschwimmend immer das Ganze im Auge behält, und zwar auch noch, wenn persönlich wenig vorteilhaft. Da lagen sie falsch.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Er ist bereit sich einzufügen und freut sich am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, dachten sie. Aber nach Wohnungsmiete, Beiträge an die Krankenkasse und Steuern bleibt für ihn wenig übrig und die Perspektive für die Zukunft sieht nicht rosiger aus. Immer mehr Ausländer dringen in den Arbeitsmarkt, nicht nur in die Bauwirtschaft: auch in die medizinischen Berufe, Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüfung und -beratung, Management und Ausbildung, Forschung und Entwicklung. Immer mehr fähige, willige und dankbare junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen strömen in die Schweiz. Sie zahlen Steuern und integrieren sich erfolgreich. Doch für Glas Klar sind sie Konkurrenten, bedrohen seinen Arbeitsplatz, seine Karriere, gefährden seine Zukunft. Steigender Arbeitsdruck auf der einen Seite vereinigt sich mit weniger Solidarität (der Arbeitgeber) auf der anderen Seite. Er sieht es schon!

Die Scheiben schlagen an: aus Glas Klar wir Glas Matt – mit Stimmrecht auf der Suche nach mehr Zuversicht, empfänglich für „Change“ um jeden Preis.

Die Regulierungswut der moralischen Vorbilder – bis der Kessel platzt

Und da kommen die Genossen und wollen den Kapitalismus überwinden (in einer Zeit mit Minuszinsen). Sie rufen mit altlinken Rezepten zum Klassenkampf, wollten in ihrem Entwurf zum Positionspapier „Eigentum demokratisch denken“, den Privatbesitz von Boden und Ressourcen „transformieren“. Es kommen die Grünen und sehen ihr Glück in den Lenkungsabgaben, es kommen die Vegetarier und Velofahrer, Abfalltrenner, Wohnstrassenberuhiger, Carsharing-Automobilisten, Quotenfrauen und Feuilleton-Leser, Fernsehasketen und Stadttheaterbesucher, überhaupt alle, die in einer saturierten Gesellschaft in der Maslow-Pyramide ganz oben ihre unbeschränkte persönliche Selbstverwirklichung suchen. Vorbildhaft, solange nicht Massstab für alle!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Er musste kommen, Ihr Vorwurf: politisch unkorrekt verkürzt! Ich akzeptiere unter der Bedingung, dass Sie beim Lesen nicht grinsen mussten.

Sozial ist, wenn der andere zahlt

Die Regulierungswut nervt jeden liberal empfindenden Mitbürger (vielleicht auch nur soweit die Regulierung ihn und nicht die andern trifft). Er findet sich immer mehr bevormundet, zwangskollektiviert, eingereiht und überwacht von den Sittenwächtern des politisch Korrekten. Wo soll das enden? Wieviel individuelle Freiheit lässt diese Lenkungs- und Überwachungsgesellschaft noch zu? Wie ungewöhnlich darf Glas Matt noch leben, ohne ausgestossen zu werden? Wie weit darf er seine persönlichen und Familieninteressen wahrnehmen, sich gegen das Ausplündern und Umverteilen wehren, ohne als Charakterlump dazustehen oder als Ausländerfeind. Viele Fragen auf einmal.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Für die Mehrheit der Amerikaner gilt immer noch: wenn alle in erster Linie für sich selber sorgen, geht es allen besser. Das geht so weit, dass sogar die obligatorische Krankenkasse keine Mehrheit mehr findet. Diese Lust nach Freiheit, Selbstverantwortung und Selbstgestaltung ist uns Europäern völlig abhandengekommen!

Die Tugendwächter des Mainstream regeln das Wohlverhalten der unverbesserlichen Egoisten, der angeblich Zurückgebliebenen, Aufgeklärte gegen Ignoranten und dazu noch ein schlechter Witz:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Management by Champions“: Hebt jemand den Kopf – abschneiden!

Wer in der Besonderheit seines Kosmos ruht, gilt als beschränkter Kleinkrämer

Sein Blickwinkel ist der falsche, er ist nicht universell, er ist persönlich. Dafür sorgt der Staat für ihn, fängt ihn auf im sozialen Netz. Er darf auch Ansprüche haben. Doch wo enden diese Ansprüche, wieweit müssen die einen finanzieren was sich die anderen leisten. Schon über diese Frage zu diskutieren gilt für viele als unmoralisch, selbstgefällig, verachtenswert. Der Fragesteller steht in der „Schäm-di Egge“. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Die Ansprüche an den Staat steigen weiter, und dazu muss er immer tiefer in die Hosentasche der Noch-Steuerzahler greifen, bis sich diese verweigern, Teilzeitarbeit leisten, Sabbatical nehmen, Frühpensionen beziehen. Und die Gesellschaft findet: das dürfen sie.

Der Druck auf die Rentner – Ausbeuter mit Stimmrecht

Heute stehen auch die Rentner im Schaufenster der Kritik, sehen sich angeklagt und müssen sich rechtfertigen. Da haben sie ein Leben lang gearbeitet, mit weniger Konsumpotential als heute, in kleineren Wohnungen, mit weniger Ferien, fügsamer (!), mitgeholfen die Infrastruktur der Schweiz zu finanzieren, die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft international zu behaupten für die Arbeitsstellen von heute und morgen. Niemand aber auch wirklich niemand aus Politik und Medien, ausgenommen Teile der Wirtschaft, ehrt und anerkennt die Leistung der heutigen Rentner ohne Aufforderung. Der Begriff Rentner ist im Gegenteil der freien Abqualifizierung überlassen (nicht nur bei der Berichterstattung über Autounfälle).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Er lebt von der arbeitenden Bevölkerung, asymmetrisch von den Beiträgen her zulasten der jungen Familien. Dass der Grossteil der Renten in der aktiven Zeit als Sparkapital angesammelt und nur die AHV im Umlageverfahren ausbezahlt wird, wollen viele gar nicht mehr verstehen. Sie kritisieren vielmehr den zurzeit zu hohen Rentensatz und übersehen gedankenlos, dass die mit grosser Sicherheit wiederkehrende Inflation die Kaufkraft der Rentenbezüger ohnehin schmälern wird. Denn die Renten sind nicht inflationsgeschützt (staatliche Renten in Ausnahmefällen), die Lohnbezüge schon. Das war immer so, es wäre ein Einfaches, dieses Faktum in der Geschichte zu prüfen.

Das politische Geschwafel um die Erhöhung des Rentenalters glaubt ohnehin niemand. Wer will schon Mitarbeiter über 60 beschäftigen. Die Gesellschaft (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) akzeptiert diese Lösung noch nicht. Hier müsste man ansetzen. Nur mit der Erhöhung des theoretischen Rentenalters ohne praktische Umsetzung (was jetzt erfolgt), reduziert sich der Rentensatz bei Austritt mit 60. Die Folge: eine Rentenkürzung der aktiven Bevölkerung bei Erwerbsaustritt. Das Verschweigen die Politiker. Eben: unglaubwürdige Wendehälse.

Wendehälse die Ursache – Wutbürger die Resonanz?

Eines kann man Trump nicht absprechen; er reagiert und kommuniziert spontan und authentisch. Was für eine breite Öffentlichkeit als ehrlich und natürlich daherkommt, wirkt auf die geistige Elite peinlich. Wie hat der Stimmbürger gewählt? Ehrlich peinlich und nicht abgehoben hinterhältig – tricky dicky!

Wer einfachen Überlegungen folgt abseits vom Mainstream ist für viele ein Wutbürger. Wutbürger wurde zum politischen Modeschimpfwort und mit viel Pathos und moralischer Verachtung unterlegt. Ist eine solche simple Deutung als Wutbürger berechtigt? Oder ist es nicht eher so, dass der Wutbürger seine Gründe und seine Wut eine Geschichte haben, z.B. die folgende:

Pantozol
Hochpreisinsel Schweiz

Der Wirkstoff Pantoprazol hemmt das Enzym, das für die Freisetzung der Säure im Magen verantwortlich ist. Die Filmtabletten mit dem Wirkstoff verhindern in einfachen Worten das Magenbrennen (das Rückführen von Magensäure in die Speiseröhre). Die Packungen von 14 Filmtabletten zu 40mg sind in der Schweiz rezeptpflichtig, ohne Rezept erhältlich nur in Packungen von 14 Filmtabletten zu 20mg. Für die gleiche Wirkung sind zwei Packungen nötig (2 x 20mg sind 40mg, so mein Hausarzt). Die Packung in Ponte Tresa (Italien, Grenzort bei Lugano) kostet 7.80 Franken (Euro 7.25). Zum Vergleich: Zwei Packungen in der Schweiz kosten rund 52.00 Franken, über 6 x mehr als in Italien.

Als aufgeklärter intelligenter Zeitgenosse mit viel Verständnis für die Probleme der Pharmaindustrie und im Wissen um die Schweizer Arbeitsplätze in der Pharmaforschung  ruft man nicht einfach aus, man ist nur ein wenig überrascht. Nur zu guten Freunden sagt man, und nur für diese (Klicken Sie zum Weiterlesen)

Eine verdammte Schweinerei, dass unsere Gesundheitsbehörde eine solche Abzocke zulässt. Fragt sich nur was mehr ärgert: die materielle Abzocke oder das Gefühl, als Idiot dazustehen.

Schwarmintelligenz  – das Ende der Aufklärung

Die Medien kommunizieren am Volk vorbei. Von „Lügenpresse“ ist die Rede. Dass Journalisten bewusst Falschinformationen liefern mag für gewisse Staaten zutreffen, sicher nicht für die Schweiz. Dass der Mainstream-Journalismus aber unliebsame Wahrheiten unterdrückt, trifft auch bei uns zu (Die Solvenz der Schweizerischen Nationalbank).

Eigentliche Desinformationen und Fehlinformationen gehen aus den sozialen Netzwerken hervor(Klicken Sie zum Weiterlesen)

wo Kommunikationsteilnehmer Meldungen verfassen, weiterleiten, zitieren und liken. Mediensysteme dieser Art verknüpfen global. Sie bilden los gekoppelte Echokammern und bieten Raum für Roboter (Bots), die mit Algorithmen arbeiten und im Sekundentakt automatisch generierte Informationen mit unterschiedlichem Wahrheitsgehalt an gezielt ausgewählte Adressaten verschicken. Der Aufwand ist klein, die Ausbreitung gigantisch. Fake-News waren während den US-Wahlen weit verbreitet.

Echokammern wie Google, Facebook und Twitter werden zu Mediengrosskonzernen, die ohne redaktionelle Verantwortung auskommen, ohne vertiefte Recherchen und Analysen. Da die Empfänger nur Kurznachrichten erwarten, verkümmert der Informationsgehalt. Wer zur Meinungsbildung noch die Pendlerzeitung liest, ist schlecht informiert, seine Meinung ist wenig fundiert, um es höflich auszudrücken.

Skandale, Krisen, Katastrophen – auf wenigen Zeilen der Schrecken der ganzen Welt

Im Kampf um Kostenreduktion einerseits und Aufmerksamkeit andererseits wird der Copy-Paste-Journalismus gesucht, Likes und Shares werden zum Massstab des Erfolgs. Es wird der Mainstream gepflegt, Multikulti, Vielfalt, Toleranz, Weltoffenheit, Gender sind die Themen, tagesaktuelle Skandale und Krisen unterschiedlicher Relevanz erhöhen die Aufmerksamkeit. Doch erschreckend ist, dass sich der durchschnittliche Zeitungsleser auch von diesen Dingen nicht mehr angesprochen fühlt. Er sucht den Alltag, Promi Ereignisse, Sport, auch ein wenig Sex, Terror und Katastrophen dürfen es sein, am liebsten mit fetten Überschriften und farbigen Bildern.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wenn die PISA Studie zeigt, dass viele jungen Leute einen einfachen Text zwar lesen können, ihn jedoch nicht mehr verstehen, hat das wohl auch damit zu tun. Umfragen bei Erwachsenen in Nachbarländern zeigen ähnliche Ergebnisse.

Trotzdem dünnen die Printmedien weiter aus, nur die elektronischen Medien machen sich noch Hoffnung. Wir sind in der Zeit der Kurzmeldungen angekommen, die Politik springt auf.

Twittern ist angesagt, ein „President elect an der Spitze“, Schweizer Politiker im Nacheifern

Diese Art der Informationsbeschaffung eröffnet neue Wege um das Stimmverhalten zu beeinflussen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Psychometriker Michal Kosinski soll eine Methode entwickelt haben, Facebook Nutzer auf Grund ihres Verhaltens minutiös zu vermessen. Gestützt auf solche Psychogramme habe die Firma Cambridge Analytica bisher gesammelte und erworbene Informationen (Big Data) gekreuzt mit Wählerlisten und mit Onlinedaten um mittels individuell zugeschnürter Internet-Kampagnen Wahlen zu beeinflussen. Eine spannende Geschichte (Brexit – Trump – Le Pen, Das Magazin Nr. 48 vom 3. Dezember 2016). Kritiker halten allerdings dagegen, die Firma Cambridge Analytics habe bisher keine Beweise für die Wirksamkeit ihrer Digitalstrategie erbringen können. Auch hätten die Autoren ihre Recherche-Ergebnisse zu wenig hinterfragt, was diese bestätigen.

Der aufkommende Populismus ist Vorbote eines demokratischen Versagens

Viele junge Erwachsene, Aktive in der Tretmühle und Rentner sind verunsichert. Sie als Verlierer zu marginalisieren wäre verhängnisvoll. Denn insgesamt sind sie – zusammen mit den Opportunisten und Hasardeuren – die schweigende Mehrheit, mehrheitsfähig! Werden sie instrumentalisiert, verführt mit einfachen Lösungen, haben sie eine gewaltige Macht.

Der wirtschaftliche Wandel geht einher mit dem technologischen. Er ist stetig und disruptiv zugleich, er bedroht und verunsichert, nimmt keine Rücksicht auf Widersprüche. Er ist nicht EU bezogen, nicht paneuropäisch, er ist global über alle Wirtschaftssysteme und Werthaltungen hinweg. In diesem nimmermüden „Change“ Halt zu finden, umzudenken, das Hamsterrad zu verlassen, ist schwierig. Dabei noch die Sinngebung zu finden und fest in den Händen zu halten, ist wohl die mühevollste aller Lebensaufgaben. Ökonomen sind hier nicht mehr zuständig.

Glas Matt sagt stopp, es reicht – und weiss nicht mehr weiter. Rattenfänger von links und rechts aussen sehen ihre Chance gekommen, wollen die Lücke füllen. Rote Heilsverkünder auf der einen Seite und braune Demagogen auf der anderen Seite stehen Gewehr bei Fuss: mit noch mehr Regulierung als Lösung und noch weniger Luft zum Atmen. Sackgassen der Geschichte.

Das grosse Fragezeichen

Es gibt nur einen Weg: Jeder ist bereit, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst und seine unmittelbare Umgebung. Und die geistige Elite, die Politiker und die Wirtschaftskapitäne müssen diesen Weg unterstützen und endlich damit aufhören, Glas Matt als Manipuliermasse für eigene Zwecke zu missbrauchen.

Glas Matt hat entschieden, in England, in Amerika, in Österreich, in Italien und in Polen. Ob die Entscheidung richtig war oder eben nur eine Hommage an die eigene Identität? Er wird entscheiden in Frankreich und in Deutschland. Er trägt diese Verantwortung, wissentlich oder nicht, doch hat er auch die Voraussetzungen dazu? Mehr Selbstbestimmung heisst auch mehr Einsamkeit, den Verzicht auf die Haltestangen und Krücken der Hohepriester und Tugendwächter, eine Gefährdung der traditionellen sozialen Bindungen, weniger Anerkennung und Lob. Glas Matt wird es nicht einfach haben.

Lobbyismus Schweiz – später eimal

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 3: Der Staat – Regisseur und Kulissenschieber an vorderster Preisfront

Wir wähnen uns in einer offenen und freien Marktwirtschaft – gehütet von und gebettet in einer sozialen Wirtschaftsordnung. Die Preisfindung findet am Markt statt, wo sich Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen treffen – bei weitgehender Gewerbefreiheit. Drängt sich eine Unternehmung vor und strebt nach Marktbeherrschung, wird sie im Rahmen der Wettbewerbspolitik zurückgebunden.

Ziemlich einfältig diese Vorstellung. Viele bis sehr viele Verkaufspreise sind nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Und immer öfter legt der Staat selbst Hand an und administriert die Preisfindung und -bildung aus  unterschiedlichen „staatspolitischen“ Motiven.

In seiner Funktion als marktmächtiger Anbieter (und Preisbilder) von Gütern und Dienstleistungen bestimmt der Staat über die Sozial-, Steuer- und Wirtschaftspolitik die Preise und beeinflusst auf diese Weise die Ausgaben der Haushalte (und deren Vermögensbildung) auf massivste Weise. Die Konsumenten merken es nicht oder kaum. Sie suchen die Schuldigen in der Privatwirtschaft und enervieren sich an Einzelbeispielen (wie an den überhöhten Preisen bei Kosmetika und Zeitschriften) und rufen nach dem Preisüberwacher.

Es fehlt der Blick aufs Ganze, der Überblick. Das ist vielen recht so. Das Tun oder Lassen des Staates, seine Verantwortung in Bezug auf das Hochpreisniveau Schweiz wird von mächtigen politischen und wirtschaftlichen Kreisen mit Erfolg totgeschwiegen. Ein ausführliches Beispiel dazu: die preistreibende asymmetrische Interessendurchsetzung zugunsten der Bauern.

Der Mythos Bauern – eine nostalgische Verklärung

Ein Berner Bauernhof geschmückt mit rosaroten Geranien auf einer sattgrünen Wiese, umgeben von einem Gewürz- und Gemüsegarten, im Hintergrund ein Steinbrunnen vor dunkelgrünem Wald, kontrastreich zum Dunkelblau der fernen Berge. Eine Wegkrümmung im Vordergrund, Kuhglocken, sonst absolute Stille, frische Luft. Ein Naherholungsgebiet für Städter die über das Wochenende das gesunde Landleben suchen, noch einmal auftanken vor einer intensiven Arbeitswoche.

Die Schweiz und seine Bauern – eine Liebesbeziehung?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Waren wir nicht alle einmal Bauern? Haben nicht die Bauern die Urschweiz errichtet und mit ihrem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit den Grundstein für unsere heutige Staatsform gelegt? Wir brauchen kein Königshaus, keinen repräsentierenden Staatspräsidenten, keine regierungsführende Partei, wir sehen uns als Fortsetzung der selbständigen, unabhängigen, unbequemen und unternehmerisch auftretenden Altbauern.

Das Schweizer Volk hat immer wieder bewiesen, dass es dem Bauernstand wohlwollend gesinnt ist. Es darf schon etwas kosten. Wieviel? Die finanziellen direkten und erst recht die Folgekosten will niemand so richtig zur Kenntnis nehmen. Und die Bauern von heute haben es verstanden der Schweizer Bevölkerung einzureden, dass die staatliche Förderung unerlässlich sei für die Qualitätssicherheit (die Schweizer Bevölkerung soll vor minderwertigen ausländischen Erzeugnissen geschützt werden). Bei der Versorgungssicherheit ist der Nachweis schon etwas schwieriger, bei der Erhaltung der Kulturlandschaft sind sich dann wieder alle einig: keine Abstriche. Der Wunsch nach dezentraler Besiedelung und „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ ist sogar in der Bundesverfassung verankert (Art. 104). Auch der Tierschutz ist ein grosses Anliegen.

Darf es etwas mehr sein?

Die Beiträge für die Landwirtschaft erbringt die Schweizer Bevölkerung zum einen über den Konsum landwirtschaftlicher Produkte und zum andern als Steuerzahler. Und das ist nicht wenig und nicht ohne Folgen. Was die Haushalte für Nahrungsmittel ausgeben kürzt ihre übrigen Ausgaben, was an Steuern in die Landwirtschaft fliesst fehlt an anderer Stelle (zum Beispiel für die Unterstützung und Entwicklung anderer Berufstätigkeiten und Industriezweige). An dieser Stelle darf nicht fehlen hervorzuheben, dass die Landwirtschaft (im Rahmen des primären Sektors) bisher stark und weiter in Zukunft an Bedeutung verloren hat bzw. verlieren wird, was an sich alle wissen und niemanden überrascht. Weniger bekannt sind jedoch die harten Fakten und Relationen, die von unabhängigen Dritten erhoben wurden(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Aus dem OECD-Länderbericht 2015 zur Schweizer Landwirtschaft geht hervor, dass

  • ihr Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) auf unter 1 Prozent geschrumpft ist
  • ihr Beschäftigungsanteil in etwa 3-4 Prozent beträgt
  • über 60% des landwirtschaftlichen Einkommens vom Staat kommt
  • die Verkaufspreise ihrer Güter rund 40% über dem Weltmarktniveau liegen

Konkret: Rund 53’000 Bauern erhalten 2,8 Mia Franken an Direktzahlungen (um die Vernebelung weiter zu begünstigen nennt man diese neu unverfänglich „Beiträge für Versorgungssicherheit“. Gemäss OECD Bericht kommen hinzu über 2 Mia Franken für den „Grenzschutz“ (der landwirtschaftlichen Güter). Und weiter: der Staat gewährt massgeschneiderte Privilegien für die Landwirtschaft bezüglich:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • Eigenmietwert: Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids aus dem Jahre 1993 erhalten die Bauern einen tieferen Eigenmietwert, sie nennen es „Vorzugsmietwert“
  • Mehrwertsteuer: Bauern sind beim Verkauf ihrer eigenen Produkte mehrwertsteuerbefreit (auch bei Einnahmen über CHF 100’000)
  • Mineralölsteuer: Bauern erhalten Rückvergütungen auf der Besteuerung der Treibstoffe
  • Grundstückgewinne: Baulandbauern erhalten Steuerprivilegien auf Grundstückgewinnen
  • Familienzulagen: Für die Bauern werden diese von der öffentlichen Hand finanziert (im Gegensatz zu den nichtlandwirtschaftlichen Betrieben)

Ist es richtig, in einen an Bedeutung abnehmenden Berufsstand Mittel im bisherigen Ausmass zu investieren, die für die Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze fehlen?

Unter Heimatschutz: Wie weit darf die asymmetrische Mittelzuwendung gehen?

Die schweizerische Agrarpolitik bezweckt in erster Linie das Existenzrecht der Bauern zu sichern. Je nach statistischen Angaben und weiteren Annahmen liegen die Kosten für diese Strukturpoltik ingesamt zwischen 6 und 7 Mia Franken pro Jahr. Zusätzlich zu diesen Kosten fallen Kosten an als Kollateralschäden der Agrarpolitik, die empirisch nicht erhoben werden aber beeindruckend und aussergewöhnlich sein sollten (Klicken Sie zum Weiterlesen)

  • in der benachbarten Agrar- und Nahrungsmittelindustrie: sie übernimmt überhöhte Kosten auf inländische Rohstoffe, was sie im Export benachteiligt
  • im Tourismus und im Gastgewerbe: überteuerte Nahrungsmittel sind namentlich in Grenzgebieten verhängnisvoll
  • im Detailhandel: enormer Kaufkraftabfluss ins Ausland für Geschäfte in Grenznähe
  • bei den Freihandelsabkommen: im vornherein torpediert ohne Rücksicht auf industrielle Vorteile (Beispiele das abgebrochene Freihandelsabkommen mit den USA und die zur Zeit laufende Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP)

Als Ausgleich für die agrarprotektionistisch überteuerten Milch- und Getreiderohstoffe erhalten die Schweizer Konzerne Nestlé, Emmi, Lindt & Sprüngli  Exportsubventionen in Millionenhöhe (Schoggigesetz). Und es ist nicht lange her, da wollten 109 von 200 Nationalräten das schwer erkämpfte Cassis-de-Dijon Prinzip bodigen. Oder man verfolge aktuell die Vorstösse der Bauernlobby im Zusammenhang mit dem Stabilisierungsprogramm 2017 – 2019. Gemeinsam mit Norwegen, Südkorea und Japan ist die Schweiz in der Spitzengruppe der Agrarprotektionisten anzutreffen. Wer tut etwas dagegen? Auch die Grossverteiler Migros und Coop halten sich bedeckt und setzen sich wenig wahrnehmbar zugunsten ihrer Kunden ein. Höhere Margen auf ihren Produkten liegen ihnen wohl näher.

Das Paralleluniversum der Bauernlobby

Die Macht der Bauern ist gewaltig, der Zorn der Bauern furchtbar. Wer sich ihnen entgegenstellt, hat eigentlich schon verloren. Das wissen die Parlamentarier. Keine Partei wagt es, gegen die mächtigen Interessenorganisationen anzutreten. Und der Agrarsektor in Bund und Kanton beschäftigt inzwischen ein ganzes Heer von Mitarbeitern. Sie werden sich hüten, die Finanzströme zu kappen. Im Gegenteil, ihre Regulierungsliebe ist grenzenlos:

So erhalten die Bauern sog. Landschaftsqualitätsbeiträge, erarbeitet vom Bundesamt für Landwirtschaft in enger Zusammenarbeit mit der Vereinigung Agridea, hinter welcher der Schweizer Bauernverband (SBV), kantonale Landwirtschaftsämter und die Forschungsanstalt Agroscope stehen sollen. Nach dem Beobachter 20/2016 schrieben sie „schon 2010 ein Drehbuch, wie die Bauern dereinst solche Gelder abholen könnten“. Doch es blieb nicht bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen. Hinzu kommen Beiträge für Biodiversität (zur Förderung der Artenvielfalt und der Lebensräume) und Beiträge zur Pflege der Kulturlandschaft, wenn sie (wieder nach dem Beobachter 20/2016) das Land nicht verwalden und das Vieh auf die Alp lassen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

3 Franken pro Jahr gibts für jeden grösseren Zürcher Steinhaufen. Ein Findling bringt jährlich 100 Franken ein. 67 Eichen pflanzen – und innert fünf Jahren rund 30’000 Franken ernten

Weitere Beiträge fliessen für besondere naturnahe, umwelt- und tiergerechte Produktion. Dabei gibt es den typischen Bauern gar nicht. Gemüsebauer, Milchwirtschaftsbauer, Bio-Bauer, Bergbauer, sie haben unterschiedliche Probleme zu lösen. Doch in der politischen Öffentlichkeit treten sie mit einer Stimme auf, fordern mit viel Druck. Das Lobbying der Bauern ist erschreckend professionell. Ein Fünftel aller National- und Ständeräte hat eine Verbindung zur Landwirtschaft. Lobbygruppen befassen sich mit Futtermittel, Geflügelzucht, Viehwirtschaft, Milchwirtschaft, Obstwirtschaft, Weinbau/Bier/Spirituosen, Produktion/Handel, Promotion/Marketing, Wald und Holzwirtschaft, Kleinbauern.

National- und Ständebauern: Wer mit wem und wie und was – der Beobachter 20/2016 hat ergründet und enthüllt (interaktive Infografic des Beobachter). – Klicken Sie auf „START“, um das Netzwerk der Parlamentarier zur Landwirtschaft kennen zu lernen.

Agrarprotektionisten: Powerplay versus Rücksicht und Verständnis

Das Selbstverständnis der Ansprüche ist erschreckend. Dabei sind nicht alle Bauern Subventionsempfänger in gleicher Weise, es sind in erster Linie grosse Landwirtschaftsbetriebe in Tal- und Hügelgebieten und nicht Kleinbauern im Alpenraum. Doch mit ihrem Powerplay riskieren die Bauern insgesamt ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren. Von „Ausbeuten“ ist schon die Rede. Die vom Bauernverband und der SVP lancierte Volksinitiative „Für Ernährungssicherheit“ zeigt aktuell, wie unerbittlich die Anspruchshaltung daherkommt und wie biegsam sich die Räte in der grossen Kammer verhalten. Man kann es drehen wie man will: es geht um die krude Besitzstandswahrung.

Alle wissen, über alle Generationen und Besitzstände hinweg, dass die Schweiz vor enormen wirtschaftlichen Veränderungen steht und diese bewältigen muss. Das Lädelisterben war nicht aufzuhalten, Bankfilialen wurden ausgedünnt, Postfilialen ebenso. In diesen schwierigen Zeiten muss der Staat mithelfen, Übergangslösungen zu finanzieren. Diesen Anspruch hatten und dürfen auch die Bauern haben, und zwar als Überbrückungsmassnahme, nicht zur Strukturerhaltung. Angehende Jungbauern müssen ihr wirtschaftliches Umfeld kennen, den Markt für ihre Produkte und Dienstleistungen, wie andere Jungunternehmer auch. Die Perspektive mag rosig erscheinen, ein allfälliges Scheitern aber in Erwägung gezogen werden.

Durch die Industrie 4.00 werden in den nächsten Jahren je nach Schätzung eine grosse bis sehr grosse Anzahl von Arbeitsstellen im administrativen Sektor verloren gehen. Die Bauern werden nicht helfen können. Und was sind die Massnahmen und wo sind die Mittel bei einer zukünftigen Jugendarbeitslosigkeit.

Es sei hier in keiner Weise angedeutet, die Bauern seien die Hauptschuldigen für die Hochpreisinsel Schweiz. Das sind sie nicht. In gewissen Bereichen sind sie selbst betroffen von den hohen Preisen, bei den importierten Futtermitteln beispielsweise, oder bei Düngemittel und beim Maschinenpark. Der Agrarfreihandel ist nicht die Lösung, es geht aber um das tragbare Mass der Anpassungskosten an neue Strukturen. Dass die Bauern um ihre Existenz kämpfen ist ihr gutes Recht. Verschwiegen und unterdrückt werden darf aber nicht die Konsequenz der heutigen Agrarpolitik auf die Hochpreisinsel Schweiz: bei den landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln werden

zulasten der Konsumenten und Steuerzahler

Angebot und Nachfrage übersteuert durch staatliche Regulierungen: die inländische Produktion wird gefördert durch offene und versteckte Subventionen, der Import ausländischer Produkte gebremst durch Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse.

Der Staat marschiert an vorderster Preisfront

bewaffnet mit einer gewaltigen Agrarbürokratie, die sich selbst nicht abschaffen will, die im Gegenteil immer mehr zum Trabanten der Agrarlobby wird, immer mehr gemeinsame Interessen hat. Geregelt und kontrolliert wird bis ins kleinste Detail, wie vorige Beispiele zeigen. Man stelle sich einmal vor, wieviel Verwaltungsaufwand und -kosten hinter jeder Transferleistung liegen! Wer setzt hier den Massstab, sorgt für Kosteneffizienz, legt Rechenschaft ab gegenüber wem? Darf man sagen: das interessiert keine Sau?

Die landwirtschaftlichen Nahrungsmittel sind nur ein (wichtiges) Beispiel für die vom Staat beeinflusste (administrierte) Preisbildung. Aufsehenerregend am Beispiel ist, auf welche Weise fernab von Angebot und Nachfrage die Preisbildung erfolgt. Andere Beispiele finden sich im Gesundheitswesen (Arzneimittelpreise und Krankenkassenprämien), im öffentlichen Verkehr, im Energiesektor. Und wenn wir beim Staat bleiben, wie sieht es aus bei der Entwicklung der Steuerbelastung?

Die Steuern sind für die meisten Haushalte die grösste Ausgabe des Jahres (in gewissen Fällen mit Ausnahme der Miete oder der Krankenkassenbeiträge). Im Grunde genommen sind die Steuern nichts anderes als das Entgelt für die Dienstleistungen des Staates, die je nach Einwohner mehr oder weniger in Anspruch genommen werden. Bei den Gebühren sind die Zusammenhänge direkter, beim SBB-Ticket unmittelbar. Praxis und Literatur erwähnen, dass die staatlichen Dienstleistungen viel stärker überteuert sind als die privaten. Wo sind die Studien, welche die Preis- bzw. Kostenentwicklung aufzeigen beispielsweise für die öffentliche Sicherheit, den Umweltschutz oder die Verwaltung? Welche Verantwortung für das hohe Preisniveau übernehmen die Politiker, die Parlamentarier, die Stimmbürger? Wissen sie, welche Priorität das relative Preisniveau zum Ausland für die Arbeitsplätze der Zukunft hat? Und wenn ja, wie sehen Ziele und Massnahmen aus, um das hohe Preisniveau zu reduzieren?

Nehmen wir abschliessend den Haushalt von Bürger Glas Klar, um die Relevanz des Staates am Einzelbeispiel offen zu legen:

Erstens: Wieviel seiner Ausgaben bestimmen administrierte Preise wie Steuern, Gebühren, Abgaben, Krankenkassenprämien, öffentlicher Verkehr, Ausbildung, Energie, Nahrungsmittel – und wie sieht hier die Preisentwicklung in den letzten 20 Jahren aus! Sind die Preise stark gestiegen, und sie sind – preisbestimmend oder preisduldend war der Staat, nicht die Privatwirtschaft.

Preistreiber Nummer eins ist der Staat, mehr oder weniger ungehindert durch die Wettbewerbsbehörde.

Zweitens: Nehmen wir nur die Steuern, Gebühren und Abgaben, wieviel des Bruttoeinkommens geht direkt zurück an den Staat? Zum einen Sack hinein, zum andern Sack hinaus. Wir sind bei der Staatsquote.

Ist die Schweiz nun ein Steuerparadies oder eine Steuerhölle? Demnächst

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 2: Stellvertreterkrieg im Parlament

Aus den Überschriften der letzten Wochen:

„Regulierungswut auf der Hochpreisinsel“ – „Eine eingebildete Krankheit“  „Liberale Politiker auf dem Holzweg“

Kartellexperten, Patentanwälte und Politiker profilieren sich. Seiten werden bezogen, Claims gesteckt und Wagenburgen geschlossen. Es geht um viel Geld in einem lukrativen Markt für Berater und Lobbyisten.

Die Kunst der Professionalität gebietet, den Sachverhalt zu komplizieren, von allen Seiten zu beleuchten, denkbare Vor- und Nachteile in allen Schattierungen zu würdigen. Doch so schwierig ist es eigentlich nicht. Ein kurzer Refresher zum Thema Kartellabsprachen:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Preisdifferenzierung ist ein altes und bewährtes Instrument im Marketing-Mix. Dazu stehen verschiedene Kriterien zur Verfügung, wie die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Lieferung (saisonale Preisunterschiede) oder die Differenzierung nach der Menge (Rückvergütungen und Rabatte). Bei der räumlichen Preisdifferenzierung (Gebietsabsprachen) verkaufen ausländische Produzenten (in gewissen Fällen auch inländische) ihre Erzeugnisse in der Schweiz mit einem Zuschlag, sei es über Tochtergesellschaften oder über unabhängige Importeure. Man spricht dabei von vertikalen Kartellabsprachen (dem Absatzkanal entlang) im Unterschied zu den horizontalen Kartellabsprachen (unter Konkurrenten).

Die bisherige Praxis

Nach der alten Bundesverfassung waren vertikale und horizontale Kartellabsprachen erlaubt, soweit sie nicht schädlich für das Gemeinwohl waren (Missbrauchsgesetzgebung). Um den Missbrauch zulasten der Konsumenten zu begrenzen, wurde 1995 das Kartellgesetz verabschiedet (Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995, KG).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das KG bezweckt nach Art. 1: „volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern“.

Der Geltungsbereich wird in Art. 2 wie folgt definiert: „Das Gesetz gilt für Unternehmen des privaten und öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen“(Abs. 1).

Im Jahre 2004 wurden einige Revisionen sowie die Verordnung über die Sanktionen bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft gesetzt.

Die Wettbewerbsbehörde

Die Wettbewerbskommission (Weko) trifft die Entscheide, erlässt die Verfügungen und gibt Empfehlungen, Stellungnahmen und Gutachten an die politischen Behörden (KG Art. 18 Abs. 3). Die Zusammenarbeit mit dem Preisüberwacher geht aus Art. 3 hervor: „Verfahren zur Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen nach diesem Gesetz gehen Verfahren nach dem Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG) vor, es sei denn, die Wettbewerbskommission und der Preisüberwacher treffen gemeinsam eine gegenteilige Regelung“ (Abs. 3). Gemäss PüG(Klicken Sie zum Weiterlesen)

beobachtet der Preisüberwacher „die Preisentwicklung (Art. 4 Abs. 1), „verhindert oder beseitigt die missbräuchliche Erhöhung“ (Abs. 2) und „orientiert die Öffentlichkeit“ (Abs. 3). Art. 5 regelt die Zusammenarbeit mit der Wettbewerbskommission. Nach Art. 12 Abs. 1 liegt ein Preismissbrauch dann vor, „wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind“.

Und hier sind wir beim Thema und vor den Beispielen. Das KG führt Verhaltensweisen auf, bei denen vermutet wird, dass diese volkswirtschaftliche oder soziale Schäden verursachen. Verkaufen beispielsweise alle Tankstellen einer Region ihre Produkte zu denselben Preisen (horizontale Preisabsprache) wird vermutet, der Wettbewerb sei eingeschränkt. Desgleichen: wenn ein Produzent einer Ware allen ausländischen Händlern verbietet, in die Schweiz zu liefern (vertikale Gebietsabsprache). Es gibt keine „Per-se“-Erheblichkeit und der Nachweis der schädlichen Beeinträchtigung obliegt der verantwortlichen Behörde. Was das heisst und wie schwierig die griffige Durchsetzung sein kann, zeigt das Beispiel der Buchpreisbindung in aller Dramatik:

Die Buchpreisbindung – gemeinsam voll auf die Bremse

Leicht gekürzt immer noch eindrücklich:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Weko eröffnete am 28. September 1998 eine Untersuchung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher. Einbezogen waren der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) sowie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Die Weko befand die horizontal koordinierte vertikale Wettbewerbsabrede über die direkte oder indirekte Festsetzung der Verkaufspreise als kartellrechtlich unzulässig. Auf eine Beschwerde hin vom 21. Mai 2001 bestätigte die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen diesen Entscheid. Dagegen haben die beiden Verbände am 21. Juni 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht u.a. mit dem Antrag, den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission aufzuheben. Die Weko wiederum hat erwartungsgemäss den Antrag gestellt, diese Beschwerden abzuweisen. Nun konnte nur noch die Politik weiterhelfen.

Aus den Argumenten der Lobbyisten in Richtung Parlamentarier: es bestehe die Gefahr, dass die Kultur unseres Landes aus ökonomischen Interessen verschachert und schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Schweizer Literatur erfolgen würden. Eine wissenschaftliche Studie „Buchmarkt und Buchpreisbindung in der Schweiz“ im Auftrag des Bundesamtes für Kultur in Verbindung mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft sollte die letzten Kulturbanausen in die Knie zwingen, mit Erfolg: das Bundesgericht hiess die Beschwerden teilweise gut und wies die Anträge zur erneuten Beurteilung an die Weko zurück.

Vier Jahre nach Abschaffung der Buchpreisbindung nahm das Parlament im Frühling 2011 das „Bundesgesetz über die Buchpreisbindung“ an und die Buchpreisbindung fand ihre Wiedergeburt. Dagegen hatten die Jungparteien SVP und FDP erfolgreich das Referendum ergriffen. Am 11 März 2011 entschieden sich die Stimmbürger mit 56,1% gegen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung.

Einfach nur peinlich

Eine unglaubliche Zwängerei und ein trübes Beispiel, wie sich die Parlamentarier herumschieben lassen. Eine Strukturerhaltungspolitik, die völlig an der Marktentwicklung und an den Konsumenteninteressen vorbei aufrechterhalten werden sollte. Heute findet der Vertrieb weitgehend ohne Verkaufsflächen statt, grenzüberschreitend über Internetplattformen. Immer mehr Leser verzichten auf ein Print-Produkt und greifen zum E-Book. Standort-Buchhandlungen im bisherigen Sinn (Fach-und Allgemeinsortimenter) können sich nur noch als Ketten oder in Nischen behaupten. Was für ein Kampf für Vertriebswege von gestern!

Früher war die Schweiz der typische Testmarkt für ausländische Produzenten. Heute ist die Schweiz der typische Abschöpfungsmarkt zur Aufmischung der Gewinne.

Die reichen Schweizer und die Hochpreisstrategie der internationalen Markenartikelkonzerne

Ausländische Produzenten verlangen von ihren Schweizer Kunden höhere Preise als für ihre Kunden in Nachbarländern. Preisdifferenzen von 20, 30 und 50% sind dokumentiert. Als Rechtfertigungsgründe werden die hohen Lohn- und Raumkosten genannt, eher selten die höhere Kaufkraft. Noch gut in Erinnerung bleibt das Beharrungsvermögen, als es darum ging, die Währungsgewinne aus der Wechselkursdifferenz Franken/Euro an die Endkunden weiterzugeben. Inzwischen liegen aufsehenerregende Weko-Entscheide vor, darunter:

Der Fall Elmex – vertikale Absprachen

Denner hatte im Jahre 2005 versucht, die Zahnpasta Elmex billig aus Österreich zu beziehen, am Hersteller vorbei parallel zu importieren und dann in der Schweiz billiger zu verkaufen (als Coop und Migros). Eine klassische Wettbewerbsstrategie. Doch Elmex konnte es verhindern. Busse 4.8 Mio Franken. Vor Bundesgericht hängig.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das Bundesverwaltungsgericht sah es als erwiesen an, dass der Hersteller der Zahnpasta Elmex (vormals GABA, die heutige Firma Colgate-Palmotive) den Preiswettbewerb zu verhindern versuchte (Entscheid vom Dezember 2013).

Für Kartellgegner ein gefährlicher Muster-Entscheid. Die liberale NZZ veröffentlichte vor Kurzem mehrere Artikel mit der Grundhaltung, das Bundesgericht sei über das Ziel hinausgeschossen und habe faktisch ein Verbot für vertikale Absprachen zwischen Hersteller und Händler ausgesprochen. Das Parlament habe indessen vertikale Absprachen nie verbieten wollen.

Der Fall BMW – Lieferverbote für Händler

Der Autohersteller BMW hatte seinen Händlern aus dem europäischen Wirtschaftsraum untersagt, Fahrzeuge an Schweizer Kunden zu verkaufen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Hier nicht relevant und doch ausgesprochen werden soll: Müsste es für die Schweizer Reputation des Autoherstellers BMW nicht abträglich gewesen sein, wenn in aller Offenheit darüber diskutiert wird, dass der Schweizer Konsument mit einem Schweiz-Zuschlag (von bis zu 33% gegenüber Deutschland) abgezockt werden soll und man an dieser Praxis festhalten wolle. Müsste sich ein potentieller Schweizer Käufer nicht als düpiert, veräppelt und verkaspert vorkommen?

Die Weko hat BMW mit einer Busse von 154 Mio Franken bestraft, wogegen BMW Beschwerde erhob. Das Bundesverwaltungsgericht kam im November 2015 zum Schluss, dass Gebietsschutzklauseln automatisch als erhebliche Wettbewerbsabreden zu gelten haben. Vor Bundesgericht hängig.

Die rätselhaften Vertriebswege der Sanitär-Grosshändler

Das jetzt abgeschlossene Verfahren erfolgte auf Hinweise der Bevölkerung (2011). Wer einmal mit der Sanitärbranche zu tun hatte kann sich sicher noch gut erinnern, was für merkwürdige und aussergewöhnliche Vertriebswege sie antrafen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Weko büsste den Schweizer Grosshandelsverband und 8 Gesellschaften (darunter Sanitas Troesch und die Sabag-Gruppe) mit insgesamt rund 80 Mio Franken. Die Weko wirft den Gesellschaften vor, über den Verband preisbestimmende Faktoren wie Margen und Rabatte vereinbart zu haben. Gesellschaften, die ihre Produkte nicht über den Grosshandel verkaufen wollten, seien am Markteintritt gehindert worden.

Geschädigt nach Weko seien die Konsumenten und einzelne Sanitärinstallateure. Die detaillierte Begründung ist noch ausstehend. Danach wollen die betroffenen Gesellschaften die Busse rechtlich bestreiten.

Die Argumente: Pros und Cons

BundeshausTeilansichtKeine Lösung hat nur Vorteile, immer sind auch Nachteile hinzunehmen. Für rechtsliberale Kreise sind vertikale Absprachen sinnvoll, da der Wettbewerb in vielen Fällen nicht behindert werde, dies umso mehr, als Bagatellfälle vermieden und unschädliche Formen der Koordination zugelassen werden sollen. Die höhere Marge mache es ausserdem möglich, in Beratung,  Imagepflege, Innovation und Expansion zu investieren. Beispiele aus Theorie und Praxis untermauern die positiven Aspekte der vertikalen Absprachen aus ihrer Sicht. Unwidersprochen: was für Importeure gilt, gilt auch für Schweizer Exporteure. Auch sie nehmen Preisdifferenzierungen vor. Auch ihnen kann es an den Kragen gehen, von inländischen und ausländischen Kartellbehörden.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Es kann sein, dass der Schweizer Konsument für das inländische Produkt mehr bezahlen muss als der Konsument im Ausland für das gleiche Schweizer Produkt. Nicht zur Freude der Schweizer Konsumenten, doch zum Wohle der Schweizer Produzenten. Wer über die Grenze Schweizer Pharmaprodukte einkauft, und das tun viele, kennt die Preisdifferenzen aus eigener Erfahrung.

Die Argumente der Kartellgesetzgegner lassen dann erstaunen, wenn von Nachteilen für die Schweizer Konsumenten die Rede ist. Behauptet ein Autor in allem Ernst, fallende Importpreise (fallender Schweiz Zuschlag) führten zu tieferen Löhnen sollte fairerweise anfügen, dass mit sinkenden Löhnen auch sinkende Einkommenssteuern verbunden wären.

Und wer die auf die Spitze getriebene Vereinfachung trommelt: Wohlstandsinseln sind Hochlohninseln sind Hochpreisinseln – nuschelt leicht dümmlich. Was ansatzweise für autarke Volkswirtschaften richtig sein könnte, gilt sicher nicht für exportorientierte Volkswirtschaften (wie die Schweiz) und sicher nicht für grenznahe Regionen. Hinterfragt man indessen die berufliche Herkunft und Ausrichtung vieler Kartellbefürworter kann man zum Schluss kommen: alleiniger Zweck der Vorstösse ist die Beweishürde für die Wettbewerbsbehörde möglichst hoch zu halten. Das gibt Spielraum für die Berater(-honorare).

Revision – zurück zum Start

Im Parlament wurde eine Reihe von Vorstössen eingereicht, die kritische Punkte der gescheiterten Revision von 2014 wieder aufgreifen.

Das zu revidierende Kartellgesetz sollte nach gewissen Vorstellungen die preisliche Meistbegünstigung der Schweiz festschreiben. Schweizer Kunden sollten zu den jeweils weltweit tiefsten Preisen beliefert werden. Dass man ausländischen Lieferanten die Preise nicht vorschreiben kann (und wer soll diese Preise festlegen), ist unschwer erkennbar. Interventionen dieser Art sind rechtlich auch gar nicht durchsetzbar. Andere Vorschläge, wie das Kriterium Marktbeherrschung auf die relative Marktmacht auszuweiten, finden im politischen Machtkampf keine ausreichende Unterstützung.

Weko-Präsident Vincent Martenet fordert eine Revision in vier Punkten: Striktere Fusionskontrolle, Zulassung von Zivilklagen, Bussenrabatte bei wirksamer interner Kontrolle, stärkeres Widerspruchsverfahren (Der Bund, 29.04.2016).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wünschenswert wäre auch, dass die guten Erfahrungen unserer Nachbarn im Sinne einer Best Practice vermehrt in die Überlegungen einbezogen würden. Das deutsche Bundeskartellamt hat beispielsweise erste Erfahrungen gesammelt mit einem elektronischen Hinweisgebersystem für anonyme Eingaben. Ein solches System mag an sich als unsympathisch und unschweizerisch empfunden werden, steigert aber mit grosser Sicherheit das unternehmerische Bewusstsein für die Kartellrechtsproblematik. Und dieses Bewusstsein fehlt noch weitgehend, historisch begründet im Umgang mit Kartellabsprachen in den letzten 50 Jahren.

Die Schweizer Exportindustrie riskiert zunehmend auch global in Kartellverfahren verwickelt zu werden, die Finanzindustrie allen voran (die Manipulationen der Devisenkurse sind letztendlich Absprachen unter Grossbanken zur Schädigung der Bankkunden). Die ausländischen Wettbewerbsbehörden treten immer aggressiver auf, eine Eskalation der Bussgeldentscheide und -volumen ist zu vermuten. In diesem Sinne wäre es sicher empfehlenswert, Überlegungen zur Kartellrechtsproblematik in das Risk-Management bzw. in die Compliance der Unternehmung aufzunehmen.

Doch in der Schweiz wird unverdrossen weitergemauert unter der Maxime, die Handels- und Gewerbefreiheit (zeitgemässer: die unternehmerische Freiheit) dürfe nicht eingeschränkt werden. Was aus Sicht der Einzelunternehmung (mikroökonomisch) noch verständlich sein könnte, ist volkswirtschaftlich (makroökonomisch) weitgehend unbestritten falsch. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis zeigen die fatalen Folgen auf lange Sicht (Diskussionsvorschlag für Biertischliberale: das Schweizer Bierkartell und das Ende der überregionalen Bierproduzenten).

Die Schlacht im Bundeshaus – der Stellvertreterkrieg

In der Arena stehen nicht Unternehmer und Konsumenten. Gefightet wird über Stellvertreter. Doch dieser Kampf ist ungleich. Einer produzierenden Wirtschaft (teilorganisiert über Verbände) mit einem gewaltigen Potential an finanziellen Mitteln und einem auf Abruf bereiten Heer von Rechtsberatern und Lobbyisten stehen wenige Konsumentenschutzorganisationen mit bescheidenen Mitteln und eine unendlich grosse Schar unorganisierter Konsumenten entgegen, die kollektiv (noch) nicht klagen können. Kommt dazu, dass die Gewerkschaften die Lösung immer noch im Lohnausgleich sehen. So werden die Schweizer Konsumenten weiter über den Tisch gezogen, von ausländischen wie auch von inländischen Produzenten. Und wie es aussieht, verhindern (die vom Schweizer Volk gewählten) Politiker in der Mehrheit eine starke Wettbewerbsbehörde nach ausländischem Vorbild.

Eine weitere Volksinitiative?

Es muss einmal mehr das Schweizer Stimmvolk über die nächste Revision des Kartellrechts entscheiden.

Demnächst Teil 3 der Trilogie zur Hochpreisinsel Schweiz: der grösste Preistreiber

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15.09.2016/Renzo Zbinden

 

Hochpreisinsel Schweiz Teil 1: Wischiwaschi im Schattentheater

Unvergesslich: In den frühen 70er-Jahren hat Paul Stocker, Professor für Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Universität Bern in seiner Einführung in die Volkswirtschaftslehre von der Schweiz als dem Eldorado der Kartelle gesprochen. Wenn das so war zu jener Zeit, was waren die Folgen, über vierzig Jahre später? Heute stehen wir auf einer beängstigenden Hochpreisinsel!(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Wobei nicht die absolute Höhe der Preise die Tragödie ist, sondern die relative gemessen am Festland. Um drei Beispiele zu nennen: Bei uns sind gemäss Preisbarometer des Konsumentenschützers

  • Nahrungsmittel 32 bis 37%
  • Zeitschriften und Kosmetikprodukte rd 70%
  • rezeptfreie Medikamente bis zu 7 Mal

teurer als im grossen Kanton (Deutschland).

In einer Antwort auf einen Vorstoss von SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer zum Thema „Erodiert die Mittelschicht?“ kommt der Bundesrat zum Schluss, dass im Vergleich zu den EU-Kernländern (EU15) die Preise in der Schweiz (im Jahr 2013) durchschnittlich um 41.4% höher waren. Unglaublich, und doch wenig kommentiert!

Da wurde ein halbes Jahrhundert lang lobbyiert, gemobbt, gestochen und gefightet, geschwiegen, getäuscht und gelogen, Besserwisser mit Gutachten zugemüllt, stumpfe Messer wie Konsumentenschutz und Preisüberwacher idealisiert. Das Wischiwaschi unserer Wirtschaftspolitiker und Lobbyisten war ein Graus, eine Schande und nimmt kein Ende. Noch vor kurzem hat die NZZ in einer Folge von Artikeln die Meinung vertreten, Preisabsprachen (vertikale) zwischen Herstellern und Händlern seien sinnvoll. Und unser Parlament lässt sich herumschieben von links nach rechts und wieder zurück, je nach Teilaspekt und Stärke der im Augenblick vorherrschenden Partikularinteressen, ein Parlament notabene mit bürgerlicher Mehrheit!

Da wird die Frankenstärke thematisiert und dramatisiert. Hinz und Kunz sprechen heute von den Auswirkungen des teuren Schweizer Frankens auf die Konkurrenzfähigkeit der Exportindustrie, der Nationalbank wird Untätigkeit oder gar Unfähigkeit unterstellt, Scheingefechte geführt in einem absurden Schattentheater. Und verlogen argumentiert: Solange die Schweizer Konsumenten die hohen Preise mit den hohen Löhnen bezahlen können ist doch eigentlich alles in Ordnung. Oder verkehrtherum: was nützen den Konsumenten im Ausland die tiefen Preise bei ihren tiefen Löhnen. Alles paletti Schweizer, kein Grund zur Sorge! Die Kaufkraft ist entscheidend, wir sorgen dafür, dass du angemessen entlöhnt wirst.

Ein Brett vor dem Kopf?

Die hohen Löhne gehen in die hohen Lohnkosten der Exportindustrie ein und katapultieren uns aus dem Weltmarkt, Arbeitsplätze gehen verloren. Dabei stellt sich naheliegend die wichtige Frage, inwiefern die hohen Löhne selbst die Ursache für die hohen Preise sind bzw. in welchem Verhältnis die hohen Löhne und weitere Ursachen bestimmend sind für die hohen Preise.

Der Bundesrat schreibt (in der erwähnten Antwort, S.16):(Klicken Sie zum Weiterlesen)

„Generell lässt sich festhalten, dass höhere Preise nicht zwangsläufig das Ergebnis eines im internationalen Vergleich hohen Lohnniveaus sein müssen. Sowohl die längere Wochenarbeitszeit als auch die im europäischen Vergleich hohe Arbeitsproduktivität erlauben ein höheres Lohnniveau in der Schweiz. Die höheren Preise dürften damit weniger Ausdruck eines hohen Lohnniveaus, sondern insbesondere auch das Resultat einer hohen Kaufkraft der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sein, welche die Produzenten und Händler abzuschöpfen wissen.“

Fleiss, Zuverlässigkeit, Effizienz- und Qualitätsbewusstsein sind sicher Vorteile. Sie können aber nicht ins Unendliche gesteigert werden, und fleissig sind auch andere. In der Antwort des Bundesrates aufschlussreich ist hingegen das „insbesondere“:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Nicht die Eingriffe in die freie Wirtschaftsordnung, nicht die Strukturerhaltungspolitik und keine Partikularinteressen sind Schuld, meint der Bundesrat, sondern die (raffgierigen) Produzenten und Händler, welche die Kaufkraft der Konsumenten (wie Sahne) abschöpfen. – Wenn man sie lässt, vermutlich schon, wie in jüngster Zeit das Beispiel Weitergabe der Währungsgewinne deutlich aufzeigt!

Welche Preistreiber?

Es ist vermutlich schwierig, eine Reihenfolge nach Wirksamkeit allumfassend bzw. allgemeingültig empirisch zu belegen. Unsere im Vergleich zum Ausland geringere Intensität des Wettbewerbs (infolge Strukturerhaltung und Kartellabsprachen) kann nicht alleine Ursache sein, wie vielleicht vermutet werden könnte. Partikularinteressen (an hohen Preisen) spielen ebenso eine wichtige Rolle. Wenig bestritten ist die Auffassung, je reicher eine Volkswirtschaft (wie die schweizerische), desto einfacher lassen sich Preiserhöhungen durchsetzen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der hohe Wohlstand bewirkt eine tiefe Preiselastizität der Nachfrage (je höher die Preiselastizität, desto stärker reagiert die Menge auf die Preisänderung). Leicht einsichtbar am Fahrzeugverkauf: Schweizer kaufen im Gegensatz zu Konsumenten benachbarter Staaten leistungsstärkere Fahrzeuge mit mehr Ausstattungs-Optionen – es darf ruhig ein wenig mehr kosten! BMW konnte es sich beispielsweise leisten, seine Fahrzeuge 33 Prozent teurer zu verkaufen als in Deutschland (der Fall BMW – vertikale Preisabsprache – ist vor Bundesgericht hängig). Der BMW Käufer nahm es hin.

Preistreibend ähnlich den Kartellabsprachen sind politisch erzwungene Hindernisse im internationalen Handel wie Zölle (im Rahmen der Agrarpolitik), technische und andere Sondervorschriften (um Parallelimporte zu verhindern) und nicht zuletzt die relativ hohen Produktionskosten im Inland ausserhalb der Lohnkosten aus hoher Regulierung und Bürokratisierung (gewollt und heftig verteidigt), nebst hohen Boden- und Mietpreisen. Ein ganzer Mix von Ursachen, der einfache Lösungen ausschliesst und einen politischen Konsens als Lösungsansatz voraussetzt. Hoffnung auf Preissenkung kam schliesslich auf mit dem Auftreten externer Faktoren.

Der Markteintritt von Aldi und Lidl – die dritte Kraft – sollte es richten

Migros und Coop wirkten lange Zeit oligopolähnlich im Markt der Lebensmittel, sie teilten sich die Märkte auf und taten sich nicht übermässig weh(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Darf man sich fragen, wie hoch die Gewinne aus oligopolähnlicher Struktur der Schweizer Discounter in all den Jahren waren (eine Art Konsumentenrente aus Marktmacht) oder schlachtet man dabei heilige Kühe? Das Kulturprozent der Migros in Ehren, aber war und ist es Aufgabe eines Schweizer Discounters, Kulturpolitik zu betreiben? Wäre es nicht angebrachter, den Konsumenten (und Genossenschaftern) weniger Geld aus der Tasche zu ziehen? Auf jeden Fall fiel auf wie es plötzlich möglich war, die Preise massiv zu senken und dabei immer noch Gewinne auszuweisen.

Kommen neu deutsche Hard-Discounter dazu (heute vor rund 10 Jahren), als dritte Kraft, werden die Preise sinken, so die damals vorherrschende Meinung. Und tatsächlich, vor Eintritt der Deutschen sanken die Lebensmittelpreise massiv, und als flankierende Abwehrmassnahme bildeten beide Schweizer Discounter eine Billiglinie (M-Budget und Prix-Garantie).  Die Warnungen „liberaler“ Wirtschaftspolitiker waren nicht zu übersehen: Preiskrieg, eine Verarmung des Sortiments, eine Konzentration auf Schnelldreher, eine Abnahme an Qualität, Frische und Dienstleistung. Ist das passiert? Oder war es nicht so, dass die Schweizer Discounter die Qualität gesteigert haben, Bio- und Fair-Trade Label einführten, Premium-Produkte? Und auf der anderen Seite Aldi und Lidl die Swissness (Brotausback-Stationen in den Filialen) und die hohe Qualität pflegten (Aldi-Produkte erhielten von den Konsumentenorganisationen immer wieder die Auszeichnung „Kauftipp“). In der Retrospektive hat sich nicht Wesentliches verändert und kaum überwiegend im negativen Sinne. Der Preisdruck der letzten Jahre kam weniger aus dem Konkurrenzverhalten und mehr aus der Frankenstärke. Relativ zum Ausland steht die Hochpreisinsel Schweiz unverändert da. Ein Beispiel gefällig?

Der Einkaufstourismus ist unleugbar und legt die Probleme schonungslos offen

Dass die Hochpreisinsel Schweiz weiter besteht, sieht jeder Schweizer spätestens dann, wenn er ein Aldi-Produkt auf das Kassenband legt, einmal in der Schweiz und einmal im Ausland. Machen Sie es!

Die Schweizer Konsumenten in Grenznähe handeln, Appelle an die Fairness prallen ab. Einerseits überzeugen die Argumente nicht und andererseits will man sie nicht befolgen. Die Zunahme der Kaufkraft der Schweizer Konsumenten in den letzten Jahren aufgrund der Frankenstärke begünstigt den Einkaufstourismus zusätzlich. Je nach Datenquelle sollen die Schweizer Konsumenten im Jahr 2015 Einkäufe von bis zu 11 Mia Franken im grenznahen Ausland vorgenommen haben, ein Vielfaches der Umsätze von Aldi und Lidl (nach GfK im Jahr 2014 zusammen rund 2.6 Mia Franken).

Damit die Preise fallen, müssten die Discount- und Detailhändler die gleichen Möglichkeiten haben, im Ausland einzukaufen (Parallelimporte).

Und da wäre noch das Faktum, dass viele Preise gar nicht über den Wettbewerb bestimmt werden, sondern direkt oder indirekt über den Staat (administrierte Preise überall, beim öffentlichen Verkehr, bei der Post, beim Gesundheitswesen). Wir sind beim Agrarsektor (Zölle) und bei den kantonalen Bau- und Umweltvorschriften, bei den Regulierungskosten und Verpackungsvorschriften, bei der Gebühren- (von den Radio- und Fernsehgebühren bis zum Abfallsack) und Steuerpolitik (Auswirkungen der Steuerprogression). Wer hat eigentlich ein Interesse daran (ausser der Exportindustrie), die Hochpreisinsel Schweiz zu schleifen?

Und dann sind wir bei den Schweizer Konsumenten ohne Lohnausgleich, bei den Rentnern: sie steigen immer mehr in die Holzklasse und verlassen die Schweiz.

Cabin2Einmal in Pension mit Renten ohne Teuerungsausgleich, was ausserhalb der staatlicher Betriebe die Regel ist, müssen immer mehr Rentner ins Ausland, da die Schweiz zu teuer geworden ist.

Zwar haben wir heute keine Teuerung (die Massgeblichkeit des Konsumentenpreisindexes ist ein späteres Thema), doch was auf uns zukommt aufgrund der gegenwärtigen Geld- und Währungspolitik schweiz- und weltweit gibt Anlass zu Sorge. Ist die Wettbewerbspolitik der Schweiz die richtige Anwort auf die zukünftigen Probleme? Hat sie nicht in der Retrospektive total versagt? Und ist die Agrarpolitik von heute nicht ein trauriges Beispiel für die Wahrung von Partikularinteressen.  Demnächst

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Hochpreisinsel Schweiz Teil 2: Gemeinsam voll in die Klötze

09.08.2016/Renzo Zbinden

Non Compliance – am Abgrund vorbei

In der Betriebswirtschafts – und Managementlehre ist es beliebt, fundamentale Zusammenhänge in gut dokumentierten Fallstudien (Business Case Studies) zu analysieren und hieraus funktionsbezogene praktische Lösungen zu erarbeiten und zu diskutieren. Zum Thema Non Compliance wird der Weltkonzern VW lange Zeit ein dankbares Beispiel abgeben.

Der blanke Wahnsinn

Um es zu rekapitulieren: VW rüstet seit Jahren Dieselfahrzeuge mit einer Software aus, die beim Emissionstest auf dem Rollenprüfstand weniger Abgase erzeugt als im Strassenverkehr. Wie geht das?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Die Software erkennt den Prüfzyklus aufgrund der Lenkradposition (Fahrt ohne Lenkbewegungen), der Reifenumdrehung (nur zwei von vier Rädern drehen) und der Motorenelektronik. Im Prüfzyklus wird über die Software auf das Abgaskontrollsystem eingewirkt, beispielsweise mittels Harnstoffeinspritzung über eine Dosierleitung in das Abgassystem.

Auf diese Weise erreichten die Fahrzeuge Abgas-Grenzwerte, mit denen sie die Zulassung in den USA erhielten. Weltweit sind rund 11 Mio. Fahrzeuge davon betroffen.

Der immense Schaden

VwDem einst so mächtigen Konzern drohen gewaltige Kosten, es geht um Milliarden: Rückkäufe, Entschädigungen, Schadenersatzforderungen, Strafen, Umsatzeinbrüche. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz – DSW – will durch einen unabhängigen Sonderprüfer abklären lassen, ob die per Ende Vorjahr bilanzierten Rückstellungen von 16.2 Mrd Euro ausreichen. Zukünftige Kosten fallen an für eine weltweite und schwierige Öffentlichkeitsarbeit gegen den eingetretenen Verlust an Reputation und Kundenvertrauen.

Durch den Kurssturz haben die VW-Aktionäre viel Geld verloren, sie wollen klagen: Grossaktionäre wie amerikanische Pension-Funds und Kleinaktionäre, diese im Verbund über Sammelklagen. Nur das Land Niedersachsen mit 20% der Stammanteile wird sich diplomatisch verhalten müssen. Es leiden auch die vielen Zulieferbetriebe.

Die russige Dieselwelt made in Germany

Wo ein Räuchlein ist, da brennt ein Feuer. Unter Generalverdacht stehen inzwischen fast alle deutschen Autokonzerne(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Spiegel (Nr. 20 vom 14.05.2016) öffnet ein neues Kapital zur Dieselgate unter dem Titel: „Die Diesel Lüge – erst VW, jetzt Opel: Eine deutsche Industrie-Affäre“. Bei einer Anhörung sollen Opel-Mitarbeiter erwähnt haben, das Abschalten der Abgasreinigung erfolge nur bei bestimmten Temperaturen (Thermofenster) und diene dem Schutz wichtiger Bauteile. Doch Recherchen sollen ergeben haben, dass die Software nicht nur bei bestimmten Temperaturen wirksam wird, sondern auch in anderen Situationen, häufig.

Nicht nur Fahrzeuginhaber wollen klagen, klagen wollen auch jene, die ihren Lungenkrebs auf den zu hohen Stickoxidausstoss der Dieselmotoren zurückführen.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Rund 480’000 Dieselfahrzeuge verstossen in den USA gegen die Umweltstandards. Wegen manipulierten Abgasemissionen sind per Ende April über 500 zivilrechtliche Klagen eingereicht worden. Zur Behebung von Umweltschäden soll ausserdem ein Fonds errichtet werden. Volkswagen hat im April 2016 eine Grundsatzvereinbarung getroffen mit dem Justizdepartement (Umweltabteilung), der Umweltbehörde EPA und der kalifornischen Luftreinhaltebehörde (Carb) unter Beteiligung der Federal Trade Commission (FTC). Was dies materiell zur Folge hat, ist noch unbekannt.

Doch zurück zur Modellpolitik: Durch Umrüstungen und Modellanpassungen verändern sich auch die ursprünglich erzielten (und verkauften) Leistungswerte wie Drehmoment und Höchstgeschwindigkeit. Dass die Konkurrenz es hochspielen will, ist zu erwarten.

Auf einen Schlag ist alles zerstört, was seit Jahren aufgebaut wurde. Die Weltmarke VW ist schwer geschädigt, im Kampf um die Spitze um Jahre zurückgeworfen.

„Wolfsburger, go to begin!“

Den VW Konzern trifft es in einer schwierigen Phase mitten im industriellen Umbruch: das rollende selbstfahrende Eigenheim kurz vor dem Markteintritt mit Technologieführer aus dem Silicon Valley wie Google und Apple als Konkurrenten. Statt die gesparten Milliarden in diesen Kampf werfen zu können wird VW Altlasten bereinigen müssen. Wie konnte das nur passieren, wer ging solche Risiken ein, wer hat alles geschwiegen? Was für eine Führungskultur!

Grössenwahn? Vorstandschef Martin Winterkorn hatte seinem Konzern das Ziel gesetzt, weltweit die Nummer 1 zu werden, mehr Autos zu bauen als Toyota. Man kennt diese offensive Zielsetzung sonst nur von amerikanischen Weltkonzernen, nun war es ein deutscher.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Um die Nummer 1 zu werden musste man die amerikanischen Autofahrer erst einmal davon überzeugen, ihre Dreckschleudern zu ersetzten durch saubere Diesel-Pkw’s aus Deutschland. Doch die ursprünglich für den europäischen Markt entwickelten Dieselmotoren erfüllten die strengeren Stickoxid-Grenzwerte der USA nicht. Und von kostspieligen Zusatzinvestitionen wollte man absehen. Zusätzlich setzte Vorstandschef Martin Winterkorn seine Mitarbeiter unter Zeitdruck, so die vorherrschende Meinung. Das Ergebnis: manipulierte Stickoxid-Messungen auf dem Prüfstand. Ein Betrug, wie peinlich!

Managementfehler auf oberster Stufe

Eine alte Binsenwahrheit sagt, dass das Aufdecken eines Betrugs zunimmt mit jeder zusätzlichen Person, die daran beteiligt oder Mitwisser ist. Und es waren nicht wenige. Damit war es nur eine Frage der Zeit, bis das Ganze aufflog. Es musste auffliegen. Zwar war es der amerikanische Staat, der die Sache ins Rollen brachte. Es hätte aber ebenso ein Mitarbeiter von VW oder von einem Vertragsunternehmen sein können, der aus Unzufriedenheit oder aus finanziellen Interessen die Initiative ergriffen hätte.

Es waren nicht ein paar skrupellose Mitarbeiter mit verschwommenen Zielsetzungen und Moralvorstellungen, es war die oberste Managementstufe, die wegschaute. Möglich war es, weil eine wirksame Compliance fehlte. Hinzu kommt noch die unprofessionelle Kommunikationspolitik nach Aufdecken des Fehlverhaltens: vertuschen, verharmlosen, Zeit gewinnen. VW ein Einzelfall (neben Siemens und der Deutschen Bank)? In der Schweiz undenkbar? Doch wie war das mit Swissair, oder wie ist das aktuell mit der BSI, der Fifa, den Grossbanken? In allen Fällen stellt sich die gleiche Frage: Wo war die

Compliance?

Der Begriff Compliance beinhaltet die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, regulatorischer Massnahmen und die Erfüllung weiterer, wesentlicher und in der Regel von Unternehmen selbst gesetzter interner Standards und Richtlinien. Die Gesamtheit der Grundsätze, Prozesse und Massnahmen zur Einhaltung der Compliance wird als „Compliance Management System (CSM)“ bezeichnet.

Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) hat folgende Grundelemente eines CSM identifiziert: Compliance-Kultur, -Ziele, -Risiken, – Programme, -Organisation, -Kommunikation und -Verbesserung. Wichtig sind ebenso die Empfehlungen des Wirtschaftsdachverbands Economiesusse im „Swiss Code“ (Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance) sowie für Emittenten von primär- oder hauptkotierten Beteiligungsrechten die Offenlegungspflichten aus den Richtlinien Corporate Governance (RLCG) nach dem umfassenden Grundsatz „comply or explain“. Compliance hat ausserdem die Schnittstellen zu Risk Management, Controlling, interner Revision und external Audit zu berücksichtigen. In solcher Ausführlichkeit ist Compliance eine grosse Herausforderung verbunden mit erheblichen einmaligen und wiederkehrenden Kosten.

Jerome7Compliance in diesem umfassenden Sinn findet man bei Unternehmen mit hohen Compliance-Risiken, allen voran in der Finanzindustrie (Libor- und Wechselkursmanipulationen, Devisenmarktabsprachen, Hypothekenverbriefungen, Gehilfenschaft bei Steuerbetrug, Geldwäscherei, oder im persönlichen Bereich bei Conflict of Interest, Insider Information and Trading) und in der Pharmaindustrie.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Der Basler Pharmakonzern Novartis startete eine Folge mehrjähriger Initiativen um das ethisches Fehlverhalten zu unterbinden. Mitarbeitende können Fälle von Fehlverhalten einem Business Practices Office (BPO) melden. Im Berichtsjahr 2015 untersuchte das BPO 1299 Fälle, wobei bei 58% der Fälle Fehlverhalten festgestellt werden musste, welches in 343 Fällen zu Austritten oder Entlassungen führte. Die Mehrzahl der Fälle betraf falsche Spesenabrechnungen oder Verstösse gegen die Berufspraxis (aus dem Geschäftsbericht 2015).

Die Pharmaindustrie sah sich ausserdem in der Defensive bei Schmiergeldzahlungen, Kartellabsprachen und Preismanipulationen. Auch andere Industrien und Gesellschaften verfügen über eine ausgebaute Compliance-Abteilung (wie ABB, Sulzer, Migros). Doch müssten sich auch mittelgrosse Unternehmen mit diesem Thema beschäftigen. Schon die Frage an sich

wo liegen die Compliance-Risiken mit welchen Konsequenzen

öffnet einen Gedankenprozess, der zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann. Beispiele: Der Einkaufsprozess mit Rückerstattungen in schwarze Kassen, der Verkaufsprozess mit Überfakturierungen und Kick-Back-Zahlungen auf persönliche Inlandkonten, aggressive Provisions- und Lohnanreizsysteme usw. In der Praxis findet sich alles.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Nicht selten gehen bei KMU’s  Einkaufs-Umsatzrückvergütungen gestaffelt nach Umsatzzielen auf ausserbuchhalterische Konten oder Kassen. Diese Kassen stehen dann wieder zur Verfügung für Schmiergelder oder Zahlungen, die beim Empfänger steuerfrei eintreffen. Da sie im Rechnungswesen keine Spuren hinterlassen, sind sie über den Audit-Prozess schwierig zu erkennen.

Wer noch kein CSM einführen bzw. dieses in kleinen Schritten über Jahre realisieren will, hat grundsätzlich die Möglichkeit, die wesentlichen Ziele als Initial- und Softmassnahme in einem

Code of Conduct

festzuhalten. Der Code of Conduct enthält unternehmensspezifische Richtlinien bzw. einen Verhaltenskodex, auch „Mission Statement“ genannt in Übereinstimmung bzw. Konkretisierung des Unternehmensleitbildes. Natürlich muss dieser Code of Conduct verständlich und praxisnah verfasst sein. „Wir wollen professionell und ethisch verantwortungsvoll handeln“  oder „Wir wollen für unsere Kunden ein proaktiver, prinzipienstarker Partner sein“ (aus dem Code of Conduct Credit Suisse) gibt eigentlich nichts her. Schon ausführlicher erscheint der Code of Conduct Novartis. Allumfassende Compliance hat auch eine Kehrseite: wer durch bestimmte Verhaltensweisen auffällt, gerät auf das Radar der Compliance-Zuständigen. Wer zum Beispiel keine Ferien bezieht, lange Überstunden macht, privat viel Geld ausgibt – macht sich verdächtig. Seine E-Mails werden nun plötzlich überwacht. Solche Massnahmen gefährden die Mitarbeiterzufriedenheit und dürfen nicht im Vordergrund stehen. Es ist auch zu befürchten, dass die Angehörigen der Compliance-Abteilungen nicht immer richtig damit umgehen können und damit die Unternehmenskultur trüben (in Richtung Überwachungs- und Angstkultur). Und es darf bei allem guten Willen nicht übersehen werden, dass Non Compliance erst auf oberster Führungsstufe zu dramatischen Konsequenzen führt (wie eben bei VW oder früher bei Enron und WorldCom).

Non Compliance Verstösse verfolgen vor allem die amerikanischen Behörden (Panalpina, Credit Suisse, UBS u.a.). Als Folge beschäftigen sich immer mehr globale Unternehmungen mit Compliance, ihre Compliance-Abteilungen werden ausgebaut, Chief Compliance Officers eingestellt, Ethik-Botschaften in Unternehmensleitbild, -kultur und -berichterstattung aufgenommen. Entscheidend für die Wirksamkeit ist jedoch in vielen Fällen wie man mit Whistleblowers umgeht. Betrachtet man sie in erster Linie als Verräter, die man irgendwie auffangen muss um Schlimmeres zu verhüten, wird es nicht funktionieren. Entscheidend kann auch sein, wo die Whistleblower-Hotline hinführt. Als Empfänger falsch wäre die Rechts-, Finanz- oder Personalabteilung. Bei kotierten Gesellschaften ideal wäre der Präsident des Audit-Committee, in Einzelfällen der Präsident des Verwaltungsrats.

0408035Compliance als Thema ist im Aufwind, eine eigentliche Compliance-Industrie macht sich breit, Beratungsunternehmen und Universitätsinstitute entdecken die neue Nachfrage und sind mit Analysen, Strategien, Compliance-Programmen und -konserven im Markt. Doch wichtige Meilensteine kann man selbst erreichen, vieles hat mit Ethik zu tun und mit der Vorstellung, wie man mit Kunden umgehen will. Ist es richtig, dass Retourflüge der Swiss ab Zürich gebucht teurer sind als umgekehrt? Als Beispiel kostet Zürich-Malaga-Zürich volle 56% mehr als Malaga-Zürich-Malaga (SonntagsBlick vom 29.05.2015).

Und dabei sind wir beim nächsten Thema: Hochpreisinsel Schweiz – die grosse Abzocke. Demnächst Logo_ImVisier3

08.06.2016/Renzo Zbinden

Smart Life – im Cockpit der Dinge

  • Vorname: Glas
  • Nachnahme: Klar
  • Beruf: Heimpilot
  • Arbeitsort: Cockpit

Glas Klar wird überwacht, alle seine Zahlungsvorgänge werden aufgezeichnet (Bürger Glas Klar). Sie stehen bei Bedarf zur Verfügung. Sein Konsumverhalten ist bekannt (Big Data). Verlässt er sein Haus, steht er Logo_ImVisier3 unzähliger Kameras, öffentlicher und privater: im Strassenverkehr, auf Marktplätzen, in Bahnhöfen, Banken, Kaufhäusern, Spitälern, Schulen… Erreicht er seinen Arbeitsplatz, steht er unter Leistungskontrolle seiner Arbeitgeber.

Doch das ist noch nicht alles: Bleibt er zu Hause, überwacht er sich selbst und seine Mitbewohner über das Internet der Dinge. Es stört ihn nicht. Statt die Überwachung zu verhindern oder zu vermindern, tut er das Gegenteil. Er sitzt im Cockpit der Dinge und überlässt das Optimieren dem Autopiloten. Glas Klar ist überwachungsresistent. Er lässt es Geschehen.

Wir alle sind Glas Klar, sitzen im Cockpit der Dinge und pilotieren durch unser Leben, umgeben von Sensoren und Aktoren, die uns überwachen und unterstützen, rund um die Uhr, ein Leben lang. Willkommen bei „Smart Life“.

Neu?(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Zahnbürsten, die Intensität und Dauer der Zahnpflege messen, das Fitness-Armband, das die Anzahl Schritte misst, Kontaktlinsen, die den Blutzuckergehalt messen, der blinkende Schirm im Schirmständer, der aufkommenden Regen meldet, die Geschirrspühlmaschine, die rechtzeitig ankündigt, dass der Klarspühler zur Neige geht, der Mercedes im Strassengraben, der die Einsatzzentrale informiert – das alles ist nicht neu, nein, nur fancy – die direkte Kommunikation vom Ding zum Inhaber ist so alt wie die Rollläden mit Helligkeitssensor.

Neu kommunizieren elektronische und elektromechanische Dinge mit Dingen (internet of things, IoT), „machine to machine“.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

M2M ersetzen Telefongespräche, Weisungen, Entscheidfindungen. Die Toilette misst die Urinwerte, analysiert und meldet das Ergebnis dem Hausarzt. Oder die Dampfabzugshaube wird gesteuert durch das direkt darunter liegende Kochfeld. Kein Ding bleibt so dumm, wie es einmal war, es wird – ein wenig – intelligenter, künstliche Intelligenz ist das Stichwort. Wearables messen Körperdaten wie Blutdruck, Puls, Kalorienverbrauch, Schlafzeiten und teilen die Ergebnisse der Krankenkasse mit (zur Berechnung der Krankenkassenprämie!), Fahrzeugversicherer zeichnen das Fahrverhalten auf (um den Risiken in der Prämiengestaltung Rechnung zu tragen), und zu Hause wirkt der Autopilot.

Smart Home für Technofreaks

Smart Home Systeme vernetzen alle Sensoren zu Hause wie Leuchten (oder Lichtarrangements), Musikanlagen (Audiosysteme), Wärme- und Kältetechnik, Zugangssysteme, Haushaltgeräte (Backöfen) über hochintegrierte leistungsstarke Mikrocomputer. Alle Streaming-Dienste können auch unterwegs ausgelöst werden (für das vergessen gegangene Bügeleisen). Dazu stehen APP’s zur Verfügung, die es dem Nutzer ermöglichen, das intelligente Haussystem zu orchestrieren. Firmen, welche sog. LPWAN (Low Power Area Network) errichten, brauchen weder eine Lizenz noch eine Bewilligung für die Installation der Funkstationen. Ein Beispiel für intelligentes Wohnen: Digitalstrom – EIN/AUS war gestern. Mit SmartLife von Swisscom überwachen Sie Ihr Zuhause via Smartphone, wenn Sie abwesend sind.

Nicht nur Convenience (für jung und alt) und Status, auch Energiesparen kann im Vordergrund stehen. Dank Trittsensoren und Bewegungsmelder weiss der Steuercomputer, in welchen Räumen sich jemand aufhält und sorgt dort gezielt für Licht, Frischluft und angenehme Wärme (systemintegrierte thermische und elektrische Sonnenkollektoren, Erdsonden und Wärmepumpen).

Was früher über Kabel gestreamt wurde (Kabelstränge in Wänden und Zwischendecken), kann heute über Funktechnik erfolgen. Und kommuniziert wird zukünftig über die natürliche Sprache. Es ist 06.30 Uhr. Glas Klar ist unter der Dusche und ruft über Sprachsteuerung seine nächsten Termine ab: „Erste Sitzung 08.15 Uhr im Baur au Lac“, Stadtmitte. Er kommandiert seine Zweitwohnung, sein Mikroeigenheim, ein selbstgesteuertes rundum vernetztes Fahrzeug, um 07.30 Uhr vor die Haustür.

Smart Road Office – das Internet der rollenden Dinge

Glas Klar wohnt im Grüngürtel, ein wenig abseits der Agglomeration – frische Luft, absolute Ruhe. Der Arbeitsweg ist nicht mehr wichtig, in seinem selbstgesteuerten Mikroeigenheim kann er sich auf die nächsten Termine vorbereiten. Pünktlich um 08.00 Uhr verlässt er sein Fahrzeug vor dem Baur au Lac. Alle persönlichen Daten und Einstellungen werden gesperrt. Das Fahrzeug steht ab sofort zur Verfügung der Fahrtenvermittlungs-Internetplattform „Xuber“, einer Konkurrenzorganisation zu Uber.(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Das Fahrzeug nimmt unverzüglich den Taxi- und Lieferdienst für Dritte auf. Es braucht keinen Parkplatz, es ist immer unterwegs. Einmal pro Tag macht es einen Reinigungs-, Wartungs- und Update Stopp. Und am Abend steht es wieder Glas Klar zur Verfügung, frisch gereinigt mit einem Reset, das die persönliche Konnektivität wieder herstellt. Sein Fahrzeug, sein Eigentum, seine Investition.

„Xuber“ ist noch eine Geschäftsidee – mit überwältigenden Vorteilen: Finanziert durch die Inhaber der Fahrzeuge (oder Kreditinstitute), vermarktet über Internetplattform-Dienstleister, das Ganze multiplikativ umgesetzt, weltweit, in rasendem Tempo.

Für die Inhaber ist das selbstfahrende Mikroeigenheim nicht mehr Cost-Center, es ist Ertragsquelle, laufend auf dem neuesten Stand, prioritär verfügbar für 24 Stunden (vgl. auch Industrie 4). Die Nutzer der Taxi- und Lieferdienste erzielen gewaltige Kostenvorteile. Diese können soweit gehen, dass sie vollständig entfallen (gratis sind): das gebuchte Restaurant übernimmt die Fahrtkosten, das Shopping- oder Fitness-Center, die Kosmetik- und Wellness-Oase, oder eine Vermarktungs-Gesellschaft für die Gelegenheit, dem Nutzer während der Fahrt Produkte und Dienstleistungen vorstellen zu dürfen.

Und nebenbei: Was das Ganze für den öffentlichen Verkehr bedeutet, haben wohl die Wenigsten so richtig begriffen.

Digital Health – personalisierte Medizin

Glas Klar ist gesundheitsbewusst. Er hat sich ein Implantat unter die Haut setzen lassen, welches Gesundheitsdaten erfasst und misst. Haut durchleuchten, Spritze setzen, einen reiskorngrossen Chip in die Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger jagen, bisher eine Domäne der Veterinäre für unsere Haustiere. Das Implantat übernimmt zwei Aufgaben:

Erstens stellt es sämtliche Daten für Vertragspartner zur Verfügung (wie elektronische Patientendossiers), die aus den gesammelten Daten Muster erkennen und analysieren. Dafür erhält der Implantatträger individuelle Vorschläge zu Ernährung, Bewegungen und Medikamentenüberwachung und -dosierung.

Zweitens haben die Daten Einfluss auf die persönliche Prämiengestaltung für Krankenkassen: selbstschädigendes Verhalten wird geächtet und über Prämienzuschläge bestraft (ins Reich der kranken Phantasie gehört, dass ungesundes Verhalten, das zu einem früher Tod führt, belohnt wird).

Als Ersatz für Implantate kommen natürlich auch Wearables in Frage wie Smart Watches. Auf jeden Fall wird das Internet der Dinge auch die Gesundheitsbranche revolutionieren.  Digital Farming für den Agrarsektor wäre ein weiteres Beispiel (Feldsensoren).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Dass nach einer Studie von Ernst & Young vom Dezember 2015 (bei 700 Unternehmungen in der Schweiz) die neuen digitalen Technologien für zwei Drittel der Studienteilnehmer (Unternehmungen mit 30 bis 2000 Mitarbeiter) gar keine oder kaum eine Rolle spielen für das eigene Geschäftsmodell, verblüfft vollends und macht sprachlos. Nokia prognostiziert, dass im Jahr 2025 weltweit 30 Milliarden Geräte am Internet der Dinge teilnehmen werden.

Neue Netze – Strahlenschutz?

Das Internet der Dinge ist auf Sensoren, Chips und auf ein Netz angewiesen. Swisscom will ein solches Netz aufbauen, das bis Ende Jahr 80% der Bevölkerung erreichen soll. Im Vergleich zum Handynetz sollen die Investitionen geringer sein, man spricht von einem einstelligen Millionenbetrag, bei vollständiger Abdeckung bis hin zu den Gebäuden von einem mittleren zweistelligen. Zwar müssen zusätzliche Sender aufgestellt werden (im Abstand von 5 bis 15 Kilometer), bestehende Masten können jedoch verwendet werden. Da die Antennen für dieses Netz eine tiefe Sendeleistung voraussetzen, braucht es dazu keine Bewilligung und für das Frequenzband keine Konzession (die Datenübertragung erfolgt über konzessionsfreie Frequenzbänder im Sub-GHz-Bereich).(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Es sind Frequenzen, die auch für Garagentoröffner und Babyphones verwendet werden. Auch SIM-Karten entfallen. Werden sporadisch kleine Datenmengen übertragen (im Low Power Wide Area Network – LPWAN), kann eine Knopfbatterie im Sender bis drei Jahre und länger halten.

Das Antennennetz der Swisscom für das Internet der Dinge basiert auf dem  „Lora-WAN“ Standard (Long Range Wide Area Network) für Pakete, Briefkästen (Push-Mitteilungen) oder Fahrzeuge (zusammen mit Partnergesellschaften errichtet die Swisscom Parkplätze mit Sensoren, welche erkennen, ob ein Fahrzeug die Parkplätze besetzt).

Die Strahlung der Funkstationen soll ungleich schwächer sein als bei herkömmlichen Anlagen. Doch fehlen Erhebungen. Der Strahlenschutz bleibt ein Thema.

Smart Home, Smart Road Office und Digital Health, drei Anwendungsbereiche die zeigen, dass mit dem Internet der Dinge völlig neue Märkte erschlossen werden. In Zukunftsszenarien werden über implantierte NFC-Mikrochips Körper vernetzt (Near Field Communication). Per Handschlag bezahlen und ohne Schlüssel Türen öffnen und Fahrzeuge starten. Daneben wichtige Dokumente speichern wie Passwörter, Personalausweise, Führerschein, Allergien, Unfälle, Krankheiten, das eigene Testament. Der Nutzer wird zum integralen Bestandteil des Internet der Dinge, des „Internet of us“. Doch diese Lebenserleichterungsindustrie fördert auch die Vermarktungs- sowie die zivile und öffentliche Überwachungsindustrie.

Risiken – noch alles im Griff?

Die Dinge mit Internetanschluss sind schlecht gesichert (es fehlen die Sicherheitsnormen), sie können die Nutzer überwachen oder einfach Daten sammeln die zu Werbezwecken missbraucht werden. Ist die zentrale Software proprietär, hat man keine Chance, die Privatspähre zu schützen. Die Bedeutung der freien Software ist andererseits noch wenig diskutiert:(Klicken Sie zum Weiterlesen)

Freie Software erfüllt vier Forderungen: „Die Nutzer des Programms dürfen dieses nach Belieben ausführen. Sie dürfen es untersuchen und anpassen. Zudem dürfen sie es kopieren und weitergeben. Und auch ihre Anpassungen dürfen sie mit anderen Leuten teilen“ (Richard Stallman im Interview mit der BZ vom 11. Februar 2016). Ähnliches gilt für die Open-Source. Der Quellcode wird mitgeliefert. Im Gegensatz dazu darf die proprietäre Software nur so genutzt werden, wie die Hersteller es erlauben. Erworben wird das fertig kompilierte Programm. Der Programmcode wird nicht offen gelegt. Deshalb entfallen Anpassungen, Erweiterungen und die Suche nach Schwachstellen oder schädlichen Funktionen (Malware).

Gefahren aus dem Überstaat – wir sind gewarnt

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Glas Klar

Die öffentliche Sicherheit, die Gesundheit der Bevölkerung, die private Sicherheit – sind in vielen Belangen eine Zielsetzung des Staates. Unzählige Daten aus den omnipräsenten Sensoren für Smart Life stehen auch dem Staat zur Verfügung. Doch der demokratische Staat hat keinen Erziehungsauftrag und erst recht keinen Therapieauftrag. Bürger geben und nehmen im Rahmen einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenordnung. Damit die vielen Glas Klar Risiken eingehen, Kreatives suchen und Neues schaffen, müssen die staatlichen Institutionen unkontrollierte Freiräume zulassen. Der selbstbestimmende Glas Klar braucht ein gewisses Mass an Autonomie und Distanz, Authentizität.

Aus linker Seite erkennbar ist eine grosse Erwartung nach Konformität – Meinungskonformität, Leistungskonformität, Verhaltenskonformität. Eigensinn stösst an. Zuviel davon schadet der Wohlstandsentwicklung, stört das Wertesystem, muss in Schranken gehalten werden, meinen sie.

Tempo 30 gilt nicht nur bei starkem Verkehr, Tempo 30 gilt auch am morgen früh um 05.00 Uhr, wenn niemand unterwegs ist. Kontrolliert und bestraft wird aus Prinzip, Ausnahmen sind nicht vorgesehen.

Der Staat unterwirft, diszipliniert, übt Macht aus, wenn und soweit wir es zulassen. Die technische Entwicklung der allgegenwärtigen Sensoren und Aktoren gibt dem Staat bisher unbekannte Mittel in die Hand, den Bürger Glas Klar in die Leitplanken zu zwingen und zwar jene Leitplanken, die der Mainstream zur Zeit als richtig gesetzt erachtet. Und die Unterwerfungsbereitschaft kann erschrecken, nicht in Deutschland, hier in der Schweiz!

Citizen Score – ein soziales Punktesystem für alle Bürger – später

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Hätte man Ihnen vor 10 Jahren gesagt, dass dereinst

  • die Banken Negativzinsen auf Ihrem Sparkonto in Erwägung ziehen
  • Geld- und Wirtschaftspolitiker ungeniert darüber diskutieren, das Bargeld abzuschaffen

hätten Sie vermutlich den Kopf geschüttelt. Undenkbar. Hören Sie heute, dass

  • im Rahmen der Digitalisierung der Staat Kontroll- und Lenkungsaufgaben übernimmt, die unsere Individualität und Freiheit grob einschränken

schütteln Sie auch noch den Kopf? Was denken Sie? Teilen Sie es uns mit.

08.04.2016/Renzo Zbinden